Süßigkeiten, Kuchen und AlleingängeDarauf verzichten die Menschen im Rhein-Sieg-Kreis in der Fastenzeit

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Der ehemalige Dompropst Günter Berghaus macht am Mittwoch im Dom in Essen ein Aschekreuz auf die Stirn einer Frau. Mit dem Aschermittwoch beginnt für die Christen die Fastenzeit.

Mit dem Aschermittwoch beginnt für die Christen die Fastenzeit.

In der Fastenzeit verzichten Menschen auf Verschiedenes, was ihnen eigentlich Freude bereitet. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. 

Sieben Wochen lang, zwischen Aschermittwoch und Ostern, nutzen viele die Gelegenheit, bewusst Verzicht zu üben. Während für Christen der religiöse Aspekt der Fastenzeit im Vordergrund steht, geht es für andere Menschen um eine Besinnung auf sich. 

Alfters Pfarrer Michael Verhey verzichtet auf Alleingänge

Michael Verhey, seit 2023 Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Alfter, fastet bis Ostern. „Ich nutze diese sieben Wochen, und esse keine Süßigkeiten oder andere Naschereien. Und ich trinke keinen Alkohol in der Zeit“, erklärt Verhey. Dabei gehe es ihm weniger um etwas Spirituelles, sondern eher um das körperliche Wohlbefinden: „Ich hatte das Gefühl, es würde mir ganz guttun. Daher nutze ich diese Zeit.“ 

Für ihn als Pfarrer sei es nicht so leicht, in der Passionszeit zu fasten. „Mit den Gedanken muss man immer etwas vorweg sein, deshalb finde ich es schwierig, so einen spirituellen Fastenrhythmus einzuhalten, gerade in diesen sehr vollen Zeiten“, sagt Verhey. 

Es gebe aber neben dem Fasten von Lebensmitteln und Genüssen auch eine andere Form, die Verhey schön finde: „Es gibt die Fastenaktion ‚Sieben Wochen ohne‘, mit einem Fastenkalender.“ Dabei handelt es sich um eine Aktion der evangelischen Kirche. Statt auf Konsum verzichte man bei dieser Aktion auf eine bestimmte Handlungsweise. Dieses Jahr lautet das Motto: „Sieben Wochen ohne Alleingänge“.

„Jeden Tag darüber zu reflektieren, finde ich sehr spannend und auch viel leichter in den Alltag zu integrieren. Das ist für mich eher ein spiritueller Weg durch die Zeit, spiritueller als der Verzicht auf Lebensmittel“, beschreibt es der Pfarrer. Er erhoffe sich Selbstreflexion darüber, wo er wirklich Menschen mitnehme auf einen gedanklichen Weg, und er erhoffe sich eine Bewusstseinserweiterung: „Nicht im meditativen Sinne, sondern, dass man sich sein Verhalten bewusst macht.“ 

Heilpraktikerin aus Rheinbach verzichtet in der Fastenzeit auf feste Nahrung

Barbara Eva von Brockdorff fastet zweimal im Jahr, in der Fastenzeit und im Herbst. Die Heilpraktikerin aus Rheinbach verzichtet in dieser Zeit auf jegliche feste Nahrung und trinkt nur stilles Wasser oder nicht arzneiliche Tees. „Ich baue viel mehr Freizeit in diese Tage ein, genieße längere Spaziergänge, mache Qigong und Kneippanwendungen, gönne mir Massagen, entspanne und tanke auf“, erklärt von Brockdorff.

Für sie sei Fasten ein freiwilliger Nahrungsentzug, kein Hungern. Denn die Einstellung sei für den Verlauf und das Ergebnis des Fastens entscheidend. Auf der einen Seite sei es eine physiologische Umschaltung des Stoffwechsels auf Ernährung von innen, andererseits ein Ankommen bei sich selbst, ein zur Ruhe kommen und Entschleunigen. „Es ist die innere Einkehr, sich von Unwesentlichem zu entfernen, die inneren Schalter umzulegen und die innere Stille zu genießen.“

Bemerkenswert sei der Zustand, der sich während des Fastens circa ab dem vierten oder fünften Tag einstellen könne: Es sei ein gewisses „Abgeschirmt sein“ von äußeren Reizen, ein „Unbefangen sein“. Präsent und alles wahrnehmbar und im Zustand der inneren Balance und Harmonie.

„Fasten sollte durch reichliches Trinken, viel körperliche Bewegung, regelmäßige Darmentleerung, Entspannung und Stille begleitet werden“, sagt die Heilpraktikerin. So wunderbar auch das Fasten sei, sollten dennoch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen vor dem Fastenbeginn eine medizinische Abklärung durchführen, ob es für sie geeignet ist.

Für von Brockdorff sei Fasten auf der physiologischen Ebene eine Art „Detoxkur“. „Gleichzeitig empfinde ich Fasten als eine seelisch-geistige, besinnliche Zeit, die einen angenehmen Abstand zum Alltag schafft und mir eine tiefe Verbundenheit mit allem Lebendigen vermittelt“, beschreibt sie es weiter. 

Von der Fastenzeit erhoffe sie sich eine rundum Erneuerung für den Körper, Geist und Seele: „Stoffwechseloptimierung, innere Frische und einen neuen Blick auf das Alltägliche.“ Hier zitiert sie gerne die Worte des Theologen und Religionsphilosophen Romano Guardini: „Beim Fasten geht etwas Innerliches vor sich. Der Körper wird gleichsam aufgelockert, der Geist wird freier. Der Raum des Möglichen wird weiter, der Geist wird fühliger. Das Gefühl für geistige Entscheidung wächst.“

Hans Dieter Wirtz aus Bornheim erlebt die Fastenzeit sehr bewusst

„Ich bin praktizierender Christ“, erklärt Hans Dieter Wirtz aus Bornheim-Walberberg. Er fastet jedes Jahr, das sei für ihn selbstverständlich. „Fasten ist aus meiner Sicht gut, wenn man auf das verzichtet, was einen beschränkt“, sagt Wirtz: „Ich esse gerne Kuchen und das versuche ich, in der Fastenzeit sein zu lassen. Damit man auch merkt, dass es eine andere Zeit ist.“ Das habe nicht nur religiöse Gründe, sondern dabei könne er auch noch ein paar Kalorien einsparen. 

„Ich könnte mir heute jeden Tag alles leisten, aber ich tue es bewusst nicht. Nur aus der Beschränkung kann man das Besondere richtig bewerten“, ist sich Wirtz sicher. Alles, was man immer hat, werde mit der Zeit gleichgültiger. 

Seiner Erfahrung nach können man etwas besonders genießen, wenn man es eine längere Zeit nicht hatte. Ein Stück Torte nach der Fastenzeit zelebriere er dann richtig.

Wirtz erlebe die Fastenzeit bewusst. „Ich versuche, entweder in den Gottesdienst zu gehen oder mich mit religiösen Texten zu befassen. Das mache ich auch, um für mich eine Auszeit zu nehmen.“ Trotz allen Verzichtes habe man auch in dieser Zeit das Wesentliche. „Für mich ist die Fastenzeit, dass man wieder aufmerksamer wird für die besonderen Dinge.“  

Pfarrer Michael Maxeiner aus Meckenheim

Auch Michael Maxeiner, Leitender Pfarrer der Pfarreingemeinschaft Meckenheim, nimmt die Zeit bis Ostern bewusst wahr. „Von klein auf kenne ich – aus einer christlichen Familie stammend – die Fastenzeit. Sie gehört für mich zum Leben, zum jährlichen Jahresablauf, wie andere geprägte Zeiten mit dazu“, so Maxeiner. Mit dem Fasten sei es außerdem nicht immer so einfach, da kämen schon mal Versuchungen auf. „Fasten bedeutet auch, jeden Tag neu damit anzufangen. Auch dann, wenn es mal nicht ‚geklappt‘ hat.“

In diesem Jahr verzichte Maxeiner aus Süßes. Das sei aber nur ein Beispiel: „Ich nehme mir auch andere Dinge vor, aber man soll über seinen Verzicht nicht viele Worte machen. Es soll im Verborgenen geschehen, dass nur Gott sehen kann.“

Für den Pfarrer sei Fasten Ausdruck und Zeichen der Liebe zu und der Hingabe an Gott. „Ich verzichte nicht auf etwas, um den Menschen zu gefallen oder ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern aus Liebe zu Gott.“ Dadurch werde ihm auch wieder freie Zeit im Alltag geschenkt. Die wolle er für seine Gottesbeziehung nutzen: „Zeit für Stille, Gebet und das Lesen der heiligen Schrift, Zeit, um über Gott und die Welt nachzudenken.“ 

Christa Montenarh aus Walberberg fastet seit ihrer Erstkommunion jedes Jahr 

Christa Montenarh fastet fast immer - und das seit ihrer Erstkommunion. „Ich faste Süßigkeiten und Alkohol- die Dinge, die nur Genuss und Überfluss sind“, erklärt die Bornheimerin, die sich in der katholischen Gemeinde St. Walburga in Walberberg engagiert. Dabei versuche sie auch, auf Unzufriedenheit und Zeitverschwendung zu verzichten. Auch auf ein allgemeines „zu viel Nehmen“. „Lieber will ich geben“, erklärt Montenarh. 

Sie versuche in dieser Zeit besonders „gut “zu leben. „Ich denke nach über das rechte Maß der Dinge und empfinde, dass ‚weniger und einfacher‘ gut tut. Mir und anderen“, so Montenarh. Daher habe sie im vergangenen Jahr  ein oder zwei Wochen ganz bewusst von möglichst wenig Geld gelebt, davon hatte sie in einer Zeitschrift gelesen. „Das hat mir unser Leben im Überfluss - oft auf Kosten anderer - noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt.“

In der Fastenzeit wolle sie zur Besinnung auf das Wesentliche finden: „Das wir ganz in und aus Gottes Liebe zu uns und allen Menschen leben.“ 

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