PsychotherapieZynismus ist die Vorstufe zum Burnout

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Wenn man sich nur noch wie eine leere Hülle fühlt: Vom Burnout-Syndrom Betroffene können nicht mehr vom Berufsstress "abschalten" und genießen. (Symbolbild: dpa)

Wenn man sich nur noch wie eine leere Hülle fühlt: Vom Burnout-Syndrom Betroffene können nicht mehr vom Berufsstress "abschalten" und genießen. (Symbolbild: dpa)

Zynismus soll die Vorstufe zu einem Burnout, einer Erschöpfungs-Depression ein? Ja, so ist es, sagt der Psychiater und Psychotherapeut Dr. Horst Walter Ebeling-Golz, der zwei Privatkliniken für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Hürth und Mönchengladbach leitet. „Wenn der Mensch fürchtet, dass er das, was er sich vorgenommen hat, nicht schafft, wenn er spürt, dass ein Zusammenbruch drohen könnte, dann versucht er, dies abzuwenden und wird zynisch.“ Schon deshalb, weil man nicht ertragen kann, an Anforderungen zu scheitern, die man sich selbst gestellt hat. Der Mensch definiert dieses Scheitern als Scham und Schuld, Urängste, vor denen er panisch zurückschreckt. Ebeling-Golz: „Schon in den alten Kulturen haben die Menschen alles getan, um der Scham und der Schuld zu entrinnen, denn meist hatte dies den Ausschluss aus der bestehenden Gemeinschaft zur Folge, eine der härtesten Sanktionen, die dem anderen klar macht: Du gehörst hier nicht mehr hin, du darfst hier nicht sein.“

Zynismus ist Hilfsmittel und Mechanismus zugleich, um einen drohenden Konflikt zu verhindern und Spannung abzubauen. Ebeling-Golz: „Also macht man die Ideale, die man sich zu Eigen gemacht hat, lächerlich, weil man sie nicht mehr realisieren kann. Oder aber man erhebt sich über sie, um das Bedrohende dieser Ideale abzuwehren.“ Diese Abwehr spielt sich zunächst auf intellektueller Ebene ab, äußert sich in bissigen Bemerkungen gegenüber sich selbst und seinem Umfeld, der Familie, den Kollegen. Nicht, indem man die anderen angreift und niedermacht, sondern indem man über sie bitterböse witzelt, ihr Engagement anprangert, sie als „klein“, minderwertig und unzureichend betrachtet. Diese zynische sich-selbst-schützende Haltung kann sich genauso gut gegen ein System richten, den Staat, die Religion, den Arbeitgeber.

Eine zynische Grundhaltung ist beileibe kein „Vorrecht“ der Führungsriege, die fälschlicherweise immer als besonders anfällig für ein Burnout bezeichnet wird, sondern kommt in helfenden Berufen wie bei Krankenschwestern und Ärzten vor, bei pflegenden Angehörigen, Lehrern, Bankangestellten und Hausfrauen und -männern gleichermaßen. Trefflich lässt sich zu genau diesem Phänomen der Philosoph Friedrich Nietzsche zitieren: „Es gibt freie, freche Geister, welche verbergen möchten, dass sie zerbrochene, stolze, unheilbare Herzen sind, und bisweilen ist die Narrheit selbst die Maske für ein unseliges allzu gewisses Wissen.“

Gefährdet sind die Pflichtbewussten

Folglich greift der „bedrängte Mensch“ zum Zynismus, redet sich seine Ideale kaputt in der Hoffnung, dass ihm das Leben dann leichter von der Hand gehen möge. Der zynische „Angriff“ vollzieht sich in drei grob umrissenen Stufen: zuerst auf die großen Ideale, dann auf das Umfeld, zuletzt zermürbt man sich selbst. „Die Erkenntnis, dass das nicht hilft, mündet in einen apathischen Zustand - dem Vorfeld zu einer wirklichen Depression“, sagt Horst Walter Ebeling-Golz. Die Voraussetzung für diesen Leidensweg, so erläutert er, ist „die große Lücke zwischen dem, was sein sollte und dem, was tatsächlich ist“.

Am stärksten gefährdet sind die, die mitmenschlich, fleißig, strebsam, pflichtbewusst sind. Die Solidarischen, die Ordentlichen, denen aber aller positiven Eigenschaften zum Trotz das Gefühl der Wertlosigkeit innewohnt. Sie laufen Gefahr, sich auf dem Weg zu einem Burnout in eine verengte Denkweise zu flüchten, in der man sich grüblerisch mit immer denselben Themen befasst und kein Platz für neue Ansätze ist. Schwung und Antrieb lassen nach; der Mensch erlahmt oder überdreht. Die Stimmung wird grundlos depressiv. „Besonders gefährlich wird es, wenn man wie versteinert ist“, sagt Ebeling-Golz.

Aufgepfropft werden den Menschen hohe Ziele und Ideale durch Erziehung, gesellschaftliche und daraus abgeleitet die eigenen Ansprüche - kurz gesagt: durch die geltende Moral. Das Ausgebranntsein, die Erschöpfungsdepression als Folge dieser Strukturen wird ausschließlich erlitten in hoch entwickelten Kulturen mit komplexen Lebensinhalten, also in Zeiten wie diesen. Ebeling-Golz urteilt, dass „der Mensch durchaus spürt, dass es so nicht weitergehen kann“, - dass eine kritische Größe erreicht ist. „Dafür verantwortlich machen können wir nicht“, so der Therapeut weiter, „das System, die Gesellschaft, die Politik, die Arbeitswelt, die anderen, sondern: Das haben wir uns selbst so gemacht. Wir können es auch Zeitgeist nennen.“

Der Arzt ist davon überzeugt, dass eine Umkehr stattfinden wird, schon allein deshalb, weil die psychischen Probleme der Menschen zunehmen, weil deutlich wird, wo die Gefahren liegen und die Symptome unverkennbar sind. „Wir tun uns schwer mit Schwächen, weil sie in Zeiten wie diesen nicht vorgesehen sind.“

Folglich, so seine Erfahrung, wenden „wir viel Geld und viele Anstrengungen auf, um die Gesellschaft zu stabilisieren. Das ist gut so, denn sonst wäre es noch schlimmer. Um unseren Geist zu bilden, haben wir die diversen Schulformen, um unseren Körper zu trainieren, gibt es Sport in allen Variationen. Nur auf dem Gebiet der Gefühle sind wir ziemlich ungebildet.“ Um der ausgebrannten Seele zu helfen, sind weder Urlaube noch Wellness-Zeiten angebracht. „Damit präpariert man sich auf ein ,weiter so , gönnt sich lediglich eine Pause und setzt sein Leben wie gehabt fort“, sagt der Therapeut.

„Der Mensch tut alles, um geliebt zu werden“

„Der Mensch muss nicht beruhigt werden, sondern seine lebenserhaltenden Anlagen müssen gesunden.“ Nicht nur bei jenen, die sich im Beruf verausgaben, sondern auch bei denen, die in ihrem privaten Umfeld ausbrennen. „Der Mensch tut nämlich fast alles dafür, um geliebt zu werden. Je kleiner der Kreis der Personen ist, von denen man geliebt werden möchte, desto mehr investiert man.“ Also in den Ehepartner, die Kinder, die Eltern. Das K.o.-Verfahren solcher Beziehungen läuft recht subtil über das Regulativ der Liebe - Entzug oder Zuneigung. Ebeling-Golz: „Wer Gefahr läuft, die Selbstachtung aufzugeben, der überschreitet die Grenze.“

Aber nicht jeder, der sich zu Hochleistungen treibt, läuft Gefahr auszubrennen oder sich bis hin zur Depression zu erschöpfen. „Der eine kann ein Leben lang powern ohne Schaden zu nehmen, der andere eben nicht. Das ist vergleichbar mit unserer Muskulatur. Jeder hat Muskeln, aber nicht jeder kann Möbelpacker werden“, sagt Horst Walter Ebeling-Golz.

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