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„Sucht und Alter“Alkoholismus bleibt oft unerkannt

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(Symbolbild: dpa)

(Symbolbild: dpa)

Köln – Die Zahlen sind alarmierend: Von den rund 21 Millionen Menschen in Deutschland über 60 Jahre sind, so die Schätzungen der Experten, zwischen einer und zwei Millionen suchtkrank. Ein Viertel der Männer über 60 trinkt so viel Alkohol, dass das Risiko für andere Krankheiten deutlich erhöht ist.

Dem Thema „Sucht und Alter“ widmete sich der fünfte nordrhein-westfälische Kooperationstag „Sucht und Drogen“ im Landschaftsverband Rheinland (LVR) in Köln. Über 200 Ärzte, Psychiater, Suchtberater und Beschäftigte in der Krankenpflege beschäftigten sich in Workshops mit einem Thema, „das bislang eher unterbelichtet ist“, so Hartmut Buck vom Fraunhofer Institut. Georg Seegers, Suchtberater bei der Caritas in Köln, erklärte: „Wir müssen jetzt den Finger in die Wunde legen. Diese Zielgruppe ist uns bislang eher fremd.“

Birgitta Lengsholz arbeitet auf der Gerontopsychiatrischen Station der LVR-Klinik in Bonn und hat beobachtet, „dass die Menschen mit Suchterkrankungen immer älter werden. Viele geraten auch erst mit der Verrentung auf die Suchtschiene, oft werden sie als Demenzkranke angesehen. Es ist aber nicht nur Alkohol. Viele auf meiner Station nehmen seit Jahren Beruhigungsmittel. Wir müssen bei den Patienten ein Bewusstsein wecken. Ziel ist die Abstinenz. Wer heute mit 60 Jahren abhängig ist, kann 90 werden und wäre dann noch 30 Jahre lang abhängig.“ Dr. Friedrich Leidinger vom LVR-Dezernat Gesundheit plädiert für den „harten Weg“: „Oft werden demenzielle Erscheinungen diagnostiziert, in Wirklichkeit handelt es sich um Alkoholismus. Dann müssen wir dem Klienten schonungslos die Wahrheit sagen. Er hat die Wahl zwischen Abstinenz oder lebenslanger Pflegebedürftigkeit mit immer größeren Ausfallerscheinungen. Viele haben jahrzehntelang gesoffen ohne in Kontakt zu Medizinern oder der Suchtberatung zu kommen.“ Darüber hinaus müsse man zur Kenntnis nehmen, „dass diese Menschen auf ihre Art sehr kompetent sind. Sie haben es schließlich über Jahrzehnte geschafft, unseren Hilfsangeboten zu entgehen.“

Niemand muss

„auf die Couch“

Dr. Bodo Lieb von den Rheinischen Kliniken in Essen bietet älteren Suchtkranken eine „kognitive Verhaltenstherapie“: „Ziel dieser Therapie ist die Vermeidung des Rückfalls. Wir haben gelernt, dass vor allem ältere Menschen sich sehr gut auf diese Therapieform einlassen, weil sie ein wenig an die Schule von früher erinnert.“ Die Angst, man müsse zur Therapie „auf die Couch“, sei in diesem Zusammenhang völlig unbegründet. Einig war man sich am Ende der Tagung, dass alle Institutionen, die mit älteren Menschen zu tun haben, für das Thema „Sucht im Alter“ deutlich stärker sensibilisiert werden müssen.

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