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PsychologieTiefstapeln ist typisch weiblich

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Tiefstapeln ist typisch weiblich (Bild: dpa)

Tiefstapeln ist typisch weiblich (Bild: dpa)

Ein Lob vom Chef. Toll. Aber anstatt ihre eigene Leistung herauszustellen, sagt Frau auch gerne schonmal: „War doch nicht so schwer“ oder „Ach, das hätten andere auch geschafft“. Tiefstapeln gehört zu den Eigenschaften, mit denen sich Arbeitnehmer selbst ins Abseits stellen. Besonders bei Frauen ist diese Art von Bescheidenheit verbreitet. „Frauen denken bei Erfolgen eher, dass sie nur einen Anteil daran haben oder auch Glück dabei war, während Männer überzeugt sind, dass ihre gute Arbeit zum Erfolg führte“, sagt der Vorsitzende des Deutschen Bundesverbandes Coaching, Christopher Rauen.

Wer zu bescheiden ist, wird häufig ausgenutzt

Das Tiefstapeln ist aber nicht nur im Job hinderlich. Auch im Privatleben stellen sich Frauen, die zu bescheiden sind, oft selbst ein Bein. Der Ehemann freut sich über die blitzblanke Wohnung? Anstatt zu antworten, dass das Aufräumen und Putzen „ganz schnell“ oder mal eben „nebenbei“ erledigt wurde, sollte Frau lieber antworten: „Danke. Das war auch ganz schön viel Arbeit“. Vielleicht hilft der Liebste beim nächsten Mal mit. Und wer Freundschaftsdienste im Bekanntenkreis immer herunterspielt, als sei das nichts Besonderes, läuft nicht nur Gefahr, immer wieder gefragt zu werden. Er erhält auch nach und nach weniger Anerkennung für seine Hilfe.

Aber warum sind Frauen überhaupt so häufig von der „Tiefstapleritis“ befallen? Die Psychologin und Trainerin Barbara Frien aus Dortmund sieht eine entsprechende Prägung schon in der Kindheit verankert. „Das hat viel mit Erziehung zu tun“, sagt sie. „Mädchen werden anders erzogen und bei Erfolgen eher mal geblockt.“ Den Satz „Eigenlob stinkt“ hören mehr Mädchen als Jungs. „Wenn sich dagegen ein Junge darstellt, bekommt er Anerkennung“, sagt Frien.

Eine solche Prägung kann aber überwunden werden. „Als erstes sollte man sich die Dinge bewusst machen.“ Die Situationen, in denen Frau sich bremst, weil sie denkt, sie dürfe nicht so vorlaut sein, sollten analysiert werden: Wann passiert das und warum? Wer das weiß, kann daran arbeiten. Auch wenn es nicht immer einfach ist: „Persönlichkeitsentwicklung entsteht aus Krisen“, sagt Psychologin Frien, „aus der Krise heraus kann ich mich weiter entwickeln.“

Die täglichen kleinen Krisen, in die Frauen hinein geraten, kennt Heike Hein, Coach aus Hamburg, gut: „Auf Meetings sind Frauen meist besser vorbereitet als Männer, aber sie kennen die Regeln nicht, die dort herrschen.“ So wollen sie zu schnell loslegen und geben ihre Ideen häufig zu Zeitpunkten preis, wenn Männer noch über Unwichtiges plänkeln. „Dann passiert es, dass dieselbe Idee später von einem Mann vorgetragen wird - der dann auch das Lob erntet.“ Ihren Ärger darüber macht Frau eher im Stillen mit sich aus, anstatt sich zu Wort zu melden. „Frauen haben ein Problem damit, eine Ich-Marke zu bilden“, sagt Hein. Viele fühlen sich im Hintergrund wohler, als im Rampenlicht. Lieber nicht anecken, so ihre Devise.

Aber: „Man kann nicht nicht kommunizieren“, sagt Hein. Will heißen: Wer immer leise ist, tiefstapelt und sich im Hintergrund hält, zeigt: Ich bin nicht von mir überzeugt. So jemandem traut man die nächste Karrierestufe nicht zu. „Das Ergebnis ist, dass man übergangen und jemand anderes befördert wird.“ Wer das verhindern will, muss lernen, seine Kompetenzen nach außen hin zu kommunizieren - und das selbstsicher. Dabei können Coaches helfen, aber auch die Freunde und der Partner, sagt Trainer Christopher Rauen. Sie sollten einen aufbauen und unterstützen: „Es ist wichtig, denjenigen bewusst Mut zuzusprechen und zu sagen: ,Ich glaube an Dich".“

Wer vom grauen Mäuschen zur hoch geachteten Kollegin aufsteigen will, braucht Zeit und Geduld. Nach Einschätzung von Rauen dauern solche Veränderungsprozesse ein bis zwei Jahre. Hilfreich sei es, sich zu vergleichen: „Über den Vergleich mit einem Kollegen kann ich schauen: Wo stehe ich, wie verhalte ich mich, wie verhält sich der Kollege in bestimmten Situationen.“ Wer beispielsweise immer den Kaffee holt oder sich für andere Hilfsdienste anbietet, hält sich vielleicht schon dadurch selbst klein.

Jeder muss seineneigenen Weg finden

Psycho-Ratgeber helfen bei solchen Veränderungsprozessen laut Coach Christopher Rauen nur bedingt: „Wollen sie gehen lernen oder wollen sie eine große Krückensammlung haben“, frage er seine Klienten manchmal. Karriere-Ratgeber könnten eine Krücke sein, zum Gehen lernen müsse man aber seinen ganz eigenen Weg finden. Das bestätigt auch die Hamburger Trainerin Heike Hein: „Bloß nicht über das Ziel hinaus schießen, sondern für sich stimmig bleiben und ein eigenes Verhalten entwickeln“, rät sie.

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