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„Kölner Liste 2015“Freude am Werk als beste Dividende

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Malerin Kerstin Arnold mit ihren Werken in der Sonderschau „Faktor X“. (Foto: Brill)

Malerin Kerstin Arnold mit ihren Werken in der Sonderschau „Faktor X“. (Foto: Brill)

Unverschämt, dieser Wildpinkler gleich im Eingang von The New Yorker/Dock One. Allerdings: Der Rüpel ist Kunst, lebensecht nachgebildet und hydraulisch präpariert von Sandro Porcu. Mit 90 000 Euro sprengt das Werk (Galerie Flox) zwar den grob von 500 bis 7500 Euro reichenden Rahmen der „Kölner Liste 2015“, markiert aber noch nicht deren Preisgipfel: Für Porcus sieben Meter hohes und dank vertrackter Mechanik apart schwankendes Eisenkreuz „Momentum“ werden 175 000 Euro aufgerufen.

Ansonsten meint Messechef Jörgen Golz zur zweiten Ausgabe der „Entdeckermesse“, „dass die wahre Dividende der Kunst doch die tägliche Freude an einem Werk ist“. Kurator Peter Funken hat 38 Galerien und Projekträume aus 13 Ländern ausgewählt und den benachbarten Harbour.Club gewissermaßen als Überlaufbecken hinzugenommen.

Dort präsentiert die neue Reihe „Format X“ 14 aufregende Künstlerinnen und Künstler. Darunter Jeanet Hönig mit effektvollen Dripping-Arbeiten. Das flüssige Kunstharz muss fehlerfrei in einem Arbeitsgang verarbeitet werden. Preis einer neunteiligen Collage: 22 000 Euro. Kerstin Arnolds fotorealistisch-exakte und doch surreale Arbeit „Schöne neue Reisefreiheit“ geißelt den Entblößungswahn von Sommertouristen (5600 Euro), während Isabella Sedeka reizvoll-filigrane Muster mit Acryl, Silber und Gold komponiert.

Fotografien von Kabarettist Dieter Nuhr

Im Haupthaus der Messe zieht etwa der Neo-Rauch-Schüler Johannes Tiepelmann die Blicke auf sich: Sein Ölgemälde „Glasperlenspiel“ kostet zwar 9600 Euro, kleinere Werke des Aufsteigers rangieren aber im niedrigen vierstelligen Bereich. Winzigstes Exponat der Messe dürfte eine im Stil von Rodins „Denker“ auf einem Sockel thronende (präparierte) Ameise sein, die grellsten Akzente setzen Anthony Francis’ plastische Farbreliefs (HLP Galerie Wesseling).

Ein Drittel der Galerien kommt aus dem Ausland, wobei Karin Weber (Hongkong) den weitesten Weg hatte. Besonders delikat: die feinen Chinatinte-Porträts aus Wang Xiaoluos Serie „How should I love you“ (je 3000 Euro). Die Garboushian Gallery aus Beverly Hills widmet ihren Stand einzig und allein den bizarren Objekten von Curtis Weaver: Pflanzen sprießen aus Duschköpfen oder Gartenschläuchen – eine hintersinnige Ehe von Biologie und Technik.

Hochinteressant auch der Stand der Dymchuk Gallery aus Kiew, wo Roman Minin aus Donezk das sozialistische Lob der Arbeit mit seinem grimmigen Tafeln der Malocher im Kohlebergbau konterkariert.

Ebenfalls im Obergeschoss erzählt die Galerie Kir Royal aus Valencia indes noch üblere Geschichten: Fernando Bayona fotografierte in den KZs Buchenwald und Sachsenhausen jene sterilen Zellen und „Behandlungsräume“, in denen die Nazis Experimente mit Homosexuellen machten.

Düsteres und Heiter-Absurdes hängen auf dieser intimen Messe oft Wand an Wand. Mancher kann unterwegs gewiss jenen Gin gebrauchen, den es in der lebenden Installation von „Haute Presents“ gibt.

Dass Kabarettist Dieter Nuhr hier auch als beachtlicher Fotograf auftritt, ist ebenso eine aparte Vignette wie die Grafik-Offerte von Miró und Picasso. Wenn man dann aber sieht, dass es Mario Reis’ „Frösche im Farbrausch“ schon für 300 Euro gibt, lässt man sein Lächeln gern vom Künstler Poul R. Weile scannen.

Bis 19.4., Do-Sa 13-21, So 10-18 Uhr. Tagesticket: 13 Euro, erm. 9 Euro. Beide inkl. Katalog und Art-Brunch (So 10 Uhr: plus fünf Euro). Hafenstr. 1 www.koelner-liste.org

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