Museum Schloss MorsbroichAusstellung: "Aufschlussreiche Räume. Interieur als Porträt"

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Wohnen aus dem Katalog: Roy Lichtenstein "Red Lamps (aus: Interior Series)", 1990.

Wohnen aus dem Katalog: Roy Lichtenstein "Red Lamps (aus: Interior Series)", 1990.

Leverkusen – Zeig mir, wie du wohnst, und ich sag dir, wer du bist: Die Wohnung als Schaufenster zum Ich, als tiefer Blick in die Seele ist kein neuer Gedanke. Glaubt man aber dem Trendforscher Peter Wippermann wird das Zuhause als Definition und Inszenierung des Egos, als Erlebnisraum der Individualität in Zukunft immer wichtiger.

Laut Wippermann sind die kommenden Wohntrends "enger denn je an persönliche Sinnsuche gekoppelt". Erstmals versucht sich eine Kunstausstellung daran, intime Wohnfantasien, Abgründe und Obsessionen zwischen vier Wänden zu analysieren. Unter dem Titel "Aufschlussreiche Räume. Interieur als Porträt" gelingt das im Leverkusener Museum Schloss Morsbroich höchst anregend und höllisch interessant.

Schwül-erotische Tagräume

Die wohl angeborene Neugier des Besuchers, private Biotope zu erkunden, trifft hier auf 17 exzellente Künstlerpositionen und eine breite Palette von Zugängen zu diesem komplexen Thema. Wunderbar etwa die emotionale Annäherung der Estin Ene-Liis Semper in ihrem Video "Was macht mein Zuhause aus?", einem scherenschnittartig ausgebreiteten Katalog der Wohnwünsche. Was davon am Ende bleibt, dokumentiert Miriam Bäckström in ihrem Foto-Essay, der sich Wohnungen verstorbener Menschen widmet, den letzten Lebensspuren, verblassten Illusionen und schwül-erotischen Tagträumen, die die Innenseite einer Schranktür füllen.

Ein anderes Fotoprojekt der Schwedin geht im Ikea-Museum Älmhult der Historie des Möbelbauers mit Interieurs aus mehreren Jahrzehnten nach.

"Freude am Leben"

Ein enzyklopädischer Hintergedanke trieb etliche Künstler der Schau. So untersucht der Nürnberger Fotograf Ralph Schulz Hinterlassenschaften aller Art und Möbel, die er bei der Spermüll-Aktion am Straßenrand findet. Er rekonstruiert "unbekannte Interieurs" oder füllt Wände mit den Fotos einzelner Stücke - ein Inventar des grauen Alltags.

Richard Artschwager untersucht mit seinen Zeichnungen banales Wohn-Accessoire auf seine skulpturale Tauglichkeit. Simone Demandt nähert sich unter dem ironischen Titel "Freude am Leben" eher abseitigen, selten beachteten Räumen: Garagen, akkurat mit dem gefüllt, was das Leben schön macht, aber auch allem, was weg kann. Auch Matthias Weischers gemaltes Studiolo "Gelbe Lampe" interpretiert die menschliche Innenwelt als schnöden Lagerraum.

Schöner Wohnen

Der Lebens- als Aktionsraum, beschäftigt gleichermaßen den in Köln lebenden Andreas Schulze, wie das Duo Anna & Bernhard Johannes Blume. Schulze, vor einem Jahr noch unter dem Titel "Nebel im Wohnzimmer" im Kunstmuseum Bonn zu sehen, lässt es auch in Morsbroich knattern und dampfen.

Gemalte, perforierte Auspuffrohre auf psychedelischem Hintergrund rauchen, die Serie "Buntes Wesseling", genannt nach den Chemiewerken südlich von Köln, zelebriert eine fröhliche Öko-Apokalypse. Die Blumes hingegen bringen das bürgerliche Wohnzimmer ins Wanken, der Klassiker "Vasenekstase" thematisiert das Zuhause als Alptraum. Weniger bekannt die comicartige Serie "Immobilie", die mit Klischees der Werbung arbeitet. Auch Roy Lichtensteins "Interior Series" orientiert sich an der Suggestion vom Schöner Wohnen. Der Pop Art-Künstler blies Interieurs aus Prospekten zum bunten Riesenbild auf.

Auch die leisen Töne haben in dieser Schau eine Chance: Romain Cadilhons fein gemalte Miniaturen von lichtdurchfluteten Räumen erinnern an atmosphärische Bilder der Niederländer, mehr noch an die Innerlichkeit der Romantiker; Robert Haiss' subtile Annäherung mit Zeichnungen und Gemälden an einen ihm zugewiesenen Raum im Schloss ist unbedingt sehenswert; die wunderbar inszenierten erotischen Polaroid-Interieurs mit Schönheiten aus der Turiner Halbwelt, die sich im Nachlass des 1973 gestorbenen Fotografen Carlo Mollino fanden, hängen als kleine Kostbarkeiten an der Wand.

Auch die leisen Töne haben eine Chance

Mit Shannon Bools Tapisserie, die eine schemenhafte Frau auf einer Analystenliege zeigt, und An-drea Zittels in ihrem Wohnort in der kalifornischen Mojave-Wüste entstandenes existenzialistisches Ensemble nähert sich die Ausstellung den Untiefen der Psychologie, des Unbewussten.

Claus Richter schließlich bringt das Ausstellungsthema auf den historischen Punkt: Sein Fin-de-Siècle- und Art-Déco-Interieur "Raum für Alastair" evoziert die gute alte Zeit. Und doch ist alles mit billigem Baumarkt-Material mehr schlecht als Recht nachgezimmert.

Museum Morsbroich, Leverkusen; bis 24. April. Di-So 11-17 Uhr, Do bis 21 Uhr. Ausstellungsführer 6 Euro

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