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Warmwalzwerk KönigswinterGlühende Stahlblöcke in alten Maschinen

Lesezeit 4 Minuten
Von  Mitte der 1950er Jahre und damit noch aus der Zeit der Lemmerz-Werke stammen die meisten Maschinen, mit denen das Warmwalzwerk Königswinter (WW-K) immer noch arbeitet, und zwar erfolgreich.

Von  Mitte der 1950er Jahre und damit noch aus der Zeit der Lemmerz-Werke stammen die meisten Maschinen, mit denen das Warmwalzwerk Königswinter (WW-K) immer noch arbeitet, und zwar erfolgreich.

Königswinter – Als sich die schwere Klappe ein bisschen hebt, strahlen für einen Moment extreme Hitze und grelles Licht in die Halle. Ein feuerrot glühender Block Stahl kommt aus dem Ofen und rutscht über Rollen bis zu einer mächtigen Walze, an der sich Glut, offene Flammen und in der Hitze verdampfendes Wasser geradezu einen Kampf der Elemente liefern.

Unter enormem Druck wird der glühende Block zwischen den Walzen zu wenigen Millimeter dünnem Flachstahl geformt und dabei bis zu 20 Meter lang. Über allem tönt ein Grunddröhnen wuchtiger Maschinen. Man kommt sich vor, als wäre man in einem Stahlwerk irgendwo im tiefsten Ruhrgebiet.

Lange Tradition der Lemmerz-Werke

„Das ist noch Industrie!“, ruft Roland Haas gegen den Maschinenlärm an. „Ich bin seit sieben Jahren hier, aber das fasziniert mich immer noch!“, gesteht der Geschäftsführende Gesellschafter des Warmwalzwerks Königswinter (WW-K), während der glühende Block Stahl nach und nach immer länger und dünner wird. Dieses Unternehmen mit seinen 130 Beschäftigten hat seinen Sitz nicht im Pott, sondern mitten in der Drachenfelsstadt. Und es setzt eine lange und spezielle Tradition fort – die der Lemmerz-Werke. Seit 2010 ist das Walzwerk ein eigenständiges Unternehmen und behauptet sich im Wettbewerb.

Dass es immer noch (aber beileibe nicht nur) mit den Maschinen arbeitet, die Paul Lemmerz Mitte der 1950er Jahre anschaffte, ist dabei offenbar kein Nachteil. Im Gegenteil. „Wir sind froh, dass es so ist“, sagt Roland Haas. WW-K habe seine Nische gefunden und traue sich an Dinge, die andere Mitbewerber kategorisch ablehnten, betont der Mitinhaber, bevor er die Besucher in eine große Fabrikhalle führt, die gar kein Ende zu nehmen scheint.

Das Gebäude ist voll mit rohen Stahlblöcken und schon fertig bearbeitetem Flachstahl. Die Maschinen sind für den Laien überdimensioniert wirkende Stahlsägen oder mannshohe Brenner. Der Ofen, der den Stahl auf 1200 bis 1300 Grad erhitzt, bevor er auf die Walzstraße kommt, hat die Ausmaße eines flachen Bungalows. Ähnliches gilt für eine Stanzmaschine auf der gegenüberliegenden Hallenseite.

100 000 Tonnen Stahl im Jahr

Und alles hier ist schwer. Ein „Stab“, von denen etliche fertig produziert in der Halle liegen, wiegt schlappe 540 Kilogramm, wie Haas mal eben mit dem Rechner seines Handys ausrechnet. Die „Klötzchen“, die später in den Ofen kommen, bringen es auf 2500 Kilogramm. Sie werden aus 35 Tonnen schweren „Brammen“ (Stahlblöcken) geschnitten oder gebrannt. Insgesamt rund 100 000 Tonnen Stahl produziert das Warmwalzwerk im Jahr.

Entstanden ist es in den 50er Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete Paul Lemmerz die seinerzeit „kleinste und modernste Walzstraße Europas“, wie es auf der Homepage von WW-K heißt, um die Räderproduktion angesichts des Rohstoffmangels aufrechterhalten zu können. Laut Roland Haas wurde bis 1989 der Stahl vor Ort noch gegossen, danach wurde von den Behörden nur noch das Walzwerk zugelassen. Heute wird der Rohstoff mit dem Zug oder per Schiff zum Bonner Hafen und weiter mit Lastwagen angeliefert. 8000 Tonnen Stahl lagern allein zwischen der Fabrikhalle und der Bahntrasse.

Die Übernahme durch Rainer Zimmer

2009 wollte der damalige Eigentümer Hayes-Lemmerz das Walzwerk schließen. Es gehöre nicht zum Kerngeschäft und sei nicht mehr rentabel. 2010 übernahm daher Rainer Zimmer (70), der seit Jahrzehnten im Stahlgeschäft tätig ist, das Walzwerk. Roland Haas kam als Geschäftsführer und ist inzwischen Mitinhaber.

Die 130 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von rund 45 Millionen Euro. Die Spezialität des Betriebs sind die Maße: Der Flachstahl kann hier in unterschiedlichen Qualitäten (Haas: („Stahl ist ein lebendes Produkt“) bis zu 86 Zentimeter breit und bis zu 20 Meter lang werden – das Spektrum bei den Abmessungen ist laut WW-K europaweit einzigartig.

Hauptabnehmer Autoindustrie

Zu den Hauptabnehmern gehören neben dem Hoch- und Tiefbau, dem Metall- und Maschinenbau, Werkzeugherstellern und Windanlagenbauern vor allem – die Autoindustrie. Und die sitzt in diesem Fall gleich um die Ecke: Rund 60 bis 65 Prozent der Produktion landen in Form von Ronden – kreisrunde Stahlplatten, in der Mitte mit einem Loch versehen – bei Maxion Wheels gleich nebenan. Maxion hat vor einigen Jahren Hayes-Lemmerz geschluckt. Aus den Ronden stellt der Räderbauer Schüsseln für Lkw-Räder her.

25 000 dieser Ronden muss WW-K für seinen Hauptabnehmer immer auf Lager haben, berichtet Roland Haas. Die blauen Container stehen im hintern Teil der nicht enden wollenden Halle, vorbei an der Abteilung Instandhaltung. Die ist mit 20 Leuten relativ groß, denn die alten Maschinen „sind sehr wartungsintensiv“, räumt der Geschäftsführer ein. Gleichzeitig sind sie aber gebaut nahezu für die Ewigkeit. „Die gehen nie kaputt“, meint Haas.

Firmenchef Rainer Zimmer habe nach der Übernahme viel Geld investiert in das Unternehmen, vor allem auch in die Instandhaltung, betont sein Geschäftspartner Roland Haas. Aber auch in High-Tech floss reichlich Geld: Neben der massiven Stanze, die mit einem Druck von 2000 Tonnen täglich 8000 Ronden für Maxion aus Stahlplatten herauspresst, steht schon ein Roboter. Er soll die runden Platten künftig magnetisch anheben und wegstapeln – ein Job, der bisher mühsame Handarbeit erfordert.

www.ww-k.net

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