1. FC KölnDas Verhältnis zu den Kölner Ultras ist gespalten – und droht zu kippen

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Die Ultra-Szene ist facettenreich: Unter die friedlichen Anhänger mischen sich auch in Köln gewaltbereite Fans.

Die Ultra-Szene ist facettenreich: Unter die friedlichen Anhänger mischen sich auch in Köln gewaltbereite Fans.

Köln – Der Dresscode steht längst fest. Ganz in weiß wollen die Kölner Fußballfans am kommenden Samstag zum Auswärtsspiel nach Leverkusen reisen. Zwei Spiele noch, dann könnte die Rückkehr auf die internationale Bühne Realität sein. Nach 25 Jahren. Seit Wochen singen die Enthusiasten auf der Südtribüne von Mailand und den Metropolen der Fußballwelt. Weiß ist die Farbe der Vollkommenheit.

„Entfremdung“ von Verein und Fans

Wenn sich diesen Donnerstag im Geißbockheim die „AG Fankultur“ trifft, dürfte es nicht ganz so schwelgerisch zugehen. Von „Entfremdung“ zwischen Verein und Fanszene spricht ein Beteiligter, dessen Stammplatz die Südtribüne ist. „Es herrscht sehr viel Unruhe und es wird viel zu reden geben“, sagt ein anderer.

Bald wird auch die Stadionverbotskommission tagen. Es gilt dann, viele neue Fälle zu verhandeln. Am Montag durchsuchte die Polizei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft den Materialraum der „Wilden Horde“ im Stadion und beschlagnahmte eine Blockfahne. Hinter dieser sollen sich jene Fans vermummt haben, die im Spiel gegen Hoffenheim ein Transparent hochreckten, das deren Mäzen Dietmar Hopp verunglimpfte. Die Vollkommenheit ist getrübt.

Die Fans protestieren immer wieder gegen Sanktionen.

Die Fans protestieren immer wieder gegen Sanktionen.

Jörg Schmadtke, Sportdirektor des 1. FC Köln, hat unlängst im „Kölner Stadt-Anzeiger“ konstatiert, sein Club habe ein „Ultra-Problem“. In der Szene werden solche Äußerungen als offener Bruch zwischen Verein und Fans verstanden. „Man hat uns gebraucht, als der Verein am Boden lag. Jetzt, wo die Leute dem Club die Bude einrennen, ist es anders. Viele Fans fühlen sich nicht ernst genommen“, sagt ein Kenner der Fan-Befindlichkeiten.

Trotzreaktion während Spiel der FC-Amateure

Dass die Vereinsführung wegen des Anti-Hopp-Banners öffentlich um Abbitte bat, wird vielfach als Auslöser der schlechten Stimmung gewertet. Drei Tage später meldeten sich die Ultras dann beim Spiel der FC-Amateure gegen Rot-Weiß Essen im Franz-Kremer-Stadion zurück und zündeten 14 Bengalos. „Eine reine Trotzreaktion. Das war das Zeichen: So sind wir halt“, sagt ein Fan.

Gegen Eintracht Frankfurt schwiegen die Kölner Ultras eine Halbzeit lang, weil einige von ihnen vor der Begegnung von der Polizei eingekesselt worden waren. Die Anhänger von Borussia Mönchengladbach verzichteten für 19 Minuten im Spiel gegen RB Leipzig auf jegliche Unterstützung, im Spiel gegen den FC St. Pauli schwiegen die Nürnberger Fans.

Von einer bundesweiten „Radikalisierung“ in der Szene ist die Rede. Die Gründe: ungewiss. „Man kann die Ultra-Szene nicht über einen Kamm scheren“, sagt Fan-Forscher Jonas Gabler. Gerade in den vergangenen Jahren habe sich die Bewegung, die in den 2000er Jahren groß geworden ist, deutlich aufgespalten.

„Hooltras“ – eine neue Form von Fans

Damals trafen sich die Hooligans zu Schlägereienweit ab des Spielbetriebs, nun stehen sie wieder in den Kurven und vermischen sich mancherorts mit den Ultras. „In Dortmund sind es die 0231Riot, in Köln gilt das am ehesten für die Boyz“, sagt Gabler. Die Grenzen verschwimmen da teilweise. Der Fan-Forscher Gunter A. Pilz hat dafür schon 2005 den Begriff „Hooltras“ kreiert – und nun zumindest ein Stück weit Recht bekommen. Ultras, die sich nur der Unterstützung ihres Vereins verschrieben haben, sehen diese Entwicklung durchaus kritisch. Tonangebend in den Kurven ist meist eine Gruppe. In Köln ist es die Wilde Horde.

All jene, die bloß auf Krawall aus sind, versammelten sich laut Polizei am vorvergangenen Samstag am Bahnhof in Stommeln. Knapp 200 Männer sollen dort auf einen Zug mit Fans aus Mönchengladbach gewartet haben – ausstaffiert mit Boxhandschuhen, Mundschutz und Schlagwerkzeug. Die Ermittler sicherten Personalien von 53 Personen, darunter viele aus der befreundeten Kölner und Dortmunder Ultra-Szene.

In der Unterhaltungsmaschine Fußball-Bundesliga geht es immer auch um die schönsten Bilder. Die perfekte Fan-Choreo, das schönste Fahnen-Meer, die größten Emotionen. Das gefällt den Zuschauern und damit auch den Sponsoren, schöne Bilder lassen sich gut vermarkten. Schöne Bilder bringen Geld.

die Wilde Horde feierte sich 2016 mit einer Choreografie, jüngst wurde Dietmar Hopp beleidigt.

die Wilde Horde feierte sich 2016 mit einer Choreografie, jüngst wurde Dietmar Hopp beleidigt.

Der 1. FC Köln und sein ambivalentes Verhältnis zu den Fans

Hässliche Bilder bringen die Marketingkette in Gefahr. Als so genannte Fans nach dem Abstieg 2012 die Südtribüne in eine schwarze Pyrowolke hüllten, drohte die Rheinenergie mit dem Ende der Sponsorenpartnerschaft. Insofern hat der Verein zu seinen Ultras ein ambivalentes Verhältnis. Der FC wirbt gerne mit der Atmosphäre im Stadion („spürbar anders“) und zeigt die einzigartige Unterstützung seiner Anhänger. Wenn es aber nicht bei den Bildern der Einlaufkinder , den leuchtenden Augen und dem Fahnen im Wind bleibt, hat der Verein ein Problem.

Unterstützung beim Auswärtsspiel in Leverkusen.

Unterstützung beim Auswärtsspiel in Leverkusen.

Als die „Wilde Horde“ im Spiel gegen Dortmund ihre Jubiläums-Choreografie präsentierte, herrschte Unmut beim Club, denn auf dem tribünenbreiten Banner erinnerten die Ultras auch an solch unrühmliche Momente wie den Angriff auf den Fan-Bus aus Mönchengladbach. Auf solche Details hatten die Fans verzichtet, als den FC-Verantwortlichen das Banner vorab präsentiert worden war. Nun hat der FC reagiert. Künftig sollen die Fans für jede nicht genehmigte Veränderung haften, vor allem, wenn der DFB Geldstrafen verhängt. Noch ein Grund, warum der Haussegen zwischen Verein und Fans derzeit schief hängt.

„Es herrscht momentan zwar Unruhe, gibt aber gar nicht so große Uneinigkeit“, beruhigt Thomas Schönig, FC-Vorstandsbeauftragter für Fankultur und Sicherheit. Zum Dialog mit den Fans sieht er keine Alternative. „Wir werden die Gespräche fortsetzen. Die Alternative wäre, miteinander zu schweigen“, meint er. Das sieht auch Fan-Forscher Gabler so: „Wenn der Verein die Ultras rausschmeißt, sind sie nicht weg, sondern bleiben im Umfeld aktiv.“ Außerdem bleibt der Dialog die einzige Möglichkeit, auf die Szene einzuwirken.

Die Ultras nehmen den DFL nicht mehr ernst

Die Zerfaserung der Anstoßzeiten, das Verbot von Pyrotechnik, der Erhalt der Stehplätze – das Themenspektrum der Ultras ist seit Jahren stabil. Nach den Schmähungen gegen Dietmar Hopp wetterte Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die Ultras seien „die Totengräber der Fankultur“. Eine deutliche Distanzierung. Doch ein Kölner Fan reagiert gelassen. „DFB und DFL werden bei den Ultras nicht mehr ernst genommen. Sie lachen nur noch über den Verband, seitdem die WM 2006 mutmaßlich gekauft wurde“, sagt er.

Pyrotechnik gehört für viele dazu.

Pyrotechnik gehört für viele dazu.

Jonas Gabler wertet die Ultra-Bewegung als Teil einer Jugendkultur. „Die Debatte um Sicherheit und Pyrotechnik lockt eine bestimmte Gruppe an“, sagt er. „Solche die sagen: Ich bekomme da Action und Spektakel, da passiert etwas“. Dass das eigene Verhalten dem Verein schaden kann, werde billigend in Kauf genommen. Gabler: „Die Ultras haben sich vom Fußball entfremdet. Sie identifizieren sich vor allem mit den Symbolen und Farben des Vereins, aber nicht mit dessen Spielern und Führungskräften.“

Nun steht das Derby an. Köln gegen Leverkusen. Für den Verein geht es um Europa. Für viel Ultras geht es vor allem ums Prinzip.

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