Alfons Müller-WipperfürthAufstieg und Fall des Hosenkönigs

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Alfons Müller-Wipperfürth

Alfons Müller-Wipperfürth

Wipperfürth – Mit ein paar Nähmaschinen in einem Raum an der Lüdenscheider Straße fängt alles an. Alfons Müller, geboren am 21. Mai 1911 in Mönchengladbach, lässt dort kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Mäntel nähen. Das Geschäft läuft gut, Müller mietet die Räume der ehemaligen Bombenfabrik Boucke an der Leiersmühle. Fleißige Hände nähen dort Herrenhosen, Mäntel, Hemden und Sakkos im Akkord. 1948 beschäftigt das Unternehmen bereits 400 Mitarbeiter, größtenteils Frauen.

1952 lässt Alfons Müller seinen Familiennamen in Alfons Müller-Wipperfürth ändern, der Rat der Stadt hat keine Bedenken. Das Entgegenkommen lohnt sich. Der „Hosenmüller“ unterstützt den Bau von Sportstadion und eines Schwimmbad mit einer sechsstelligen Summe. 1953 wird eine hochmoderne Fabrik am Wipperhof eingeweiht. Weitere Werke entstehen in Frammersbach, Mönchengladbach, Willich, Münnerstadt und Kappeln. Um günstig an Stoffe zu kommen, wird die Spinnerei Simons & Frowein in Leichlingen kurzerhand geschluckt.

Die Anzüge aus Wipperfürth sind konkurrenzlos billig, zum Entsetzen der Konkurrenz. Der Handel boykottiert ihn. Kurzerhand kauft AMW Busse, packt sie mit Anzügen voll und verkauft direkt vor den Toren der großen Fabriken. Die Arbeiter und Angestellten reißen sich um die Ware. Müller baut ein eigenes Filialnetz mit über 200 Herrenbekleidungsgeschäften auf. Von der Damenmode hingegen lässt er die Finger - Frauen sind bei der Wahl der Kleidung zu anspruchsvoll.

Ende der 50er Jahre verlegt der rastlose Unternehmer seinen Wohn- und den Konzernsitz nach Lugano in der Schweiz. Mit dem Flieger - Müller selbst ist passionierter Pilot - hält er den Kontakt zu seinen vielen Fabriken. Die Müller-Wipperfürth GmbH wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Das stets hungrige Unternehmen expandiert nach Belgien, Italien und Österreich, AMW kauft Spinnereien, Webereien. Der Versuch, in Tunesien besonders billig nähen zu lassen, scheitert, weil die Qualität nicht stimmt.

Müller-Wipperfürth ist ein Vorreiter der Globalisierung. Anfang der 1970er Jahre besteht der Konzern aus 18 Fabriken in sechs Ländern und beschäftigt 8000 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz beträgt eine halbe Milliarde Mark. Das Geheimnis des Erfolgs: Müller setzt von Beginn an konsequent auf Rationalisierung, Arbeitsteilung und modernste Maschinen, die mehrere hundert Stofflagen gleichzeitig zuschneiden können. Die Ausschaltung des Zwischenhandels und ein beschränktes Angebot halten die Preise im Keller.

Der eigenwillige Unternehmer ist manisch misstrauisch, die Direktoren sind lediglich Befehlsempfänger. Er selbst pflegt einen Hang zum Luxus, leistet sich einen Bentley, einen Cadillac und mehrere Rolls-Royce-Limousinen. Zerstreuung findet er in Nachtclubs, sein Chauffeur muss die Champagnerkorken zählen. Privat hat der Mann wenig Glück, drei Ehen scheitern.

Für seine Konkurrenten hat „Ben Wipp“ nur Verachtung übrig. „Sie hassen mich, und ich hasse sie“, so zitiert ihn das US-Magazin Newsweek 1958. Der „Spiegel“ widmet ihm 1961 sogar eine Titelgeschichte.

Für Schlagzeilen sorgt sein Dauerstreit mit den deutschen Steuerbehörden. Doch im Ausland ist er vor dem Finanzamt sicher. 1964 aber stürzt Alfons Müller-Wipperfürth mit einem Privatflugzeug über der Eifel ab, drei Begleiter sterben, er selbst erleidet schwere Verletzungen. Wegen Fluchtgefahr wird der Unternehmer ins Gefängniskrankenhaus nach Düsseldorf gebracht, kommt gegen hohe Kaution aber auf freien Fuß. Zähneknirschend zahlt der Firmenpatriarch schließlich 13 Millionen Mark Steuern nach.

Fast ebenso schnell wie der wundersame Aufstieg kommt der Fall des Unternehmers. Die Kunden haben die fantasielose Müller-Wipperfürth-Massenware satt. Der Konzern wird Stück für Stück aufgelöst, bis nur noch ein Werk in Neufelden bleibt. Dort, in Österreich, verbringt der gescheiterte Unternehmer seine letzten Jahre, Trost findet er im Alkohol. Alfons Müller-Wipperfürth stirbt am 4. Januar 1986 an Herzversagen.

Viele Wipperfürther haben noch lebhafte Erinnerungen an Alfons Müller. Die BLZ lässt sie nächste Woche zu Wort kommen.

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