AmoklaufWenn Lehrer Angst vor Schülern haben

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Szene aus dem Film "Ihr könnt euch niemals sicher sein". Oliver (Ludwig Trepte) wird von seiner Lehrerin Selma Vollrath (Anneke Kim Sarnau) des Unterrichts verwiesen. (Bild: dpa/WDR)

Szene aus dem Film "Ihr könnt euch niemals sicher sein". Oliver (Ludwig Trepte) wird von seiner Lehrerin Selma Vollrath (Anneke Kim Sarnau) des Unterrichts verwiesen. (Bild: dpa/WDR)

Gewalttätig, Frauen verachtend, gefährlich. . . Hip-Hop-Texte von Szene-Stars wie Bushido oder Sido haben nicht gerade einen guten Ruf. Jedenfalls nicht bei Lehrern und Eltern, die nur erstaunt feststellen können, dass der pubertierende Nachwuchs ganz begeistert von dieser Art „Lyrik“ ist. Ähnlich sieht es bei Computerspielen aus: Die Diskussion, ob „Ballerspiele“ aus frühreifen Halbstarken kalte Killer machen, ist alt und mühselig.

Fest steht, dass ein großes Missverständnis zwischen Teenagern und Erwachsenen herrscht - ein Phänomen, das so alt wie die Menschheit ist, vor dem Hintergrund von Amokläufen 2002 in Erfurt und 2006 in Emsdetten aber eine neue Qualität bekommt: Die panische Angst, die Lehrer und Eltern Jugendlichen gegenüber bekommen können, hat der Film „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ zum Thema, der heute Abend in der ARD gezeigt wird.

Der 17-jährige Gymnasiast Oliver Rother (Ludwig Trepte), gerät mit seiner Deutschlehrerin Selma Vollrath (Anneke Kim Sarnau) aneinander, als er seine „Werther“-Interpretation als Rap schreibt. Die Situation eskaliert, als Vollrath einen Text findet, in dem Oliver androht, sie zu töten. Die Polizei findet eine Schusswaffe, die er vom Großvater geerbt hat, und stellt brutale Computerspiele bei Oliver sicher. Der Junge muss in die Jugendpsychiatrie. Ist er wirklich gefährlich? Oder einfach nur ein Bursche, bei dem die Hormone verrückt spielen?

Der Film nimmt in erster Linie die Perspektive der Jugendlichen ein, was endlich mal als gelungener Versuch der ARD gewertet werden kann, sich der jungen Zielgruppe anzunähern. Der Film von Regisseurin Nicole Weegmann und der Kölner Produktionsfirma „Cologne Film“ nimmt die Probleme von Teenagern ernst, ohne dabei die Perspektive der Erwachsenen zu vernachlässigen oder gar zu verteufeln.

Zur Filmpremiere hatte der WDR Schulklassen eingeladen - unter anderem auch Schüler und Lehrer des Georg-Büchner-Gymnasiums aus Weiden, wo vor einem Jahr ein Amoklauf verhindert wurde. Der stellvertretende Schulleiter Michael Wagenführ zeigte sich zufrieden mit dem Film: „Die erste Hälfte des Films ist gut gemacht. Als Betroffener kann ich sagen, dass der Film tatsächlich ähnliche Diskussionen unter Lehrern zeigt, wie wir sie auch geführt haben.“

Auch die Jugendlichen waren zufrieden: „Die Hip-Hop-Szene wird wirklich gut dargestellt“, sagte ein Mädchen. Doch so sorgsam die Drehbuchautoren Eva und Volker A. Zahn die Musikszene recherchiert hatten, so kritisch reagierten die Schüler auf die Darstellung von Videospielen im Film. „Da wird von einem Spiel gesprochen, in dem Frauen vergewaltigt werden. So was gibt es nicht!“ empörte sich ein Schüler. „Das ist schlecht recherchiert.“ Weegmann versuchte sich zu verteidigen: „Aber wir haben doch den Videospielen im Film gar keine Schuld zugesprochen.“

Eine Diskussion entbrannte, bei der klar wurde, wie wichtig es den Jugendlichen ist, von den Erwachsenen ernst genommen zu werden. Es reicht ihnen nicht, wenn man Verständnis signalisiert. Wenn man von ihrer Welt erzählt, sollen die Details stimmen, sonst nehmen sie die Erwachsenen als Heuchler war.

„Es wäre cool gewesen, wenn der Film bei uns an der Schule gedreht worden wäre“, sagte eine Schülerin des Georg-Büchner-Gymnasiums. „Das wollten wir“, erklärte Weegmann. „Doch es gab das Verbot, dass zu diesem Thema nicht an Schulen in NRW gedreht werden kann. Wir haben den Film an der Uni in Düsseldorf gedreht.“ Nach der Aufführung meinte ein Mädchen zu ihrer Freundin: „Da verbieten die mal wieder. Als ob wir damit nicht klar kämen, wenn unsere Geschichte auch bei uns verfilmt würde. . .“

„Ihr könnt euch niemals sicher sein“, heute, 20.15 Uhr, ARD.

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