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Angela Merkel ganz privat

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Angela Merkel ist Deutschlands erste Bundeskanzlerin.

Angela Merkel ist Deutschlands erste Bundeskanzlerin.

Sprachliche Fähigkeiten waren der kleinen Angela Dorothea Kasner (genannt „Kasi“) reichlich gegeben, mit den motorischen Fähigkeiten hapert es anfangs. Sie selbst sagt, sie sei ein „kleiner Bewegungsidiot“ gewesen.

Umzug von Hamburg nach Templin: Der Vater, Pfarrer, erhält 1957 eine Stelle im Osten. Die künftige Kanzlerin ist drei Jahre alt. Sie wächst auf dem „Waldhof“ auf, eine Einrichtung für Behinderte und Fortbildungsstätte für Pfarrer.

Als Pfarrerstochter müsse sie besser sein als alle anderen, geben ihr die Eltern mit auf den Weg.

Als Klassenbeste gilt sie schon seit dem ersten Schuljahr. Während die anderen quasseln, schreibt sie brav mit, heißt es. Ein Lehrer sagt, sie sei dennoch keine Streberin gewesen, sie habe auch abschreiben lassen. Nur habe sie auch nie richtig locker oder albern sein können. Sie sei „Inbild eines jederzeit gefassten Menschen“ gewesen.

Zum Kinderglück gehören Apfelsaft und Buletten.

Zahnspange und orthopädische Einlagen bleiben auch ihr nicht erspart.

Die Rolling Stones kommen bei den Mitschülern besser an. Sie hört dagegen Beatles (vor allem Paul McCartney) und trägt Jeans statt Mini-Rock.

Ihr erstes eigenes Zimmer hat sie mit 13 Jahren, schlicht geschmückt mit einem Cézanne-Druck von der Großmutter aus Hamburg. Im Haus wohnen noch die jüngeren Geschwister Marcus und Irene. Über Jugendlieben ist wenig bekannt. „Eine Frühentwicklerin war ich auf dem Gebiet jedenfalls nicht“, sagt sie. Ihr Physiklehrer urteilt, sie habe Jungs „nicht gerade den Kopf verdreht“.

Nach dem Mauerbau am 13. August 1961 wird in der Familie die Parole ausgegeben: Wenn sie wieder fällt, essen wir im Westberliner Hotel Kempinski Austern.

Den Jungen Pionieren tritt sie ebenso bei wie später der FDJ. Sie trägt bisweilen aber auch provozierende West-Kleidung. In der achten Klasse wird sie beim Rauchen im Wald erwischt, auch später, erzählen Mitschüler, habe sie immer Zigaretten gehabt.

Die Russisch-Olympiade gewinnt sie und darf zur Belohnung mit dem Freundschaftszug in die Sowjetunion fahren. Mit anderen Mädchen besucht sie in Moskau das Mahnmal des gefallenen Soldaten. Diesmal im Minirock. Die Gruppe wird von russischen Babuschkas ausgeschimpft.

Als Konfirmationsspruch sucht sie sich aus: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Korinther 13, 13)

Die Hobbys: Sie sammelt Kunstpostkarten und geht gerne in die Berliner Theater oder Museen. Bei der Großmutter in Ost-Berlin darf sie bis 22 Uhr fernsehen. Im Westfernsehen schaut sie Monitor und „ZDF-Magazin“ mit Gerhard Löwenthal.

Als Studienfach wählt sie Physik. Es ist das einzige Fach, in dem sie als Schülerin mal die Note 5 bekam.

Im Studentenclub in Leipzig macht sie zwei Mal auf „Discotheken-Angela“. Sie steht hinter einer improvisierten Theke und verkauft „Kirsch-Whisky“, an dem sie auch selbst etwas dazu verdient. Sie fährt tagsüber kreuz und quer durch die Stadt, um die nötige Menge Kirsch-Most zu besorgen.

Die erste Ehe schließt sie mit 23. Sie heiratet den Physik-Studenten Ulrich Merkel. Die Braut besteht auf kirchlicher Trauung und trägt Blau, ihre Lieblingsfarbe. Die Ehe währt nur vier Jahre. Angela Merkel zieht mehr oder weniger über Nacht aus der Wohnung in Berlin aus. Sie nimmt die Waschmaschine, ihr Mann die Möbel. Heute sagt sie: „Die große Liebe war es nicht, wir haben geheiratet, weil alle geheiratet haben.“

Die Doktorarbeit der Physikerin hat einen langatmigen Titel: „Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden“.

Im Dienstgebäude 2.14 am Zentralinstitut für Physikalische Chemie in Berlin-Adlershof ist sie von 1978 bis 1990 tätig.

Bei einer Wissenschaftsreise nach Konstanz 1986 ist sie begeistert von der Schienentechnik des IC und dem Sommerschlussverkauf. Sie kauft eine Tasche für 20 DM, zwei Hemden für ihren künftigen Mann für je 5 DM und einen Pullover für 20 DM.

Eine Flucht in den Westen erwägt sie trotz aller Probleme mit dem DDR-System nicht.

Den Mauerfall erlebt sie vor dem Fernseher. Sie ruft zunächst ihre Mutter an, rechnet jedoch noch nicht mit der Öffnung der Grenzen noch am gleichen Tag. Um 18 Uhr geht sie wie jede Woche mit einer Freundin in die Sauna. Um 21 Uhr spaziert sie über die Bornholmer Straße in den Westberliner Bezirk Wedding. Irgendwann sitzt sie in der Wohnung einer fröhlichen Westberliner Familie. Am nächsten Tag besucht sie mit Schwester Irene (zugleich ihre beste Freundin) den Ku damm.

Ihre zweite Ehe schließt sie am 30. Dezember 1998. Sie heiratet A. Joachim Sauer, Jahrgang 1949, geboren in Hoyerswerda als Sohn eines Konditormeisters. Beide hatten zuvor 17 Jahre in „wilder Ehe“ gelebt. Sauer ist wie Merkel Wissenschaftler; er arbeitet als Chemiker. Näher gekommen waren sich beide am Zentralinstitut für Physikalische Chemie.

Kulinarisch mag sie es deftig. Zu Hause bekocht sie ihren „Achim“: Schnitzel, Eintöpfe, Rouladen oder Gänsebraten für die ganze Familie am Silvestertag. Mit Leidenschaft backt sie zudem Pflaumenkuchen. Allerdings sei auch ihr Mann als Konditorsohn zum „Tortenmacher“ befähigt.

Das Ehepaar wohnt in Berlin-Mitte, unweit des Pergamon-Museums. Eine weitere Wohnung hat es in ihrem Wahlkreis in Stralsund und eine Datsche in der Uckermark. Beide mögen es offenbar ruhig. Als die beiden Söhne aus Sauers erster Ehe noch zu Hause waren, mussten sie auf dicken Strümpfen durch die Wohnung laufen, um jeden Lärm zu vermeiden.

Als Mädchen ist Angela Merkel nie von Helmut Kohl bezeichnet worden - obwohl ihm dieses Zitat zugeschrieben wird. Vielmehr, erzählt Kohl in einem Bunte-Interview, habe er sich 1991 mit ihr über ein Thema gestritten. Dabei sei er sehr wütend geworden. Daraufhin habe ihn CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch zurechtgewiesen mit den Worten: „Kanzler, behandel bloß das Mädchen gut.“ (mft / rkk)

Einige Informationen haben wir der Biografie „Angela Merkel“ von Gerd Langguth entnommen.

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