Der große BrandVor 350 Jahren stand London in Flammen

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Vor 350 Jahren stand London in Flammen

Ein Ölgemälde zeigt das Stadttor Newgate während des Großen Feuers von London im Jahr 1666.

London – London schläft, als das Unglück über die Stadt kommt. Wahrscheinlich ist es nur ein Funke, der in der Nacht aus einem Ofen springt. Doch das Feuer, das vom 2. September 1666 an vier Tage lang in der Stadt wütet, soll das Aussehen der britischen Hauptstadt für immer verändern.

Als es unter Kontrolle gebracht wird, sind 80 Prozent der City of London, der historischen Altstadt, zerstört. Heute befindet sich dort das Finanzzentrum Europas. Wie durch ein Wunder kommen nur wenige Menschen zu Tode. Doch Zehntausende sind obdachlos und haben alles verloren. Die mittelalterliche St.-Pauls-Kathedrale, das Wahrzeichen der Stadt, ist nur noch ein Haufen Schutt und Asche.

Dass es soweit kommt, hat verschiedene Gründe, wie Meriel Jeater vom Museum of London erklärt. Das Stadtmuseum arbeitet die Katastrophe vor 350 Jahren in einer Sonderausstellung mit dem Titel „Fire! Fire!“ auf. Die späte Uhrzeit des Ausbruchs, Hitze, Trockenheit, starker Wind und ein zögerlicher, unfähiger Bürgermeister - all das ließ aus einem einfachen Hausbrand das größte Desaster werden, das London je erlebt hat.

Der Brand bricht in einer Bäckerei nahe der Themse aus. Als der Lord Mayor von London, Sir Thomas Bludworth, einige Stunden später an den Unglücksort kommt, haben die Flammen schon auf die Nachbarhäuser übergegriffen. Mit damaligen Mitteln gibt es nur einen Weg, um den Brand zu stoppen: Die angrenzenden Häuser müssen niedergerissen werden. Doch das traut sich Bludworth nicht. Er fürchtet den Zorn der wohlhabenden Eigentümer. Stattdessen spielt er das Feuer herunter. „Eine Frau könnte es auspissen“, sagt er und geht nach Hause.

Ein verheerender Irrtum. Vier Tage lang wälzt sich eine Wand aus Feuer über die Stadt. Geschmolzenes Blei fließt in Strömen vom Dach der St.-Pauls-Kathedrale. Grabmale bersten in der Hitze, und die teils mumifizierten Leichen fallen heraus. In Panik raffen die Menschen ihre wertvollsten Habseligkeiten zusammen, schaffen sie zur Themse, wo sich die Fährmänner für ihre Dienste teuer bezahlen lassen. Manche werfen ihr Hab und Gut in der Verzweiflung direkt in den Fluss. Das Inferno endet erst, als König Charles II. den Befehl gibt, Häuser zu sprengen, und zudem der Wind nachlässt.

Für die Londoner, die erst ein Jahr zuvor von einer letzten großen Pestwelle heimgesucht worden waren, fühlt es sich an wie eine endzeitliche Katastrophe. Als Strafe Gottes wegen Völlerei deutet die Kirche das Unglück, weil es in der Pudding Lane (Nachtisch-Gasse) ausbricht und an der Pie Corner (Kuchen-Ecke) endet.

Der Wiederaufbau beginnt umgehend

Der Wiederaufbau beginnt umgehend. „Man hatte damals große Angst, die Menschen würden London aufgeben“, sagt Meriel Jeater. Pläne für eine großzügige Neugestaltung der Stadt werden aber rasch verworfen. Zu teuer wäre es, die Eigentümer zu entschädigen, und zu sehr ist die Stadt auf die Steuerzahlungen der Händler angewiesen, die so bald wie möglich wieder ihre Geschäfte aufnehmen sollen. Doch das Bild der Stadt verändert sich für immer. Statt der Fachwerkhäuser prägen fortan Backsteinfassaden die Stadt.

Abschluss des Wiederaufbaus ist die 1711 fertig gestellte barocke St.-Pauls-Kathedrale mit ihrer mächtigen Kuppel. Sie prägt bis heute die Skyline der Londoner City. (dpa)

Große Stadtbrände der Geschichte

Großbrände haben in der Geschichte immer wieder das Bild von Städten verändert. Viele Metropolen sind aus Trümmern wiederauferstanden. Ein Überblick über bedeutende - nicht kriegsbedingte - Stadtbrände in der Geschichte:

  • Rom 64: Vom Circus Maximus aus breitet sich im Frühsommer ein Feuer aus und greift auf mehrere Stadtteile Roms über. Tagelang brennt die Hauptstadt des Römischen Weltreiches, die zu dieser Zeit etwa eine Million Einwohner hat. Das Feuer verwüstet einen Großteil der Stadt, Hunderttausende Menschen werden obdachlos.
  • Hamburg 1842: Mehr als drei Tage lang steht die Hafenstadt im Mai in Flammen. Auch die Sprengung von Häusern, um den Brand einzudämmen, kann das Feuer nicht aufhalten. Ein Viertel aller Gebäude, vor allem in der Altstadt, werden zerstört. 51 Menschen kommen ums Leben.
  • Chicago 1871: Ein Feuer in einer Scheune setzt die aus Holz gebaute US-Metropole in Brand. Durch den Wind werden brennende Holzstücke in andere Stadtteile getragen. Dort entzünden sie acht weitere Feuer, die sich später vereinen. Nach zwei Tagen Feuersturm wird das Ausmaß absehbar: Rund 100 000 Menschen haben kein Obdach mehr, mehr als 200 haben die Katastrophe nicht überlebt.
  • San Francisco 1906: Nach einem gewaltigen Beben der Stärke 7,8 brechen in San Francisco mehrere Feuer aus. Für die Stadt, die größtenteils aus Holz gebaut ist, sind sie noch zerstörerischer als das Beben selbst. 3000 Menschen kommen ums Leben, mehr als die Hälfte der etwa 400 000 Einwohner San Franciscos verlieren ihr Zuhause.
  • Tokio-Yokohama 1923: Um kurz vor 12 Uhr Mittag bebt in der Nähe der japanischen Städte Tokio und Yokohama (Region Kanto) die Erde mit einer Stärke von 7,9. In den folgenden drei Tagen flammen immer wieder Brände auf, einige von ihnen wachsen sich zu Feuerstürmen aus. Fast 143 000 Menschen sterben, rund 381 000 Häuser werden vom Feuer zerstört. (dpa)
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