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Carl Josef: Brillanter Teenie-Comedian im Rollstuhl

Lesezeit 4 Minuten

Köln/Vechelde – Er kommt aus dem Nichts, Hunderttausende lieben ihn: Der 14-jährige Comedy-Neuling Carl Josef hat so herausragende Witze über seine Muskelerkrankung, seinen Rollstuhl und seine Pläne für Sex und Beziehung auf Lager, dass sein Youtube-Video sofort durch die Decke gegangen ist.

Die sieben Minuten lange Nummer in der Online-Comedy-Sendung „NightWash” wurde binnen weniger Stunden mehr als 1,8 Millionen Mal angeklickt. Für den Teenager aus Vechelde bei Braunschweig war es erst der dritte öffentliche Auftritt überhaupt.

Beim Live-Publikum, das sich zu „NightWash” traditionell in einem kleinen Kölner Waschsalon versammelt, hat der junge Rollstuhlfahrer mit Goldkette, Turnschuhen und Baseballcap die Lacher von Anfang an auf seiner Seite: „Ihr fragt euch jetzt alle dasselbe”, sagt er. „Und ich weiß, ich muss es ansprechen - und ja: ich bin Single.”

Wer etwas politisch Korrektes erwartet hat, liegt falsch: „Meine Krankheit zwingt mich, den ganzen Tag auf einem Stuhl zu sitzen und in einen Bildschirm zu starren”, frotzelt Carl Josef gegenüber den 20 bis 30 Jahre alten Zuschauern im Salon. „Kurz gesagt: Ich leb das Leben so wie ihr es auch tut.” Ohrenbetäubende Lacher, Toben, Johlen.

„Ihr braucht kein Mitleid mit mir zu haben. Ich hasse es wirklich, wenn Leute Mitleid mit mir haben”, betont der 14-Jährige ernst. Dann die Pointe, die keiner erwartet hat: „Außer, es ist eine gut aussehende Frau. Dann huste ich extra viel. Und extra laut.”

Abseits der Showbühne ist Carl Josef ein sehr ernster, nachdenklicher Jugendlicher. Als er sechs war, wurde bei ihm Muskeldystrophie Typ Duchenne festgestellt, sie ist unheilbar. „Die Krankheit wirkt sich auf die Muskeln aus. Die Muskeln werden immer schwächer und bilden sich zurück. Die Krankheit ist leider noch nicht heilbar”, erzählt er der Deutschen Presse-Agentur. Typische Symptome hatten die Eltern auf die Spur gebracht: „Davor konnte man schon merken: Okay, ich bin nicht ganz so sicher auf den Beinen.”

Nach Angaben der EU-geförderten Initiative Care-NMD betrifft die Muskeldystrophie Duchenne etwa einen von 3500 männlichen Neugeborenen. Nur Jungen können sie bekommen. Der Genfehler führt dazu, dass der Körper ein bestimmtes Protein, das Dystrophin, nicht mehr herstellen kann. „Dieses Protein ist jedoch ein wichtiger Bestandteil von Muskelfasern und sein Fehlen führt zu einer zunehmenden Muskelschwäche, weil Muskelzellen untergehen”, erläutert Care-NMD auf seiner Internetseite. Die Krankheit verkürze das Leben.

Ironie helfe ihm beim Umgang mit seinem Alltag, sagt Carl Josef der dpa. „Wenn man jetzt stur ist und sagt, alles ist so blöd, dann kommt man jetzt auch nicht weiter. Man muss das schon alles mit positiver Energie nehmen. Und irgendwie klappt das dann schon.”

Der Achtklässler hat vor fünf Monaten schließlich angefangen zu schreiben. Der Text stammt allein aus seiner Feder, wie er erzählt. „Die Ideen kommen aus dem Alltag. Dann versucht man sie ein bisschen lustig zu schreiben. Und es kam ja gut an. Ich glaube, das war ganz gut.” Bei „NightWash” ist er der jüngste Live-Act, den es je gab.

Und der junge Mann hat ein Anliegen. Er will seine Krankheit bekannter machen. „Wenn ich irgendwie Geld damit verdiene, versuche ich auch, das Geld in Forschung zu stecken. Weil ich schon finde: Wenn, dann sollte man allen helfen, die davon betroffen sind.” Etwas verlegen setzt er hinterher, dass er aber auch etwas vom verdienten Geld in den Wagen seiner Familie stecken will. „Ein barrierefreies Auto, eben etwas, das das Leben erleichtert - das wäre schön.”

Der Schüler will sein Publikum aber auch motivieren, für Träume zu kämpfen. „Ich hatte den Traum, mal auf der Bühne zu stehen und Leute zum Lachen zu bringen (...) Ich hab gesagt: Okay, mich kann nix aufhalten - gut - bis auf Bordsteine”, witzelt er auf der Show-Bühne.

„NightWash”-Moderator Simon Stäblein ist baff. Entwaffnend ehrlich gibt er zu, dass er sich von dem Auftritt erst nicht viel versprochen hat. Und jetzt das: „Du hast so ein Talent, du hast so ein Timing, deine Jokes sind besser als (...) von Leuten, die Arenen vollmachen. Geh weiter diesen Weg!” (dpa)

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