Das Ende einer politischen Institution

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BONN. Nur einen Schritt abseits der viel befahrenen B 9 steht man mittendrin, in der verfallenden Bonner Republik. Disteln, Gras und Brennnesseln wuchern hier, wo einst die Politiker ihre Kommentare zur Lage der Nation in die Kameras sprachen. Die Büros sind verwaist, die Fenster blind, die Tage des Konrad-Adenauer-Hauses, mehr als 30 Jahre, von 1972 bis zum Jahr 2000, Bundeszentrale der CDU, sind gezählt. Heute rücken die Abrissbagger an, um das zehnstöckige Hochhaus und die angebauten „Union-Säle“ dem Erdboden gleich zu machen. Auf dem Gelände soll die neue Konzernzentrale der Telekom entstehen, deren jetziges Quartier auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu eng geworden ist.

An das letzte Kapitel in der Politikgeschichte im Konrad-Adenauer-Haus erinnert heute nur noch ein handgeschriebener Zettel, der verblichen an der Glastür am Haupteingang hängt: „Bitte keine Spenden hier abstellen!“, steht darauf. Eine zynische Erinnerung an die letzte große Sitzung des CDU-Präsidiums im Dezember 1999. Das Thema damals war wenig erfreulich: Die neue Parteispitze forderte ihren ehemaligen Vorsitzenden Helmut Kohl dazu auf, die Namen der Millionenspender bekannt zu geben. Dies hat Kohl bis heute nicht getan. Der Zettel am Hauptportal indes ist der Politik nicht mehr zuzuschreiben. Er stammt von einer Hilfsorganisation für ukrainische Waisenhäuser, die nach dem Regierungsumzug nach Berlin noch ein paar Räume im Adenauer-Haus nutzte.

Der langjährige Parteichef und Bundeskanzler Helmut Kohl war nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 zurückgetreten. Er hatte seit 1973 in der Chefetage im neunten Stock des Adenauer-Hauses residiert, nur Rainer Barzel hatte das Büro mit den markanten Holzregalen vor ihm genutzt. Dem Altkanzler folgte nach der Spendenaffäre nur noch Wolfgang Schäuble kurzzeitig auf den Bonner Chefsessel. Seine Generalsekretärin Angela Merkel, die ihn im Mai 2000 an der Parteispitze ablöste, blieb die wenigen Monaten bis zum Umzug der Parteizentrale im September 2000 nach Berlin in der weitaus weniger komfortablen zehnten Etage des Gebäudes.

Bereits 1998 hatte die Deutsche Telekom das Gelände samt Bauten für 17 Millionen Mark von der CDU übernommen. Ursprünglich hatte man große Pläne für das Areal, zu dem auch die benachbarten, ebenfalls leer stehenden Gebäude der Britischen Botschaft und die frühere Zentrale des Deutschen Roten Kreuzes gehören. Eine das Stadtbild prägende Architektur aus gläsernen Bürovillen sollte entstehen. Doch mit dem Absturz der Telekom-Aktie zerbrachen auch die gläsernen Träume. Gebaut werden soll immer noch, aber die Planungen fallen wesentlich bescheidener aus. Außerdem sucht die Telekom noch einen privaten Investor für die Neubauten. „Welche der neuen, reduzierten Planungen zum Zuge kommen, darüber hat der Vorstand noch nicht entschieden“, sagte ein Telekom-Sprecher der Rundschau.

Fest steht nur, dass sich der Abriss der Gebäude auf dem 35 000 Quadratmeter großen Areal voraussichtlich bis März 2004 hinziehen wird. Die Bagger sollen sich von Süden her vorarbeiten, zunächst sind die ehemaligen Botschaftsgebäude, dann die Union-Säle und das Adenauer-Haus dran. Eingesetzt werden schallgedämmte Maschinen, um die Belastung für die Anwohner so gering wie möglich zu halten. Und wenn die Arbeiten heute beginnen, hat sich wohl auch der letzte handgeschriebene Hinweis des CDU-Pförtners am Haupteingang endgültig erledigt: „Ich bin gleich zurück!“

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