Deutsche Autoindustrie am Pranger

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Die deutsche Autoindustrie muss auf den neuen Grenz-Förderwert der EU reagieren.

Die deutsche Autoindustrie muss auf den neuen Grenz-Förderwert der EU reagieren.

Hannover - Die deutsche Autoindustrie steht am Pranger. In der Debatte über die hohe Belastung durch Feinstaub ist sie ins Fadenkreuz der Kritik geraten. Der Vorwurf: Die Autobauer hätten den Einbau von umweltfreundlicheren Rußpartikelfiltern in Diesel- Fahrzeugen aus Kostengründen jahrelang blockiert - ähnlich wie den Katalysator in den 80er Jahren.

Die Automobilindustrie in Deutschland habe die Entwicklung der Filter «aktiv boykottiert und hintertrieben», kritisiert der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. Die Autobauer, allen voran VW, hätten den Dieselmotor «künstlich» billig halten wollen. Damit sollte die Zahl der Diesel-Neuzulassungen, der 2004 bereits bei über 40 Prozent lag, weiter gesteigert werden.

Umweltverbände und Gesundheitsexperten fordern bereits seit Jahren: «Kein Diesel ohne Filter» - denn damit könnten 99 Prozent der vermutlich Krebs erregenden Rußpartikel aus den Diesel-Abgasen herausgefiltert werden. Der Partikelfilter sei die wichtigste Maßnahme gegen den Feinstaub, sagt Prof. Erich Wichmann vom GSF- Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München. «Es ist überraschend, wie lang die deutsche Automobilindustrie nichts getan hat.»

In den Zentralen der deutschen Autokonzerne aber wurde das Thema Partikelfilter jahrelang nur zögerlich angefasst. Anders als vor allem die Franzosen setzten die Deutschen auf «ganzheitliche Lösungen» zur Schadstoffverringerung, vor allem auf Verbesserungen im Motor.

Dies aber sei eine «trügerische Fehleinschätzung» gewesen, heißt es in der Autobranche. Umwelthilfe-Geschäftsführer Resch sagt: ««Es gibt bis heute nicht einmal im Laborversuch eine innermotorische Technologie, die auch nur in die Nähe eines Partikelfilters kommt.»

Die neuen EU-Grenzwerte sind derzeit nach Expertenangaben nur mit Rußpartikelfiltern zu erreichen. Die französischen Hersteller Peugeot und Citroën sind bei Partikelfiltern Vorreiter - sie bieten diese seit Jahren serienmäßig ohne Aufpreis an. Im Kommen seien auch japanische und schwedische Hersteller, berichtet der Geschäftsführer des Verband der Importeure von Kraftfahrzeugen in Bad Homburg, Bernd Mayer.

Auffällig sind die Parallelen der Partikelfilter-Debatte zur Diskussion über die Einführung von Katalysatoren in den 80er Jahren. Katalysatoren galten damals in der Branche als teuer und technisch aufwendig - heute sind sie längst Standard.

Dabei ist der Streit über die Rußpartikelfilter nicht neu. Bereits vor zwei Jahren überzog Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) die PS-Bosse mit harscher Kritik. «Als deutscher Umweltminister muss ich natürlich besorgt sein, wenn die deutsche Industrie ignorant eine neue Technik verschläft», wetterte Trittin damals und warf den Autoherstellern «kartellartige Verabredungen» vor, um die Markteinführung des Filters zu blockieren.

Unter dem Druck der Öffentlichkeit und schärferer EU-Grenzwerte ziehen die deutschen Autobauer nun langsam nach. So haben etwa Mercedes-Benz und BMW angekündigt, den serienmäßigen Einbau der Filter zu beschleunigen.

Marktführer Volkswagen dagegen hält sich weiter zurück. VW plane derzeit nicht, den serienmäßigen Einbau von Partikelfiltern zu beschleunigen, heißt es. «Wir müssen mit den Autos, die wir anbieten, auch Geld verdienen», sagt ein VW-Sprecher mit Blick auf die Kosten für einen Filter in Höhe von 565 Euro. Ziel bleibe es, bis 2008 alle Diesel-Autos mit Filtern auszustatten. Darauf hatten sich die deutschen Hersteller im Sommer 2004 verpflichtet.

Insgesamt, so der Verband der Automobilindustrie (VDA), werde im laufenden Jahr das Angebot auf knapp 80 Modellvarianten mit Filter aufgestockt. Zugleich aber forderte der VDA: Bund und Länder müssten möglichst bald Klarheit über die Umsetzung der steuerlichen Förderung von Partikelfiltern schaffen.

Der Einzelhandel befürchtet bei einem Fahrverbot wegen überhöhter Feinstaubwerte in deutschen Städten massive Umsatzeinbußen. «Fahrverbote würden den Lebensnerv der Innenstädte treffen und die Geschäfte auf die Grüne Wiese treiben», sagte der Hauptgeschäftsführer des größten Einzelhandels-Verbandes HDE, Holger Wenzel, in Berlin. Sie würden zu Umsatz-Einbußen im zweistelligen Prozent-Bereich führen. Wenzel verwies auf Untersuchungen, wonach Kunden, die mit dem Auto zum Einkaufen fahren, mehr Geld ausgeben als die Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln. Von den insgesamt 430 000 Geschäften im deutschen Einzelhandel befinden sich rund 70 Prozent in den Stadtzentren.

Dagegen äußerten sich Wirtschaftsexperten zuversichtlich, dass die derzeit diskutierten Fahrverbote keine negativen Auswirkungen auf die Konjunktur haben werden. Der Konjunkturexperte des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Udo Ludwig, sagte: «Die Verbote gelten dann ja voraussichtlich sonntags, so dass der Produktionsfluss nicht gestört wird», sagt Ludwig. Bemerkbar mache sich die Einschränkung nur bei Privatleuten. «Die geben dann höchstens etwas weniger Geld für Kraftstoff aus. Aber da sparen sie am richtigen Ende bei den hohen Preisen derzeit.»

In Deutschland sind zurzeit insgesamt 13,7 Millionen Dieselfahrzeuge aller Art unterwegs. Der Hauptanteil entfällt nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg mit etwa 9,1 Millionen auf Personenkraftwagen. Die Selbstzünder stellen damit etwa ein Fünftel aller 45,4 Millionen registrierten Autos. Außer den Diesel- Pkw gibt es derzeit 2,57 Millionen Lastwagen, fast 1,8 Millionen Traktoren, 185 000 anderweitige Zug- und Baumaschinen sowie 85 500 Omnibusse, die alle mit Dieseltreibstoff fahren. (dpa)

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