Die WerkstattSchallstücke und Ventilzüge

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KÖLN – Drehbänke, Schleifmaschinen, Rohrstücke und überall Me-tallspäne: Die Werkstatt von Bernd Schramm versprüht den Charme historischen Handwerks. Die Wände schmücken Blechblasinstrumente verschiedener Epochen, aus dem Fenster blickt man auf Opernzelt und Rhein. Ein kontrastreicher Ort.

Sie haben in einem renommierten Betrieb für Blechblasinstrumentenbau gelernt. Inwiefern profitiert man davon?

Der Werkstattleiter bei Monke war Josef Helmich, eine deutschlandweite Koryphäe sowohl für Profimusiker als auch für Instrumentenbauer. An dem ging nichts vorbei, und von solch einem Mann lernt man natürlich unheimlich viel.

Sie haben dort immerhin 19 Jahre verbracht.

Die handwerklichen Herausforderungen waren enorm und deshalb reizvoll. Bis in die 90er Jahre hinein wurde dort von der Piccolo-Trompete bis zur Tuba alles selbst gemacht. Das hatte zum Ende hin mehr mit Handwerker-Ehre als mit Wirtschaftlichkeit zu tun.

Selbstständig gemacht haben Sie sich hier im Bahnhofsbogen . Was ist der Reiz an dieser Lage?

Ich habe 15 Monate nach einem bezahlbaren Ort gesucht. Diese Räumlichkeiten haben Charakter, ich habe einen wunderschönen Ausblick und kann bei Tageslicht arbeiten – rund um die Uhr übrigens. Hier beschwert sich niemand wegen des Lärms.

Kein Wunder, denn hier kracht ja ohnehin alle paar Minuten ein Zug drüber. Und auf der Straße tummeln sich allerlei schräge Gestalten.

Die Nachbarschaft mit den Obdachlosen vom Gulliver ist völlig harmlos.

Blasen Sie den Jungs ab und zu ein Ständchen?

(lacht)Nein, die haben einen anderen Musikgeschmack. Die Dealerszene vor der Tür ist zum Glück verschwunden. Ärger gibt es höchstens mal mit völlig besoffenen Auswärtigen, die sich durch die Klientel hier angezogen fühlen.

Was baut ein Blechblasinstrumentenbauer noch selbst? Bekommen Sie ab Werk einen Quadratmeter Blech und dengeln den zu einer Trompete zusammen?

So war das früher tatsächlich, das habe ich gelernt. Heutzutage gibt es die industriell gefertigten Instrumente von Yamaha, die sind weltweit führend. Auch was ich selbst herstelle, basiert zum Teil auf vorgefertigten Bauteilen von kleinen Spezialfirmen. Nehmen wir die Ventile, also sozusagen den Motor des Instruments: Dafür bräuchte man einen Maschinenpark, der im Verhältnis zur Produktionsmenge unrentabel wäre.

Und Sie schaffen dann aus diesen Elementen ein jeweils einzigartiges Instrument?

Ich stelle die Mundrohre her, die Ventilzüge müssen angebaut, die Schallstücke in Form gebogen werden und so weiter, da geht es um zahllose Hebeleien und Reguliervorrichtungen. Auch meine Werkzeuge habe ich größtenteils selbst gemacht.

2010 haben Sie zusammen mit Andrew Joy eine eigene „Wasserklappe“ für Hörner entwickelt. Worum geht es da?

Ich habe die Modelle dafür gefertigt. Eine Wasserklappe ist eine Vorrichtung zur Abführung des anfallenden Kondenswassers und Speichels. Wenn die Feuchtigkeit drinbleibt, brabbelt das Instrument, und das will natürlich niemand.

Wie hoch ist der Anteil an Dorfkapellen-Mitgliedern unter Ihren Kunden?

Gering. Auf der Hobby-Ebene sind es eher die Eleven von Musikschulen, die hier auflaufen.

Und ansonsten?

Die komplette Bandbreite: vom Anfänger bis zum Profi und zum Nischenmusiker, der etwa auf einem historischen Instrument spielt. Wichtig ist in meinem Beruf, auf empathischem Weg zu erkennen, welche Probleme ein Musiker mit seinem Instrument hat und wie ich ihm hier helfen kann.

Um welche Details geht es da?

Als ich zum Beispiel ankündigte, auch Einzelanfertigungen von Mundstücken zu machen, ging das wie ein Lauffeuer durch die Szene.

Chet Baker musste irgendwann von der Trompete aufs Flügelhorn umsteigen, weil seine Heroinsucht ihm Zähne und Kiefer ruinierte. Hätten Sie dem helfen können?

Weiß ich nicht. Ist mir ohnehin ein Rätsel, was diese Leute alles eingeworfen haben und wie die dann noch auf die Bühne gehen konnten. Ich frage mich ohnehin, ob die ihren Horizont mit all diesen Drogen wirklich erweitert haben. Oder ob sie das ohne das Zeug nicht womöglich noch besser hinbekommen hätten.

Welche Blechbläser mögen Sie persönlich? Jazzer wie Baker?

Sowohl Jazzer als auch Klassiker. Die Blechbläsergruppe des Chicago Symphony Orchestra oder auch das Ensemble „Phenix Horns“, das früher viel für Earth, Wind and Fire eingespielt hat. Michael Harris, der dann auch für Phil Collins gearbeitet hat, besitzt sogar ein Flügelhorn von mir.

Dabei sind Sie doch eigentlich ein Rocker.

(lacht)Jein.

Nun ja, Sie sind Trommler der Cover-Rockband Into Deep.

Das stimmt. Wir machen Musik aus jungen Jahren, für die man nicht lange üben muss: Supertramp, Eric Clapton, Deep Purple, Led Zeppelin . . .

Stehen Sie als Drummer eher Ringo Starr, Charlie Watts oder Keith Moon nah?

Keinem der drei. Dann eher Carl Palmer von Emerson, Lake and Palmer oder Pete York von der Spencer Davis Group. Das sind Old-School-Leute mit einer klassischen Ausbildung, in der noch immer etwas Jazziges mitschwingt. Auch bei Metallica oder neueren Rockbands sitzen phantastische Musiker an den Drums, aber das ist nicht meine Schule.

Welche war Ihre Schule?

Die Rheinische Musikschule, ganz klassisch.

Aber ein Blasinstrument beherrschen Sie nicht?

Jedenfalls nicht so, dass ich auf einem anständigen Niveau damit Geld verdienen könnte. Stattdessen habe ich mich jedoch schon als kleiner Junge für die Mechanik dieser Teile interessiert.

Wie stellt man sich das vor?

Bernd Schramm springt auf und pflückt ein historisch anmutendes Instrument von der Wand, dem er seine ersten kindlichen Töne abrang. Wie ich dann erfahre, handelt es sich um ein Es-Horn.

Meine Eltern sind Kirchenmusiker, Chorleiter, Organist, haben Unterricht gegeben, und bei uns standen alle Arten von Instrumenten herum. Ich war immer hinterher, die Zusammenhänge zu erkennen. Warum wird auf diesem Weg jener Ton erzeugt, und wie sah eigentlich die Urform dieses hoch komplizierten Instruments aus?

Wir haben diverse alte Bands erwähnt, und Sie tragen auch noch ein „Grobschnitt“-T-Shirt. Was hat es damit auf sich?

Eines meiner ersten Rockkonzerte war 1975 das von Grobschnitt im Audimax der Kölner Uni. In diesem hölzernen Raum haben die dermaßen mit Pyrotechnik losgelegt, dass schon nach ein paar Minuten die Feuerwehr in der Tür stand. Der Gig dauerte letztlich vier Stunden und hat mich total fasziniert. Bis heute gehe ich auf jedes Grobschnittkonzert, das ich erreichen kann. Das T-Shirt ist von 2010.

Und einen deutlich profaneren Grund, dieses T-Shirt heute zu tragen, gab es auch noch, wie Bernd Schramm mir danach verrät: Es hing gerade auf der Leine und war trocken.

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