Erich Bethe„Wer einmal in Auschwitz war...“

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Die Goldene Ehrennadel der Stadt Bergisch Gladbach erhielten Roswitha und Erich Bethe 2008. (Foto: Luhr)

Die Goldene Ehrennadel der Stadt Bergisch Gladbach erhielten Roswitha und Erich Bethe 2008. (Foto: Luhr)

RHEIN-BERG – Wenn Erich Bethe über sein Lebenswerk spricht, dann ist er ganz bei sich. Zum Beispiel, wenn er aus dem Aufsatz einer Schülerin vorliest, die von ihrem Besuch im Konzentrationslager Auschwitz berichtet: von Brillen, Schuhen, Koffern der Gefangenen. Von Vitrinen mit Haaren von 40 000 Frauen. Von winzigen Kinderschuhen hinter einer Glasscheibe. Und von der Wut und Hilflosigkeit, die das zwölfjährige Mädchen über all das empfindet.

„Wer einmal in Auschwitz war, der kann kein Nazi mehr sein“, ist sich der 71-Jährige sicher. Nicht zuletzt deshalb ist er so leidenschaftlich von seinem neuen Projekt überzeugt, das allen 120 000 Zehnklässlern in NRW mit ihrer Schulklasse eine Reise zur Gedenkstätte in Polen ermöglichen soll. „2052 Schüler und 205 Begleiter waren schon da“, berichtet der Unternehmer stolz. Weitere 468 Schüler sind mit ihren Lehrern bis Ende des Jahres angemeldet. Rund 300 Euro kostet der Aufenthalt pro Person. „Aber die Kinder und Jugendlichen zahlen maximal 30 Euro“, erklärt Bethe. „Den Rest legen wir drauf.“ Wir, das ist eine der größten privaten Stiftungen in Deutschland, die der in Bergisch Gladbach lebende Wuppertaler 1998 mit seiner Ehefrau Roswitha ins Leben gerufen hat. Deren Unternehmen hatte unter anderem Hotels saniert und verkauft - offenbar mit Gewinn. Zehn Millionen betrug das Stiftungskapital, mit dem seither Dutzende Projekte unterstützt worden sind.

Einfach und effektiv:

Spenden verdoppeln

Ein ganz Besonderes ist „Art Fabrik & Hotel“, eine alternative Luxusherberge in Wuppertal, errichtet in der alten Eisenfabrik der Familie Engels. Damit sei einst der Weltkommunismus finanziert worden, heißt es ironisch auf der Homepage; bekanntlich griff der Kapitalist Friedrich Engels dem klammen Kommunisten Karl Marx unter die Arme.

Heute unterstützt das kunstvoll gestaltete Hotel jene wohltätige Aktivität, die dem Ehepaar besonders viel bedeutet: die Kinderhospizbewegung. Der Gewinn des Hotels geht an Hospize, trauernde Eltern und Ehrenamtler.

Nebenher erweist sich der Mann mit dem weißen Bart, der sich eigenen Angaben zufolge wenig aus privatem Reichtum macht und manchmal wie ein zerstreuter Professor wirkt, als einfallsreicher „Spendeneintreiber“.

Mit der „Verdoppelungsaktion“ hat das Paar ein ebenso effektives wie motivierendes Instrument ersonnen: Jede Spende für ein von der Stiftung ausgewähltes humanitäres Projekt - so klein oder groß sie auch sein mag - wird verdoppelt. Jüngstes Kind dieses „Wohlfahrtsimperiums“ ist die Stiftung „Erinnern ermöglichen“, die die Bethes mit dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers ins Leben gerufen haben - dieser ist ebenso aktiv im Kuratorium wie der Kölner Journalist Günter Wallraff. Die Verwaltungskosten trägt das Land, die Bethes stellen sechs Jahre lang jeweils eine Million Euro zur Verfügung. Und: „Ich habe bereits mündliche Zusagen über 20 Millionen Spenden“, freut sich Erich Bethe, verweist aber darauf, dass „jede kleinste Spende Sinn macht“.

Nur nichts vergessen, darum geht es - auch aus persönlichen Gründen, über die der Träger des Bundesverdienstkreuzes nicht gern sprechen mag. Aber sein Einsatz spricht Bände. „Ich selbst war vor kurzem wieder da“, erzählt er kurz vor einer Veranstaltung in der Christuskirche in Solingen, wo sein Neffe Vikar ist. Eingeladen ist Philomena Franz, eine Zeitzeugin aus Bergisch Gladbach, die später aus ihrem Leben im Lager erzählen wird. „Was mich so bewegt, sind die Zahlen: Pro Jahr hat Auschwitz immerhin rund eine Million Besucher. Doch die Deutschen gehen da leider ganz wenig hin, nur 50 000, und kaum einer in meinem Alter. Die Wolfsschanze hat mehr Besucher“, sagt Bethe bitter.

„Es macht einen Riesenunterschied, ob man darüber liest oder einen Film sieht, oder ob man selbst am Ort des Geschehens ist“, bestätigt Jürgen Rüttgers, der Bethe an diesem Abend in die Christuskirche begleitet. „Das spürt jeder, der hierher kommt. Wer einmal in Auschwitz war, kehrt anders zurück.“

Anmeldeformulare für eine Studienreise und Spenden im Internet unter  www.erinnern-ermoeglichen.de

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