Freibad HerrenstrundenWo Gladbach schwimmen lernte

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So war das einmal: Dieses Postkartenmotiv vom damals noch nicht alten Freibad in Herrenstrunden stammt aus dem Jahre 1935.

So war das einmal: Dieses Postkartenmotiv vom damals noch nicht alten Freibad in Herrenstrunden stammt aus dem Jahre 1935.

BERGISCH GLADBACH – Das meiste kann man hinter dem charakteristischen Torbogen mit der treppenartigen Gliederung über dem Spitzbogenportal auch heute noch tun. Nur mit dem chlorhaltigen Nass und den Mädels im Bikini ist es halt nix mehr.

Wo viele Generationen die ersten Schwimmstöße absolvierten, tummeln sich heute kernige Jungs in tief hängenden Shorts auf weißem Sand und schlagen den Ball übers Netz. Und statt der Brause mit Waldmeister- oder Himbeergeschmack, die man für ein paar Pfennige am Büdchen kaufen konnte, lässt man sich heute exotische Cocktails servieren: Tequila Sunrise für 4,40, Pina colada für 6,20 Euro beispielsweise. Kölsch vom Fass gibt's natürlich auch.

Aus der biederen Badeanstalt ist unter dem Namen „Strunde Island - Altes Freibad“ ein Freizeitpark geworden mit vier Feldern für Beachvolleyball oder -soccer (sechs Euro die Stunde), einem geräumigen Biergarten und einer leistungsfähigen Gastronomie.

Beachsport und orientalische Nächte

Seit 2008 führen hier Kerstin Hampe und Behdad Maleki als Geschäftsführer der Ventas GmbH Regie, verstärkt durch Martin Doherr, der als Eventmanager für attraktive Veranstaltungen sorgt: Piratenparty, Beachsport Days, orientalisch-arabische Nächte. Zielgruppen: Wanderer, Radler, sportive Partyfreunde, Hundebesitzer und Familien mit Kindern. „Und es kommen immer wieder Leute, die einfach mal sehen wollen, was aus ihrem alten Freibad geworden ist“, sagt Doherr. „Dann erzählen sie, wie sie vor 30 Jahren nachts über den Zaun ins Bad geklettert sind.“

Zu denen, die nächtens mal über den Freibadzaun gestiegen sind, gehört auch Burkhardt Unrau, Versicherungsrepräsentant, Vorsitzender der Jungen Unternehmer und Vielzweckwaffe, wenn es um gemeinschaftliche Aktivitäten in Gladbach geht. „Das waren spontane Einfälle“, erzählt Unrau. „Man war mit den Freunden in der lauen Sommernacht unterwegs und hatte plötzlich das Bedürfnis nach einem kühlen Bad. Eines Nachts wären wir fast erwischt worden, als plötzlich jemand mit einer Taschenlampe auftauchte. Wir flüchteten nackt wie wir waren, Hemd und Hose blieben am Beckenrand liegen. Und am schlimmsten: der Hausschlüssel auch.“

Inge Krey, Ur-Gladbacherin und Ehefrau von Ehrenbürger Franz Heinrich Krey, pilgerte als Teenager den ganzen Sommer lang mit ihrer Schwester jeden Tag ins Herrenstrundener Bad, bis es zur Winterpause dicht machte und die Wassertemperatur schon bei herbstlichen 16 Grad lag. In den Nachkriegsjahren, so erinnert sie sich, gab es kaum attraktive Badeanzüge zu kaufen. Inge ließ sich deshalb von ihrer Tante einen schicken Bikini häkeln. „Sie können sich vorstellen, wie sich Wolle im Wasser verhält“, erzählt sie. „Als ich rauskam, war alles unten. Schlimm, schlimm!“

Herbert Stahl, Gladbachs begnadeter Heimathistoriker, lernte im Moitzfelder Stichlingsweiher Schwimmen, sozusagen inoffiziell, legte aber die Freischwimmerprüfung (15 Minuten ohne Hilfe Schwimmen) unter den Augen des Bademeisters im Herrenstrundener Becken ab. „Der Bademeister hatte ziemlich viel zu tun“, so Stahl. „Deshalb merkte er nicht, dass ich mich zwischendurch ein paar Mal am Beckenrand festhielt und ein Päuschen einlegte.“ Spätere Schwimmprüfungen legte Stahl mit Bravour ab. Ohne Schummeln.

In den fünfziger Jahren war ein Skandal, in den ein Kleingastronom aus Südeuropa verwickelt war, Tagesgespräch in der Kreisstadt. Der Mann hatte sich an der Wand einer Umkleidekabine hochgehangelt und „üvver die Britz jeluurt“ - in eine Kabine, in der gerade eine Besucherin die Kleider wechselte. Die Frau schrie Zeter und Mordio, woraufhin sogar die Polizei erschien. Der Spinxer musste jahrelang mit dem Spitznamen „de Gucki“ leben, seinem Geschäft an der Hauptstraße tat das aber keinen Abbruch. Nur: Der Südeuropäer ließ entgegen bis heute weit verbreiteter Meinung sein lüsternes Auge nicht in einer Herrenstrundener Damenkabine schweifen, sondern im Hans-Zanders-Bad in der Stadtmitte.

1990 schloss die Stadt das 1934 eröffnete und zunächst vom städtischen Energieversorger Belkaw betriebene Freibad. Die Technik war marode, das Schwimmbecken undicht und die Stadtkasse leer. „Sanierungsstau“ lautete die Begründung. Mit anderen Worten: Man hatte das Bad einfach verrotten lassen, bis nichts mehr lief. Das 50 mal 20 Meter große Schwimmbecken und das Plantschbecken wurden zugeschüttet. Neun Jahre lang passierte gar nichts, bis die städtische Bädergesellschaft GmbH, Eigentümerin des Areals, mit einem Investor, der dort einen Freizeit- und Spielpark installieren wollte, einen Erbbaupachtvertrag über 50 Jahre abschloss. Eine längere Leidensgeschichte mit Pleiten, Pannen und Prozessen schloss sich an.

Als Hampe und Maleki 2008 das Gelände mit den alten Schwimmbadbauten in Holzbauweise übernahmen, sah es wüst aus. Die Ventas GmbH, die außerdem über einen Biergarten in Mönchengladbach verfügt, ersteigerte den Erbbaupachtvertrag, die Ventas-Geschäftsführer investierten Geld und Arbeitskraft in die Renovierung, neue Wege und einen Parkplatz legten sie an. Nur mit der Instandsetzung des einstigen Plantschbeckens klappte es nicht: Nachdem man es ausgebuddelt hatte, stellte man fest, dass es nur noch zur Hälfte vorhanden war. Für den Platz hat man jetzt neue Pläne: „Was Attraktives für Kinder könnte es werden“, sagt Doherr.

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