GesundheitAlte Apfelsorten helfen bei Allergie

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Auch Allergiker können in Äpfel beißen: Ältere Apfelsorten sind für sie verträglicher. (Bild: dpa)

Auch Allergiker können in Äpfel beißen: Ältere Apfelsorten sind für sie verträglicher. (Bild: dpa)

Knackig, rot und süß - so müssen Äpfel sein. Rund 30 Kilogramm isst jeder Deutsche im Jahr und greift gerne zu den bekannten, modernen Sorten wie Elstar, Jonagold, Golden Delicious, Braeburn oder Fuji, die in der Nachkriegszeit gezüchtet wurden. Andere Apfelsorten sind den meisten Verbrauchern unbekannt, weil sie im Supermarkt gar nicht angeboten werden. Eigentlich schade, denn immerhin gibt es in Deutschland rund 1500 verschiedene Sorten, von denen 60 wirtschaftlich bedeutend sind. Sie unterscheiden sich nicht nur in Geschmack und Aussehen, sondern auch in ihrer Verträglichkeit. Rund vier Millionen Erwachsene leiden in Deutschland an einer Apfelallergie, die sich durch Kribbeln und Anschwellen der Lippen sowie durch Jucken in Mund und Rachen bemerkbar macht. Im Extremfall kann es auch zu Atemnot und Asthmaanfällen kommen.

"Die Symptome zeigen sich besonders häufig bei Menschen, die auch auf Pollen von Birke, Erle und Hasel allergisch reagieren. Eine Kreuzallergie ist jedoch nicht zwangsläufig", berichtet Marina Oppermann, Diplom-Ökotrophologin beim Deutschen Allergie- und Asthmabund. Verantwortlich für diese sogenannte Kreuzallergie ist ein bestimmtes Protein, das im Apfel vorkommt. Es heißt "Mal d 1" und ähnelt einem Protein in Birkenpollen so stark, dass das körpereigene Immunsystem beide Proteine nicht mehr auseinanderhalten kann und daher laut Oppermann mit einer allergischen Reaktion antwortet.

Erst den Lippentest durchführen

Apfelallergiker reagieren aber nicht auf alle Sorten gleich. Probleme bereiten ihnen oft jüngere Apfelzüchtungen wie Elstar, Jonagold oder Golden Delicious. Ältere Sorten wie Boskop, Glockenapfel, Goldparmäne, Alkmene, Berlepsch und Prinz Albrecht von Preußen können viele Betroffene dagegen problemlos essen. Um aber ganz sicher zu sein, dass ein Apfel keine allergische Reaktion hervorruft, sollten Allergiker immer zuerst den sogenannten Lippentest durchführen. Dazu reiche es, ein kleines Stück ungeschälten Apfel auf die Lippen zu halten und kurz abzuwarten, ob das Immunsystem mit einer allergischen Reaktion antworte, schildert Oppermann. Ist das nicht der Fall, kann der Apfel gegessen werden.

Doch woran liegt es, dass Allergiker ältere Sorten eher vertragen? Mit dieser Frage hat sich Professor Reinhold Carle vom Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie an der Universität Hohenheim zusammen mit Wissenschaftlern der Uni Hamburg beschäftigt. Die Forscher sind dabei auf sogenannte Polyphenole gestoßen, die in Pflanzen als Farb- oder Geschmacksstoffe vorkommen. Sie inaktivieren das Apfelallergen und machen manche Sorten für Allergiker deshalb genießbar. Je mehr Polyphenole also in einem Apfel enthalten sind, desto besser ist es für Betroffene.

Hohe Konzentration in älteren Apfelsorten

Besonders hoch ist die Konzentration in älteren Apfelsorten. So stecken beispielsweise in einem Kilogramm Boskop 1000 Milligramm Polyphenole. In den Sorten Trierer Weinapfel, Bittenfelder und Rambour sind es immerhin noch 450 bis 600 Milligramm pro Kilogramm, während der Gehalt in jüngeren Sorten auf unter 300 Milligramm pro Kilogramm sinkt. Allergiker sollten somit besser auf die neuere Massenware aus dem Supermarkt verzichten und ältere Sorten direkt beim Erzeuger kaufen.

Selbst für den Baum haben Polyphenole einen erheblichen Nutzen, weil sie dessen Abwehrkräfte gegen Pilze und Bakterien stärken. Dadurch muss er weniger oder gar nicht gespritzt werden. Zwei Eigenschaften sind den Züchtern heutzutage aber ein Dorn im Auge: "Diese Stoffe sind auch dafür verantwortlich, dass ein Apfel säuerlich schmeckt und nach dem Anschneiden braun wird", sagt Oppermann. Deshalb wurden diese "negativen" Eigenschaften aus neueren Sorten heraus gezüchtet.

Ortsgruppe sammelt Erfahrung von Apfelallergikern

Da bislang kaum untersucht wurde, welche Apfelsorten Allergiker tatsächlich vertragen und welche nicht, hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vor einigen Jahren ein Projekt gestartet. Dessen Ortsgruppe Lemgo sammelt Erfahrungen von Apfelallergikern und veröffentlicht sie in einer Statistik. Betroffene erfahren so, welche Sorten verträglich sind und welche eher nicht. Jeder Allergiker kann sich auf der Internetseite des Ortsverbands die Liste herunterladen und darin seine Erfahrungen preisgeben. Hier werden auch die Ergebnisse veröffentlicht (siehe Kasten). "Wichtig ist, dass die Apfelsorte genau benannt werden kann und sie unbehandelt ist. Nur so können wir ausschließen, dass eingesetzte Spritzmittel die eigentliche Ursache für die Unverträglichkeit sind", erläutert Willi Hennebrüder vom BUND Lemgo. Marina Oppermann warnt jedoch davor, als Apfelallergiker nur auf die Erfahrungen anderer Betroffener zu vertrauen. Vielmehr müsse die Verträglichkeit einzelner Apfelsorten immer individuell geklärt werden. Für die unterschiedliche Verträglichkeit unter Allergikern kann es verschiedene Gründe geben: die Anbaumethode, die regionalen Unterschiede von Boden und Klima sowie die individuelle Ausprägung der Allergie. "Bekannt ist auch, dass die Verträglichkeit vielfach saisonal schwankt", sagt Oppermann. So berichteten viele Kreuz-Allergiker, dass sie frisches Obst in der pollenfreien Zeit besser vertragen als während des Pollenflugs.

Andere Betroffene haben wiederum die Erfahrung gemacht, dass sie Äpfel besser vertragen, wenn sie diese nach der Ernte noch einige Tage zum Nachreifen liegen lassen. Doch diese Methode kann nicht jedem Allergiker empfohlen werden. Denn normalerweise müsse mit voranschreitender Fruchtreife und bei Lagerung unter kontrollierten Bedingungen für "Mal d 1" mit einer Zunahme der allergenen Wirkung gerechnet werden, berichtet die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Dabei nimmt das allergische Potenzial verschiedener Apfelsorten bei der Reife unterschiedlich stark zu. Allergiker können also nur eines tun, um auf der sicheren Seite zu stehen: Die Äpfel entweder erhitzen oder den bereits erwähnten Lippentest durchführen.

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