Im Wasserwerk kann Strahlung lauern

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JÜLICH. Man sieht es nicht, man schmeckt es nicht, und riechen kann man es auch nicht: Das radioaktive Edelgas Radon wirkt in unterschiedlichen Konzentrationen ständig auf den Menschen ein und kann dabei unbemerkt großen Schaden anrichten. „Jedes Jahr gibt es durch die von Radon ausgehende Strahlenbelastung etwa 2000 Todesopfer. Die Betroffenen sterben an Lungenkrebs“, sagt Dr. Hans-Henning Landfermann, der im Bundesumweltministerium für Grundsatzangelegenheiten des Strahlenschutzes Verantwortung trägt. Er appelliert an die Bevölkerung, sich stärker mit diesem Thema auseinander zusetzen.

Seit längerem wird bereits über ein Radonschutzgesetz debattiert, das aber wegen schwer überbrückbarer Konflikte zwischen Bund und Ländern derzeit auf Eis liege, wie Landfermann bedauert. Dabei wäre Eile durchaus geboten. Denn Radon kann in vielen Lebensbereichen die Gesundheit gefährden. So haben Experten des Forschungszentrums Jülich in Filterhallen von Trinkwasseraufbereitungsanlagen der Aachener Region die Radonkonzentration in der Luft gemessen. Dabei wurde in einem Wasserwerk eine Radonkonzentration von 40 000 Becquerel pro Kubikmeter Luft festgestellt.

Zum Vergleich: In den meisten Wohnhäusern bewegen sich die Radonwerte um etwa 50 Becquerel pro Kubikmeter. Auch wenn das genannte Messergebnis ungewöhnlich hoch und damit nicht repräsentativ ist, warnt Dr. Eberhard Kümmerle, im Geschäftsbereich Sicherheit und Strahlenschutz des Forschungszentrums Jülich zuständig für Immissionsüberwachung und Radioökologie, dass „Bedienstete von Wasserwerken durch die Einwirkung von Radon besonders gefährdet“ seien.

Und dieser Belastung kann man nur mit umfangreichen Schutzmaßnahmen begegnen. Denn seit Beginn der Erdgeschichte wird im geologischen Untergrund ständig das radioaktive Edelgas freigesetzt. Radon ist ein Zerfallsprodukt von Uran, es gilt als sehr mobil, kann innerhalb der Bodenporen transportiert werden und so auch ins Grundwasser gelangen. Auf diese Weise findet es schließlich den Weg in die Anlagen für die Gewinnung von Trinkwasser.

Doch nicht nur im Wasserwerk, auch in anderen Bereichen besteht nach übereinstimmender Expertenansicht noch großer Handlungsbedarf. Denn Radongas kann auch in Wohnhäuser eindringen. Wie Kümmerle und sein Jülicher Kollege Peter Schulte erklären, sind dabei vornehmlich Altbauten betroffen. So gelangt Radon nicht selten durch Risse, Spalten oder schadhafte Abdichtungen, aber auch Kabel- und Rohrdurchführungen oder Abwasserrohrentlüftungen ins Gebäudeinnere. Oft wird Radon wegen eines Luftdruckgefälles durch Treppenaufgänge, Kabelkanäle und Versorgungsschächte in die oberen Geschosse gesaugt. Auch viele Baustoffe enthalten - wie alle Steine und Erden - Radon.

Aus der deutschen Radonkarte geht allerdings hervor, dass im äußersten Westen der Republik die Radonaktivitätskonzentration in der Bodenluft im Schnitt zwischen 40 und 100 Becquerel pro Kubikmeter Luft liegt, was als gesundheitlich unbedenklich eingestuft wird. Laut dem Bonner Geologen Dr. Joachim Kemski ist für das Bergische Land mit den Gebieten um Olpe, dem Sauerland bis über Wuppertal, Hagen und Iserlohn aufgrund der Nähe zum rheinischen Schiefergebirge die Radonquelle stärker als in anderen Gegenden um den Rhein. Dort prognostiziert er für die Haushalte eine erhöhte Radonkonkonzentration in der in Bodenluft. Jedoch sei dies für die Betroffenen kein Grund, in Panik zu geraten, da die wahrscheinlich erhöhten Werte immer in einem statistischen Zusammenhang stünden, der noch nichts über die tatsächliche Gesundheitsgefährdung aussage. Außerdem seien die Ergebnisse sehr individuell, da die jeweilige Bausubstanz häufig eine andere ist. So könne ein Anwohner nicht von dem Radonwert in Wohnung des Nachbarn gegenüber auf den in seiner eigenen Wohnung schließen. Wer ganz auf Nummer sicher gehen möchte, sollte entweder selbst mit einem speziellen Gerät Messungen durchführen oder einen Experten damit beauftragen. Die gängigsten Ratschläge des Bonner Geologen, um den Radonwert in der Luft zu reduzieren, sind häufiges oder verstärkteres Lüften und die Abdichtung von Austrittsstellen im Keller mit Isoliergummi.

Schulte weist darauf hin, dass die Bediensteten, die Touristen durch Schauhöhlen zum Beispiel im Sauerland führen, wegen der Radonproblematik besonders aufmerksam beobachtet werden müssen. „Hier können durchaus Dauerbelastungen deutlich über 250 Becquerel pro Kubikmeter Luft auftreten.“ Auch Kanalarbeiter trügen besondere Risiken durch das radioaktive Gas. Die in zahlreichen Kurorten angebotene medizinische Behandlung mit Radon, die bei Rheuma, Gicht oder Arthrose helfen soll, ist umstritten. Nach Ansicht von Landfermann darf auch dabei die Strahlenbelastung nicht unterschätzt werden.

 www.radon-info.de

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