Abo

„Laune der Natur“Die Toten Hosen präsentieren ihr neues Album in Köln

Lesezeit 6 Minuten
Tote Hosen

Die Toten Hosen: Mit Andreas Meurer, Andreas von Holst, Campino, Vom Ritchie und Michael Breitkopf (von links)

Köln – Die Punkband aus Düsseldorf sei im Schlagerhimmel angekommen, wurde gespottet, als die Toten Hosen vor fünf Jahren ihre bis heute erfolgreichste Single "Tage wie diese" herausbrachten. Dass die Mittfünfziger um Andreas "Campino" Frege auch anders können, wollen sie mit ihrem neuen Album "Laune der Natur" beweisen. Die Platte, die am 5. Mai bei einem intimen Konzert im Kölner Gloria vorgestellt wird, beginnt mit purem Punk. Man feiert das Leben, verabschiedet sich von verstorbenen Freunden, kommentiert das politische Geschehen. Wer dann immer noch nicht genug hat: Auf dem Bonus-Album "Learning English Lesson 2" musizieren die Hosen mit Gästen aus der Punk-Zeit.  Olaf Neumann traf den Sänger Campino in Berlin.

Ihr neues Album beginnt mit einem Punk-Urknall. Woher diese Wut?

Es ist eher Spielfreunde - und Lust am Krach.

Alles zum Thema Nürburgring

"Unter den Wolken geben wir die Freiheit noch nicht her", lautet eine Zeile. Fühlen Sie sich in Ihrer Freiheit eingeschränkt?

So wie jeder andere Bürger auch. Bei Reinhard Mey heißt es: "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein". Unser Song ist die Weiterführung dieses Gedankens.

Was ist die Botschaft?

Wir hier unten müssen mit dem klar kommen, was da ist. Wenn wir nicht aufpassen, dann war es das für Europa. Ich genieße das Leben als EU-Bürger, die EU ist eine große Errungenschaft. Aber sie ist in Gefahr.

Ihre Mutter ist Engländerin. Besitzen Sie auch einen britischen Pass?

Nein. Vielleicht liegt es daran, dass die Bundesrepublik heute anders dasteht als noch in den 80er und 90er Jahren. Das Zusammenwachsen von BRD und DDR wurde mit Misstrauen verfolgt. Die Leute hatten Angst, wie dieses Land werden würde, wenn es wieder so gewaltig ist. Ich glaube, wir haben uns ganz gut geschlagen.

Woran machen Sie das fest?

Die Nachbarländer und der Rest der Welt sehen in uns zurzeit einen Stabilitätsfaktor für Europa. Das fühlt sich gut an. Es ist für mich eine recht junge Erfahrung, in Asien anzukommen und alle sagen: Deutschland? Das ist ja toll! Früher hat man eher hinter vorgehaltener Hand zugegeben, woher man kam.

Sie sind zweisprachig aufgewachsen. Fühlen Sie sich eher deutsch oder englisch?

Weder ganz deutsch, noch ganz englisch. Der Brexit ist für mich wie ein Faustschlag. Ich bin von England wahnsinnig enttäuscht. Bei den Aufnahmen zum Album sind wir genau zum Zeitpunkt des Referendums dort gewesen. Jeder einzelne unserer Gastmusiker kam ins Studio und war niedergeschlagen. Diese Leute wissen den Austausch der Kulturen zu würdigen.

Kann man mit Musik die Politik beeinflussen?

Musik hat auf jeden Fall die Kraft, ein Soundtrack zu sein in revolutionären Momenten. Mit Worten verschießt man verbale Pfeile oder Friedenserklärungen.

Zum Beispiel?

Wenn bei U2 alle "In The Name Of- Love" singen, dann ist das wie eine moderne Messe. In dem Moment werden Menschen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, durch einen Gedanken geeint. Das hat etwas sehr Versöhnliches. Aber wenn diese Masse eine radikale Hymne schreit, ist es furchterregend. Eine Parole kann auch der totale Terror sein.

Noch ein Zeile: "Eure naiven Gedanken zu Pop und Politik". Wer hat Ihnen das vorgeworfen?

Wir mussten uns immer wieder den Vorwurf anhören, wir seien naiv zu glauben, etwas bewegen zu können. Die Musik sei ganz okay, aber das politische Gesabber sollten wir sein lassen. Dieser Vorwurf richtet sich nicht nur gegen uns.

Gegen wen noch?

Gegen alle, die ein bisschen Courage haben und sich positionieren. Man muss eine Menge Shitstorms aushalten können. Einige unterstellen dir, dich wichtig machen zu wollen: "Ach, heute spielen sie bei diesem Anti-Rechts-Konzert und morgen kommt zufälligerweise ihr neues Album raus".

Lassen sich viele Bands davon einschüchtern?

Ja. Sie sind besorgt um ihre Coolness. Man nimmt dann Abstand von einem Projekt für Afrika und macht lieber seine eigenen Sachen. Dieser Zynismus und dieses Mobbing haben Künstler schwer beeindruckt.

Sie auch?

Nein. Aber jede Anfeindung hinterlässt Spuren. Man denkt: Woher kommt dieser Hass? In dem Moment, wo solche Gedanken aufkommen, haben sie dich schon gefangen genommen. Und wenn es nur für Sekunden ist.

Einige Texte schrieben Sie mit dem Rapper Marteria. Sind Sie Brüder im Geiste?

Zwischen uns beiden hat sich eine dicke Freundschaft entwickelt. Wir fahren auch schon mal zusammen in die Ferien oder spielen mit unseren Kids Fußball.

Und wie waren Ihre Begegnungen mit Punkgöttern wie Bob Geldof, Cheetah Chrome oder Tony James bei den Aufnahmen zum Bonus-Album?

Uns bedeutet dieses Album sehr viel, weil diese Leute große Helden für uns sind. Es war schön, dass Bob Geldof sich die Zeit genommen hat.

Gibt es Punkgrößen, die immer noch so leben wie damals?

Zum Glück sind alle mit der Zeit gereift und haben die Geschehnisse von damals für sich fest verortet als wichtige Phase in ihrem Leben. Wir alle dachten, wir könnten die Welt verändern. Vielleicht haben wir es nicht geschafft, aber es war die Zeit wert, in der wir diese Illusion hatten.

Die Toten Hosen spielen gerade die Magical Mystery Tour in Wohnungen Ihrer Fans. Fühlen Sie sich dabei wieder wie 18?

Ich fühle mich zwar nicht wie 18, aber so nah dran, wie ich sonst nie mehr kommen kann. Die Fans haben uns eingeladen. Wir versuchen nicht, uns irgendwo hinzubegeben, wo wir eigentlich nicht dazugehören. Wir teilen mit ihnen einen Nachmittag und eine Nacht.

Welche Erkenntnisse bringen Ihnen solche Auftritte?

Es ist eine schöne Art zu erfahren, wer unsere Musik liebt. Es gibt da draußen noch viele tolle Menschen, die politisch cool denken und überzeugt sind, dass man die Dinge ändern kann. Das gibt uns einen Schub.

Wohin führt Sie diese Wohnzimmertournee?

Deutschland, Schweiz, Österreich, Polen. Unter anderem haben uns ein Begräbnisinstitut, eine KZ-Gedenkstätte und ein Fischgeschäft eingeladen, in Polen spielen wir in einem ehemaligen Nazi-Bunker. Es gab Angebote aus 70 Ländern.

Woher denn noch?

Wir spielen auch in Argentinien und Uruguay, wenn wir drüben sind. Natürlich wäre es der Wahnsinn, mal in Alaska zu spielen, aber der Aufwand wäre zu groß. Außerdem müssen wir uns auf Rock am Ring vorbereiten. Und es gibt bereits Pläne für eine Hallentournee.

Nehmen Sie Ihren Sohn mit auf Tourneen?

Nein, er muss ja zur Schule gehen. Er ist auch gar nicht so heiß drauf.

Warum nicht?

Er findet die Hosen respektabel, würde uns aber nicht hinterherfahren. Das ist auch gut so. Er hat seine eigene Welt.

Campino und die Toten Hosen

Geboren am 22. Juni 1962 in Düsseldorf.

Bürgerlicher Name: Andreas Frege. 1982 gründet Campino mit Trini Trimpop, Andreas von Holst, Michael Breitkopf und Andreas Meurer die Toten Hosen. Zu ihren bekanntesten Liedern gehören "Hier kommt Alex" (1988) und "Tage wie diese" (2012).

Verkaufte Tonträger: rund 14 Millionen. Die Toten Hosen spielen auf der laufenden "Magical Mystery Tour 2017" erneut in Wohnungen und Privaträumen ihrer Fans.Campino lebt in Düsseldorf und hat einen Sohn mit der deutschen Schauspielerin Karina Krawczyk.

CD-Tipps: "Laune der Natur", VÖ: 5. Mai. Das Album erscheint auch als Doppel-CD mit "Learning English Lesson 2"

Konzerttipps: CD-Präsentation, Köln, Gloria, 5. Mai (ausverkauft) / Rock am Ring, Nürburgring, 3. Juni / Rock im Pott, Gelsenkirchen, Veltins Arena, 26. August

Rundschau abonnieren