Düsseldorfer Schau „Art et Liberté“„Es lebe die entartete Kunst!“

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entartete Kunst

Der Künstler Mayo malte sein Großformat "Knüppelschläge" 1937 in Öl auf Leinwand.

Düsseldorf – "Hattest du nicht gesagt: ,Mehr Licht?'", fragt Adolf Hitler den alten Goethe - und hält eine lodernde Fackel an die Weltkugel. "Der treue Schüler" heißt diese garstige Karikatur von Saroukhan in der Düsseldorfer Schau über "Umbruch, Krieg und Surrealismus in Ägypten (1938 und 1948)".

Umfassend dokumentiert die Kunstsammlung NRW jene Vereinigung "Art et Liberté", die Hitler, Mussolini, Stalin und Franco aus Kairo am 22. Dezember 1938 ihr antifaschistisches Manifest entgegenschleudert. Kernbotschaft: "Es lebe die entartete Kunst!" Dieser kreative Reflex auf die NS-"Säuberungen" ist in mehr als 200 Leihgaben facettenreich gespiegelt. Sam Bardaouil und Till Fellrath als Gastkuratoren haben sie in jahrelanger Arbeit aus 50 Sammlungen in zwölf Ländern zusammengetragen: Filme, Fotografien, Bücher, Grafiken, Gemälde.

Als Erstes fällt auf, wie gut Ägyptens vitale Hauptstadt damals mit der europäischen Avantgarde vernetzt ist. Vor allem dank Schlüsselfiguren wie dem Dichter Georges Henein. Der weltläufige Kairoer Diplomatensohn lernt beim Studium an der Sorbonne André Breton, den "Vater des Surrealismus", kennen und wird daheim zum Gründer von "Art et Liberté".

Natürlich schlagen die Vorbilder ästhetisch durch: Ramses Younans brückenhaft über die Landschaft gekrümmte Frauenfigur erinnert an Dalí, Mayos "Der Vogel" an Max Ernst, und Hassan El-Telmisanis Gestalt mit Ziffernblattgesicht könnte von Dalí wie Magritte stammen. Dennoch begnügen sich Kairos Surrealisten nicht mit epigonaler Demut. Zudem ist das Land durch die Bindung ans britische Empire Kriegsteilnehmer, und auch der aufkommende Totalitarismus befeuert den Widerstand. Mayos Großformat "Knüppelschläge" zeigt brutal niedergeschlagene Demonstrationen als trügerisch heiteres Ballett von Holzstangen und Knochen.

Und Amy Nimr, Malerin wie Autorin, erlebt selbst pures Grauen. 1943 stirbt ihr einziger Sohn, als er bei einem Picknickausflug in die Wüste eine Tarnbombe aufhebt. Kein Wunder, dass geborstene Skelette ein Leitmotiv ihrer Kunst werden.

Kriegshorror und Armut

Überhaupt heißt ein Kapitel der Schau "Fragmentierte Körper", die neben Kriegshorror auch die zerrissene Gesellschaft des Wüstenlands symbolisieren. Die grassierende Armut und die Tatsache, dass 1941 in Kairo allein 140 000 Soldaten stationiert sind, erhöht die Zahl der Prostituierten. Todtraurige Schönheiten, ermordete Eifersuchtsopfer oder groteske Maschinenmädchen klagen diese Missstände an.

Anstelle des formelhaft erstarrten Surrealismus propagiert die Künstlergruppe schließlich einen "subjektiven Realismus". Dem sollen auch nächtelange Meditationen als Weg zur Trance dienen. Den "trunkenen Sinnen" huldigen denn auch die verzückt-entrückten Frauenfiguren des Malers Fouad Kamel.

Besonders reizvoll wirkt die Fotografie-Sektion, in der Ägyptens Progressive den nationalistischen Bezug auf den Pharaonenkult lächerlich machen. So schieben sich ausgestreckte Frauenbeine vor Pyramiden, während Puppen neben Götterbüsten hocken.

Mittendrin im Kosmos der Freigeister: die US-Fotografin Lee Miller, die mit ihrem ägyptischen Gatten in Kairo lebt, der Gruppe "Art et Liberté" freilich dank ihrer intimen Beziehung zum britischen Surrealisten Roland Penrose Impulse und Ausstellungschancen gibt. Auch ihre abstrakten Landschaftsbilder schmücken eine Ausstellung, die abseits ausgetretener Pfade höchst originell fasziniert.

Bis 15. 10., Di-Fr 10-18, Sa/So/Feiertage 11-18, jeden ersten Mi 10-22 Uhr. Grabbeplatz 5. Katalog, 224 S, im Museum 35 Euro. www.kunstsammlung.de

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