Ballet RevoluciónBallett aus Kuba kommt nach Köln

Lesezeit 4 Minuten
Ballet revolucion (1)

Im Proberaum des kubanischen Fernsehballetts geht es beim Training intensiv und athletisch zu.

Köln – Wir sitzen alle in der ersten Reihe. Es gibt ja gar keine zweite. Und die eine auch nur so lange, wie wir hier sitzen: Helfer haben die Klappstuhlreihe kurz vor der Probe in den Saal gehoben. Nicht in irgendeinen Saal, sondern in den Proberaum des kubanischen Fernsehballetts in Havanna. Seit 65 Jahren eine Institution. Die Tänzer von Ballet Revolución, die im Juli in die Kölner Philharmonie kommen werden, zeigen hier eine knappe halbe Stunde aus ihrem neuen Zwei-Stunden-Programm. Sie sind größere Bühnen gewöhnt - oder zumindest keine Zuschauer, die mit auf der Bühne sitzen. So aber müssen sie sich zurückhalten, damit ihre Sprünge und Flickflacks nicht auf unserem Schoß enden. Auf dem Schoß der deutschen Journalistengruppe, die auf der Bühne hockt wie die Juroren bei der Eiskunstlauf-WM.

Tänzer beim Hochleistungssport

Schnell schiebe ich den Rucksack zwischen meinen Füßen nach hinten. Der Fotograf neben mir sollte ruhig ein wenig Angst um sein Objektiv haben, Hände und Füße huschen gefährlich nah vorbei, wenn die 19 Tänzer Anfang bis Mitte 20 durch den türkis getünchten Saal wirbeln. Der Holzboden schwingt kräftig mit, jeder einzelne der vier Ventilatoren scheint mehr als einmal heruntergekommen zu sein. Der Saal war sicher schon besser in Schuss. Den Tänzern, die an der Escuela Nacional de Arte und an der Escuela Nacional de Ballet ausgebildet wurden, ist das egal; auch dass an die Gäste aus Europa schon in der ersten kurzen Pause Wasserflaschen verteilt werden - aber nicht an die, die hier Hochleistungssport demonstrieren. Athletisch und doch elegant, intensiv und doch von scheinbarer Leichtigkeit. Tanz zwischen Ballett und Streetdance, zu den Hits von Usher, Rihanna, Beyoncé und, ganz neu im Programm, zu Hoziers "Take me to Church", gespielt von einer siebenköpfigen Live-Band.

Ballet revolucion

Choreograph Roclan Gonzalez Chavez mit den Tänzern bei den Proben

Choreograph Roclan Gonzalez Chavez erklärt die religiöse Bedeutung der Nummern, wenn etwa eine Tänzerin eine Göttin aus der afrokubanischen Mythologie darstellt, die in ihrer Bewegung eine Verbindung der Erde zum Himmel herstellt. Die Show funktioniert aber auch, wenn man den theoretischen Überbau nicht kennt.

Sie sehen gut aus, die trainierten Körper, die sich da aneinander schmiegen. Auch wenn das Outfit noch keineswegs perfekt ist. Die Tänzer laufen teils auf Socken, teils barfuß auf, und das da, das sind doch Straßenschuhe? Sie sehen gut aus, auch wenn sie nicht in den körperbetonten Kostümen stecken, die "Germany's-Next-Topmodel"-Laufstegtrainer Jorge Gonzalez für sie entworfen hat, sondern einfache T-Shirts tragen - oder noch nicht einmal die. Was allerdings auffällt: Tätowierungen sieht man keine. Weil sie ihnen untersagt wurde? "Nein, wir heißen ja nicht von ungefähr Ballet Revolución", sagt der Choreograph. Das sei Zufall, ein Tattoo wäre kein Problem. "Die Tänzer müssen alles geben und pünktlich sein. Alles andere ist egal."

Ballett aus Kuba

Tänzerin Barbara Lisandra Patterson Sánchez und ihr Tattoo: Bereits früh entdeckte sie ihre Begeisterung für den Tanz.

Eine Tätowierung entdecken wir später dann doch: Barbara Lisandra Patterson Sánchez, die alle Baby nennen, hat sich den dezenten Schriftzug "Dance" auf den Unterarm stechen lassen. Die 23-jährige Tänzerin hat uns zu sich nach Hause eingeladen. Sie hat sich unweit des Malecóns, der berühmten Uferstraße Havannas, eine Eigentumswohnung gekauft - "Tänzer verdienen in Kuba so viel wie Rechtsanwälte", hatte uns Regisseur Toby Gough vorher erzählt. Im ländlichen Holguín im Osten Kubas aufgewachsen, entdeckte sie früh ihre Begeisterung für den Tanz. "Das war immer das, was mir am meisten Spaß machte."

Schon mit acht Jahren ging sie ihrer Leidenschaft auf einem Internat nach, bis sie 13 war, sah sie die Eltern nur am Wochenende. Nach mehreren Castingrunden schaffte sie es auf die Escuela Nacional de Ballet, auf der sie drei Jahre lang studierte; weil sie ein Stipendium bekam, konnte sie in die Hauptstadt ziehen. Nach zwei Jahren beim Nationalballett kam sie 2011 zum frisch aus der Taufe gehobenen Ballet Revolución. "Die Faszination liegt für mich in dieser ungewöhnlichen Mischung aus klassischem, neoklassischem und zeitgenössischem Tanz", sagt sie. "Hier kann man auch eigene Ideen einfließen lassen. Beim Nationalballett war das nicht möglich." Warum sich der Besuch des neuen Programms wieder lohne? "Jede Tour ist völlig neu. Es gibt viele neue Gesichter, neue Energie." Und viele neue Lieder. Aber auch einige Klassiker. So wie "Roxanne" von The Police, das seit der ersten Tour im Programm ist.

Ballet Revolución gastiert im Rahmen des 29. Kölner Sommerfestivals vom 12. bis 24. Juli und vom 2. bis 6. August in der Kölner Philharmonie. - Tickets ab 20,50/46,50 Euro

www.ballet-revolucion.de

Rundschau abonnieren