Intermot 2016Retro-Trend hält an und die Supersportler feiern Wiederauferstehung

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rotes Mofa

Harley-Davidson hat die Euro-4-Hürde genommen

Köln – Sie haben irgendwie den altehrwürdigen V2-Motor über die Euro-4-Hürde gewuchtet. Dessen Grundfeste lassen sich immerhin bis weit in die Vorkriegsjahre zurückverfolgen. Dazu aber musste Harley-Davidson einen gewaltigen Aufwand treiben: von außen immer noch fein verrippt und im gewohnten 45-Grad-Winkel, blieb im Inneren kein Teil auf dem anderen. Größerer Hubraum, vier statt zwei Ventile pro Zylinder, neue Öl- und bei manchen Modellen auch Wasserkühlung - "Milwaukee Eight" nennt sich des Amis ganzer Stolz, der nun auch europäischen Lärm- und Abgasvorschriften genügen soll.

Auch BMW hat den luftgekühlten Boxer-Motor in die Neuzeit gerettet. Als reines Nischenprodukt gedacht, schlug die "R nineT" ein wie eine Bombe. Mit dem Resultat, dass der schon fast aussortierte Motor nun eine ganze Modellpalette befeuert - inklusive neuer Ableger wie der "Pure" und dem Retro-Renner "Racer".

Erfahrungsgemäß wird besonders an Harleys herumgebastelt, was die Gewinde hergeben - aber längst nicht mehr nur dort. Motorräder von der Stange haben es schwer, die Kunden verlangen genau das eine, ganz besondere. Individualität nennt sich das beim Menschen, Customizing beim Motorrad.

Pfiffige Konstrukteure bieten bereits Lösungen ab Werk an, die Zubehör-Listen (inklusive Klamotten und Lifestyle) sind mittlerweile länger als die technischen Datenblätter. Noch pfiffiger, wenn die Bikes schon von Werk ab auf den zu erwartenden Umbau vorbereitet werden - etwa mit abschraubbaren Rahmenhecks und trennbaren Steckerleisten wie bei der BMW Scrambler.

silbernes Motorrad

Sieht schwer nach Gelände aus, kann sie aber nicht: die BMW Scrambler

Die wiederum folgt nicht nur der immer noch anhaltenden Retro-Welle, sondern mit Grobstollern und hochgelegtem Auspuff auch dem Trend zur Gelände-Optik: Ich könnte ja, wenn ich wollte.

Kann sie aber nicht. Die Scrambler ist ein reines Straßenmoped, ähnlich der Ducati Scrambler oder Moto Guzzis Bobber. Wirklich wohl im Kreise der Großen fühlt sich in Dreck und Schlamm einzig die Wiederauferstehung einer Legende, der Honda Africa Twin. Hochbeinig, extrem austariert und die Elektronik auf eine Minimum reduziert, könnte die wirklich, wenn der Treiber wollte und könnte. Mit ihr hat auch wieder etwas Vernunft in das Genre Einzug gehalten: 160 PS auf einer Enduro wie bei KTM oder Ducati - eine Sinnfrage stellt sich da nicht mehr. Die Honda begnügt sich mit gut einem Drittel weniger und ist damit bestens aufgestellt. KTM und Yamaha sind an einer Mittelklasse-Enduro dran, auf der Intermot ist davon allerdings noch nichts zu sehen.

Blaue Suzuki

Suzuki stellt den ersehnten Supersportler GSX-R 1000 vor

Am anderen Ende der Fahnenstange schickt Suzuki die ersehnte GSX-R 1000 ins sprichwörtliche Rennen und Honda die neue Fireblade. Über Sinnfragen muss man sich abseits bundesdeutscher Autobahnen bei 200 PS und ebenso vielen Kilos natürlich auch keine Gedanken mehr machen - der erste von sechs Gängen reicht in der Regel für den Gang zum Landratsamt. Aber BMW, Kawasaki und Yamaha mit der neuen R1 hatten hier schon gewaltig vorgelegt, und so ist die Rückkehr der Supersportler auch ein Bekenntnis zum Technologie-Transfer von oben nach unten. Die Elektronik-Pakete dürften den ein oder anderen Raumfahrer neidisch machen, aber ein bisschen was davon wird immer nach unten durchgesteckt und macht auch Sinn. Kurven-ABS etwa ist längst nicht mehr nur der zweirädrigen Upper-Class vorbehalten. Auch was das Design angeht, sind vermeintliche Mittelklässler immer näher dran an den großen Vorbildern - besonders schön zu sehen an Yamahas MT-Linie.

Triumph geht erfahrungsgemäß einen anderen Weg und baut neben der Streetfighter-Klasse und den Explorer-Enduros vor allem schöne und sehr klassische Mopeds. Und auch die funktionieren prächtig: Viel Hubraum, Pferdestärken nachrangig, punkten die Briten mit edlem Ambiente und Fahrwerkstechnik up to date.

Gelbes Mofa

Honda baut die CB-Modellreihe aus

Ein paar Erkenntnisse bleiben. Zum einen, dass Plattformen bei Zweirädern langsam, aber sicher eine ähnliche Bedeutung bekommen wie im Automobil-Bau - eine Basis, viele Derivate. Zum Zweiten, dass Euro 4 auch alten Luftkühlern noch das Atmen erlaubt - man muss nur wollen. Honda etwa hat die luftgekühlten CB-Modelle nicht nur im Programm gehalten, sondern sogar ausgebaut.

Und nicht zuletzt, dass wie bei den Autos zwar das Bemühen um eine gewisse Umweltverträglichkeit gerne in den Vordergrund gestellt wird und dass E-Roller und E-Bikes zumindest in Städten eine ernsthafte Alternative sind (s. Kasten). Aber eine echte Abkehr vom Verbrenner ist noch nicht abzusehen.

Das Segment Elektromobilität

Über 1200 Marken präsentieren sich auf der Intermot 2016. Unter den Anbietern befinden sich alle großen Player der Branche.

Ein neues Gesicht erhält die "E-motion", ein eigenes Segment zum Thema Elektromobilität. Zu einem eigenen Show-in-Show-Konzept ausgebaut, wird in Halle 5.2 die Elektromobilität auf zwei Rädern präsentiert: von E-Scootern, E-Bikes, Pedelecs bis hin zu E-Motoren zum Nachrüsten.

Neben einer Angebotserweiterung gibt es für das Publikum zusätzlich eine Touristik-Area. (two)

Das Rahmenprogramm der Intermot

In Halle 10 wurde die "Garage Area" eingerichtet. Hier werden Motorräder live umgebaut . Tank, Schutzblech oder Heckanpassungen werden gedengelt, in einer mobilen Kabine wird lackiert, kleine Kunstwerke auf der Karosserie verewigt und in der Werkstatt permanent

Teile ausgetauscht und angepasst. Fragen an die Profis sind ausdrücklich erwünscht.

Besonderer Hingucker: Am Sonntag, 9. Oktober, treten nachmittags unter lautem Getöse umgebaute Custom-Sprint-Bikes auf der Achtel-Meile zum Sprint gegeneinander an.

Im Outdoor-Parcours ist wie in jedem Jahr jede Menge Rahmenprogramm angesagt: Vom 1/8-Meilen Sprint über Probefahr-Runden bis hin zum Dirt-Track und Hard-Enduro-Trial. Selbst Fahren ohne Führerschein ist auf abgestecktem Terrain möglich. Groß vertreten sind in diesem Jahr auch die E-bikes mit eigenen Challenges und E-Scooter-Parcours.

Auf der Stage (Halle 10) werden Profitalks , Interviews mit Stars der Szene, die Preisverleihung der AMD World Championship und ausgewählte Einzelstücke präsentiert. (two)

Zeiten und Preise

Öffnungszeiten: Publikumstage sind von Donnerstag, 6. Oktober, bis Sonntag, 10. Oktober. Täglich geöffnet von 9 Uhr bis 18 Uhr, am Freitag, 7. Oktober, von 9 Uhr bis 20 Uhr.

Preise: Die Tageskarte kostet 19 Euro, ermäßigt 8 Euro, Jugendliche bis 17 Jahre zahlen 3,50 Euro. Kinder unter 12 Jahre haben freien Eintritt. Die Zwei-Tages-Karte 25 Euro. Der Katalog zur Ausstellung kostet 9 Euro.

www.intermot.de

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