Interview mit Jodie FosterAlles eine Frage des Geldes

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Jodie Foster

Jodie Foster posiert für das Foto in Sydney

Frau Forster, wie brachten Sie George Clooney zum Tanzen?

Das schlug er selbst vor! Er wollte mehr Bewegung in den Szenen, und ich sagte: Wenn du ein Tänzchen hinlegen willst, steht dir nichts im Weg.

Ist der Part als Finanz-Guru auf ihn zugeschnitten?

George war der Erste, den ich für die Rolle im Kopf hatte, und der Einzige, der einen wenig liebenswerten Charakter so verkörpern kann. Einen selbstbezogenen Showtypen, der sich um niemanden schert. Der einem als Zuschauer am Ende aber dennoch nicht gleichgültig ist.

Die Kombination aus Show, Medienkritik und Thriller macht "Money Monster" zu Ihrem ambitioniertesten Regiewerk. Haben Sie sich für die Entwicklung deshalb so viel Zeit gelassen?

So lang hat es doch gar nicht gedauert. Ich kenne Filme, an denen viel länger gearbeitet wurde. Gut, am Drehbuch werkelten wir eine ganze Weile.

Was war das Problem?

Die Bereiche Technologie, Fernsehgeschäft und globale Finanzwelt sind auf merkwürdige Art und Weise miteinander verknüpft. Als ich mich erstmals mit dem Projekt beschäftigte, dachte ich: Das kann nur Satire werden. Dann stellte es sich als bittere Realität heraus.

Wie haben Sie recherchiert?

Ich habe mich intensiv mit der Wall Street beschäftigt, viel gelesen, aber auch persönlich Bekanntschaft mit dem Thema gemacht.

Inwiefern persönlich?

Meine erste Regiearbeit "Das Wunderkind Tate" (1991) wurde von Orion produziert - wie auch "Das Schweigen der Lämmer". Im gleichen Jahr, als mein Film erschien, ging die Firma pleite. Das öffnete mir die Augen hinsichtlich der Finanzwelt.

Wie haben Sie reagiert?

Ich musste mir die Gelder vor Gericht zurückholen. Das ist alles unglaublich verwirrend. Und es ist ja absichtlich so, damit die Profiteure, die die Regeln festlegen und für Verwirrung sorgen, noch mehr Geld machen können.

Liegt darin das Problem?

Gerade Computerpannen - wie in unserem Film - geschehen immer wieder. Vor ein paar Jahren wurde die gesamte Stromversorgung der Ostküste durch einen Computerfehler für zwei Tage abgeschaltet. Milliarden Dollar gingen verloren. Man weiß immer noch nicht, wie das geschehen konnte. Bei der Hypothekenkrise 2008 konnten wir noch sagen, was passierte. Als jedoch Knight Capital innerhalb von Minuten durch einen Computerfehler fast alles verlor, vermochte das niemand mehr.

Glauben Sie, die Situation wird immer unübersichtlicher?

Derlei wird immer häufiger geschehen - gerade auch in Ländern der Dritten Welt mit instabiler politischer Lage. Was dann? Es wird sich ausweiten, weil unsere Welt in immer größerem Maße von Technologie gesteuert wird.

Würden Sie dafür auch die Entwicklung der Technologie verantwortlich machen?

In Bezug auf die Technik als solcher kritisiere ich eigentlich gar nichts. So läuft unser Leben nun mal heute. Unsere Beziehungen zueinander verlagern sich immer mehr ins Virtuelle. Wir akzeptieren das inzwischen und ziehen daraus auch einige grandiose Vorteile: Menschen aus Südafrika, Island oder Korea, ohne Geld, Macht und Stimme, können sich auf einmal zusammentun und gemeinsam Korruption bekämpfen. So trägt Technologie als Kommunikationsmedium dazu bei, Leute zu vereinigen. Das ist auch eine Form der Demokratisierung.

Können Medien und Filmschaffende zu mehr Aufklärung beitragen?

Die Finanzwelt ist heute in den Nachrichten viel präsenter. Ein Teil unseres Lebens war sie aber immer: Wir bewegen uns seit 1929 von Blase zu Crash zu Blase zu Crash. Nur dass heute viel mehr auf dem Spiel steht.

Durch das Wissen darum kann man heute immerhin darauf reagieren, oder?

Seit der Krise 2008 gab es jede Menge Versuche, den Finanzmarkt zu regulieren. Tatsächlich bedeutete das aber lediglich, dass die Verantwortlichen nach anderen Wegen suchen mussten, um Profite zu generieren. Das passiert weltweit und stellt eine echte Gefahr dar.

Um jene Verantwortlichen drehten sich bislang die meisten Filme zum Thema Finanzkrise. Wollte Sie nun einmal die Perspektive der Opfer zu zeigen?

Es ist wichtig, jede Seite zu betrachten. Vor allem natürlich die des Jedermanns, der eigentlich nichts falsch gemacht hat. Der nur sein Geld sparte, in eine Aktie investierte, die man ihm als sichere versprach - und der betrogen wurde, weil man das System zu seinen Ungunsten manipulierte. Aber auch die Akteure auf der anderen Seite haben Angst vor dem Scheitern. Diese vor allem männliche Versagensangst, die auf der Frage beruht, was man wert ist, interessierte mich.

Sie sagen von sich, dass Sie selbst noch immer eine gewisse Angst vor dem Scheitern haben. Warum ist das so?

Scheitern kann eine ganze Menge bedeuten. Es geht dabei nicht notwendigerweise um messbaren ökonomischen Erfolg. Meine persönliche Versagensangst hat mehr mit dem Verhältnis zu meiner Mutter, die ebenfalls in der Filmbranche aktiv war. Ich habe mich immer mit dem Gedanken gequält, nicht gut genug zu sein.

Was bedeutet Scheitern noch?

Scheitern kann auch ein guter Motivator sein. Gerade Künstler versuchen sich selbst besser zu verstehen, um besser zu werden.

Mit Zweifeln haben viele weibliche Regisseure in der Männerdomäne Hollywood zu kämpfen. Liegt daran, dass eine Regisseurin immer noch ein "Risiko" ist, wie Sie einmal sagten?

Sicher. Auf mich persönlich trifft das allerdings weniger zu. Ich bin schließlich besser in das System integriert und viel bekannter als diejenigen, die frisch aus der Filmschule kommen. Meinen ersten Regiefilm konnte ich aber nur realisieren, weil ich darin fast unbezahlt mitspielte.

Wie empfanden Sie das?

Es war zwar nett von den Produzenten, eine neue Filmemacherin zu unterstützen, aber für sie bestand dabei kein großes Risiko. Auch bin ich lang genug im Geschäft, um die richtigen Beziehungen zu haben.

Schließt sich damit der Kreis zur Finanzwelt? Auch Filmschaffende werden in Zahlen, sprich: Einnahmen gemessen.

Ja, das ist verstörend und eine eigenartige Art zu leben: zu akzeptieren, dass man eine Ware ist. Der Verlust der eigenen Identität durch Berühmtheit ist ohnehin ein Thema, das sich durch all meine Filme zieht: dass man sich selbst in dem verliert, was man für andere repräsentiert.

Jodie Foster fährt seit 40 Jahren in der Erfolgsspur: 1976 erlebte sie als Schauspielerin den Durchbruch mit Martin Scorseses "Taxi Driver". Brillante Rollen überzeugten Kritiker und Publikum auch in den folgenden vier Dekaden. Mit Jodie Foster sprach Maximilian Haase.

Zur Person

Geboren am 19. November 1962 in Los Angeles.

Ihre Mutter arbeitet in der Filmbranche, bereits in jungen Jahren tritt Jodie in TV-Serie wie "Bonanza" und "The Addams Family" auf.

1976 feiert sie im Alter von 13 Jahren den Durchbruch an der Seite von Robert de Niro in "Taxi Driver".

Weitere Top-Filme mit Jodie Foster: "Das Schweigen der Lämmer" (1991), "Maverick" (1994), "Contact" (1997), "Der Gott des Gemetzels" (2011)

Der Film Money Monster

George Clooney spielt den Moderator einer erfolgreichen TV-Finanzshow. Doch die High-Tech-Aktie, die Lee Gates empfohlen hat, stürzt auf unerklärliche Weise ab.

Einer der Leidtragenden nimmt Gates und dessen Produzentin, gespielt von Julia Roberts, als Geisel. Der Film läuft seit Mitte der Woche in den deutschen Kinos.

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