Interview mit Kölner Designer„Es gibt keine eingeschworene Szene in Köln“

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Designer

Eric Degenhardt in seinem Studio in Köln.

Eric Degenhardt gehört zu den international renommierten Designern. Er studierte an der RWTH Aachen Architektur, arbeitete zunächst als Architekt, hat sich aber vor allem als Möbel- und Industriedesigner einen Namen gemacht. Ina Henrichs hat mit ihm gesprochen.

Herr Degenhardt, wir haben junge Designer gefragt, was ihnen spontan zu Design und Köln einfällt. Da fiel schon mal Ihr Name.

Lacht.

Was fällt Ihnen dazu ein?

Wenn ich ehrlich bin, wenig. Ich werde häufig gefragt, warum ich ausgerechnet in Köln wohne und arbeite. Es hat nicht wirklich etwas mit dem Standort zu tun, der gezielt Designer anlocken würde. Ja, es gibt hier viele Möbelgeschäfte, die Möbelmesse und immer mehr Junge kommen nach, die sich selbstständig machen. Aber es ist keine eingeschworene Szene. Und die meisten haben keine oder wenige Kölner Kunden. Ich habe keinen einzigen. Hier gibt es kaum Produzenten. Das heißt, man trifft sich überall, nur nicht in Köln.

Keine Kunden in Köln? Woran liegt das?

Es ist bestimmt Potenzial da. Aber viele Firmen können oder wollen sich Design nicht leisten. Sie sehen den Mehrwert nicht. Wehren sich dagegen. Dabei tut Design allen gut.

Der Begriff Design führt häufig zu Missverständnissen. Was verstehen Sie darunter?

Eigentlich ist das sehr einfach. Denn alles in unserer Lebenswelt muss gestaltet werden. Es geht jedenfalls nicht nur darum, Dinge einfach schöner zu machen. Natürlich verkaufen sich attraktive Produkte besser. Das ist klar. Aber im Idealfall hat der Designer den Drang, etwas zu verbessern. Das kann auch ein Produktionsprozess in einer branchenfremden Firma sein. Designer können Unterschiede machen. Aber das ist oft schwer zu kommunizieren.

Versuchen Sie es.

Ich mache neben Möbeln auch Industriedesign und arbeite eng mit Konstruktionsabteilungen der jeweiligen Firmen zusammen. Da fängt es schon an. Viele mögen nicht, dass ein Externer ihnen über die Schulter schaut. Dabei sehen diese häufig eher, was sich in einem über Jahre eingeschliffenen Ablauf ändern ließe. Zum Beispiel durch die Auswahl neuer Technologien oder Materialien. Grundsätzlich gilt: Geräte werden dünner, feiner, kleiner. Manchmal ist es Millimeterarbeit, die den Unterschied macht. Lacke müssen nicht mehr so dick aufgetragen werden, im Spritzguss können Materialstärken reduziert werden, manchmal kann durch geringere Dimensionierung sogenannte Nutzen in der Serienproduktion besser ausgeschöpft werden - das spart Geld und Zeit. Auch das kann ein Designer leisten. Aber es bedarf viel Überzeugungsarbeit. Ich bin einer, der dann da nicht locker lässt.

Haben Sie ein Beispiel?

Ich habe einmal einen Stuhl für Wilkhahn entworfen und da haben erst einmal alle die Hände über den Kopf zusammengeschlagen. Die Beinchen sind viel zu dünn, das hält niemals. Der Stuhl steht heute so wie ich es vorgeschlagen habe und alle sind zufrieden. Das kann man auf alle Bereiche übertragen. Man muss wirklich Ausdauer haben und überzeugen können. Man muss den Dialog suchen.

Wie wichtig ist die Möbelmesse für Sie, um in diesen Dialog zu treten?

Für Gestalter ist sie nicht wichtig. Da geht man besser nach Mailand. In Köln steht das Verkaufen im Vordergrund, der Handel. Hier will man lieber verkaufen und nicht mit Designern reden. Dabei gibt sich die Messe viel Mühe. Sie hat ja neue Formate entwickelt.

Viele kritisieren seit Jahren den Zeitpunkt. Sie auch?

Ich finde den Zeitpunkt, so kurz nach Weihnachten, auch ungünstig. Gleich darauf findet nämlich auch die Messe in Paris statt, die immer besser und wichtiger wird. Aber es ist nicht nur das. Ich finde, die Stadt macht zu wenig aus der Messe. Sie müsste mehr in den Straßen zu spüren sein. Wie es vor vielen Jahren einmal war. Jeder erinnert sich gerne an die Partys im Rheinauhafen, an die Show von Cappellini im Eckigen Rundbau oder die Lichtinstallation von Ingo Maurer im Hohlkörper der Deutzer Brücke. Das waren Partys, da flogen am Ende die Möbel. Das gibt es leider nicht mehr.

Das könnte aber doch auch schlicht an den Kosten liegen, oder nicht?

Gut, die Firmen haben nicht mehr so viel Mittel und auch in Mailand sind die Zeiten vorbei, in denen auf den rauschenden Eröffnungsfesten der Spumante floss. Und trotzdem: Eine Möbelmesse ist doch eigentlich leicht zu kommunizieren. Das verstehen die Menschen. Man könnte mehr daraus machen.

Sie meinen, man könnte mehr machen als etwa die Passagen, die während der Messe stattfinden?

Die Passagen sind ja eine kommerzielle Veranstaltung und nur eine Möglichkeit, mit dem Thema umzugehen. Die Kosten sind für junge Designer und Unternehmen sehr hoch und die Auswahlkriterien - meines Erachtens - nicht immer überzeugend. Ich wünsche mir nicht kommerzielle Ausstellungen, die vor allem gut kuratiert sind. Ein Forum, wo sich Designer zeigen und erklären können. Auch mit Dingen, die nicht gleich für eine Serienproduktion konzipiert sind. Am liebsten im Sommer. Aber wer soll das in die Hand nehmen? Die Stadt selbst hat sicher zu wenig Geld. Es geht ganz sicher nicht ohne Sponsoren, das heißt, ohne Unternehmen, die man für Design wirklich überzeugen muss.

Designmöbel

Möbel von Degenhardt

Könnte es Ihrer Meinung nach mehr Kooperationen der Industrie mit den Nachwuchs-Designern geben?

Die gibt es ja. Auch über die wirklich guten Hochschulen, die wir hier haben. Das sind dann aber natürlich Idealbedingungen, die nach der Ausbildung nicht mehr gelten. Und die Erfahrungen, die man im kurzen Bachelor-Studium machen kann, reichen nicht aus. Wer sich gleich danach selbstständig machen will, der muss parallel auch noch andere Jobs machen.

Klingt aber nicht gerade motivierend.

Wissen Sie, auf Partys ist es immer sehr schick, wenn man sagt, dass man Möbel designt. Das kommt gut an. Das ändert sich ein wenig, wenn man erzählt, dass die Entwicklung nicht bezahlt wird und das Geld erst fließt, wenn das Produkt auch verkauft wird. Und das ist nicht so leicht. Viele Designer müssen nebenher andere Jobs machen. Ich habe auch zwischendurch immer wieder mal Baupläne gezeichnet oder gejobbt.

Durchhalten hat sich für Sie gelohnt. Heute sind Sie ein preisgekrönter Designer.

Preise, auch ein schwieriges Thema: Auch darauf wird man häufig angesprochen. Schon mal einen Red Dot gewonnen? Ja. Aber nur die Kollegen wissen, worum es dabei geht. Nicht in erster Linie um die Qualität, sondern um Geld. Es kostet Geld, sich anzumelden. Und es kostet Geld, wenn man gewinnt. Man bezahlt dafür, mit den Auszeichnungen Werbung machen zu dürfen. Das lohnt sich letztlich nur für Firmen, die es sich leisten können, überhaupt Anzeigen zu schalten.

Und was würden Sie sich für Köln wünschen?

Ich hoffe, dass erkannt wird, welches Potenzial die Szene hat. Es wäre schön, wenn man die großen, international Renommierten, die es hier gibt, auch mit den kleinen zusammenbringt. Dass man die vielen verschiedenen Disziplinen von Produkt bis Grafik vereint und die ansässigen Firmen für Design interessiert. Nach der Bestandsaufnahme sollte man sehen, wie man die Szene fördert. Mit Ausstellungsmöglichkeiten und ja, vielleicht auch mit einem Preis, der ehrlich ist. Warum nicht?

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