Mythos oder WahrheitIst Zucker wirklich ein süßer Killer oder doch harmlos?

Lesezeit 4 Minuten
Als süßes Gift verteufelt: Zucker – Was ist dran?

Als süßes Gift verteufelt: Zucker – Was ist dran?

Zucker wird immer mehr als süßes Gift verteufelt. Denn angeblich machen uns die Kristalle, die einst als weißes Gold gehandelt wurden, krank und süchtig. Auf dem Cover eines deutschen Ratgebers mit dem Titel "Zucker - der heimliche Killer" ist so auch gleich ein Revolver abgebildet. Aber ist der Stoff, aus dem Kinderträume sind, wirklich so gefährlich?

So einfach ist es nicht. Genauso wenig wie Weizen, Milch oder Fett kann man Zucker pauschal die Schuld für eine ganze Palette von Krankheiten geben. Dennoch ist für Ernährungsexperten unstrittig, dass der Durchschnittsbürger es bei Süßem übertreibt. "Wir nehmen zu viel Zucker zu uns", sagt Ernährungsmediziner und Diabetologe an der Berliner Charité Professor Andreas Pfeiffer. Hoher Zuckerkonsum erhöhe vor allem das Risiko für Übergewicht - mit all seinen Folgen, wie Diabetes & Co.

In den vergangenen Jahren lag der jährliche Zuckerverbrauch nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Schnitt bei 31 Kilo pro Kopf, also um die 85 Gramm täglich. Damit liegen die meisten Bundesbürger weit über der vertretbaren Grenze, die laut Ernährungsexperten bei zehn Prozent der Gesamtenergiezufuhr läge, also bei etwa 50 Gramm pro Tag. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist noch strenger und empfiehlt, nicht mehr als 25 Gramm täglich zu konsumieren - ein Ziel, das sich laut Experten der Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) praktisch nur schwer erreichen lasse, da kaum jemand weiß, wie viel Zucker man über den Tag hinweg verzehrt.

Zwar ist Traubenzucker (Glucose) für den Körper, allen voran fürs Gehirn, tatsächlich ein unersetzlicher Energielieferant. Da er ihn allerdings aus stärkehaltigen Lebensmitteln wie Getreide oder Kartoffeln, aber auch aus Fett und Eiweiß, selbst herstellen kann, braucht man keinen zusätzlichen Zucker.

Fruchtsäfte nein, Obst ja

Insofern beziehen sich die Empfehlungen von WHO und DGE auch auf "freien Zucker", der Lebensmitteln zugesetzt wird. Auch Honig, Sirup und Fruchtsäfte, die natürlicherweise Zucker enthalten, zählen dazu - nicht aber Obst und Gemüse. Macht nun Zucker wirklich zuckerkrank? "Das stimmt so sicher nicht", sagt Professor Baptist Gallwitz, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). "Hoher Zuckerverbrauch hat nur einen indirekten Einfluss auf die Entstehung von Diabetes."

Wer nämlich viel Süßes konsumiert, läuft Gefahr, zu viele Kalorien zu sich zu nehmen und übergewichtig zu werden. Das wiederum erhöht das Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken. "Bei der Entstehung der Krankheit spielen mehrere Faktoren eine Rolle, nämlich zu wenig Bewegung, eine zu hohe Kalorienzufuhr und die Gene", erklärt Gallwitz. Ein großes Problem sieht er in industriell gefertigten Produkten, denen Zucker zugesetzt wird. "Oft ist in Lebensmitteln Zucker enthalten, in denen er nichts zu suchen hat und wo man ihn auch nicht braucht - etwa in Krautsalat, Essiggurken oder Müsli."

Wer viel Süßes isst, isst meist weniger Gemüse und Obst, sind sich Ernährungsexperten sicher. Nimmt man dagegen viel Getreide, Obst und Gemüse zu sich, ist für Süßigkeiten nicht mehr so viel Platz. Einfache Kohlenhydrate, wie sie Zuckriges und Weißmehl liefern, sind vor allem für Menschen bedenklich, die bereits metabolisch krank sind, also Übergewicht, Bluthochdruck, schlechte Blutfettwerte und eine Insulinresistenz haben. Solche Kohlenhydrate werden nämlich schnell im oberen Dünndarm gespalten und aufgenommen. Pfeiffer: "Glukose bewirkt eine Hormonausschüttung, die den Stoffwechsel ungünstig beeinflusst." Unter anderem werde das Hormon GIP (Glukoseabhängiges insulinotropes Peptid) aktiviert, das letztlich die Entstehung von Übergewicht fördert. Fruchtzucker (Fruktose), der in der Industrie inzwischen häufig als Süßungsmittel eingesetzt wird, sei - trotz seines harmlos oder gar gesund klingenden Namens - besonders tückisch. "Er bewirkt zwar keine Hormonausschüttung, muss aber direkt in der Leber verarbeitet werden", sagt Pfeiffer. Fruktose in großen Mengen kann dazu führen, dass Fett in der Leber eingelagert wird und so eine Fettleber entsteht. Außerdem kommt es leicht zu stark erhöhten Harnsäurewerten im Blut.

Steuer für Limo & Co.

Ernährungsexperten nehmen daher an Lebensmitteln Anstoß, denen Fruktose zugesetzt wurde, vor allem Limonaden und Nektar. Denn zuckergesüßte Getränke wie Softdrinks hinterlassen kaum ein Sättigungsgefühl. Die WHO rät daher dazu, zuckerhaltige Getränke mit einer Sondersteuer von bis zu 20 Prozent zu belegen. Die DDG fordert gar, zuckerhaltige Lebensmittel generell zu besteuern und gesunde steuerlich zu entlasten.

Ob Zucker süchtig macht, ist umstritten. Eindeutig ist allerdings, dass er eine "gewisse Attraktion" für uns ausübt, wie es Pfeiffer ausdrückt. Und der dürfen normalgewichtige Menschen gelegentlich schon mal nachgeben. Wer aber eine Weile auf Süßigkeiten verzichtet, der findet Süßes oft nicht mehr so attraktiv - weil es plötzlich schrecklich süß schmeckt.

Mythen & Wahres

Honig ist eine gesunde Alternative zu Zucker! Nicht unbedingt. Bezüglich seines Kaloriengehalts steht Honig genauso wie Agavendicksaft kaum besser da als weißer Haushaltszucker. Allerdings braucht man ein wenig weniger zum Süßen und Honig ist ein reines Naturprodukt. Er enthält in geringen Mengen also auch Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe.

Brauner Zucker ist gesünder als weißer: Kaum. Die braunen Varianten sehen zwar vertrauenerweckender aus, haben aber ebenso viele Kalorien wie gewöhnlicher Haushaltszucker - und können genauso zu Karies und Übergewicht beitragen. Vollzucker und Vollrohrzucker enthalten noch Reste von Melasse, ein Sirup, der bei der Zuckerproduktion entsteht. Daher finden sich auch Mineralstoffe und Vitamine in diesen Zuckersorten, doch nur in unbedeutenden Mengen. Der wesentliche Unterschied ist ihre leicht malzige Geschmacksnote.

Süßstoffe machen krank Stimmt so nicht. Der schlechte Ruf, den Stoffe wie Aspartam und Saccharin haben, ist laut DGE unbegründet - Dass Süßstoffe gesundheitliche Nachteile haben, ist wissenschaftlich widerlegt. Da sie praktisch keine Kalorien haben, können sie eine Übergangslösung für Menschen sein, die abnehmen wollen. Langfristig ist es aber besser, sich den süßen Geschmack abzugewöhnen. Auf Dauer schmeckt Tee und Kaffe auch ohne Zucker.

Rundschau abonnieren