Ratgeber ErnährungMit der Kraftquelle Eiweiß gesund altern
Mit 40 wäre der Zeitpunkt optimal, mit 50 geht es auch noch, mit 60 ist es dann aber wirklich höchste Zeit, endlich dafür zu sorgen, dass das Altern so lebenswert wie möglich vonstatten geht. Dass das möglich ist, ist kein frommer Wunsch und schon gar nicht der abstruse Anspruch, die letzten Meter bis zum Grab noch joggend zurücklegen zu müssen. Denn es gibt einige wichtige Eckpunkte der Vorsorge, die genau dann greifen, wenn es eben nicht mehr so klappt wie in jungen Jahren, wenn die ersten Einschränkungen und Krankheiten jeden von uns zwingen, einzusehen, dass man sich anders aufstellen muss. Professor Ralf-Joachim Schulz, Chefarzt im St.-Marien-Hospital in Köln mit dem Schwerpunkt Geriatrie, und Rudi Rink, der seit 25 Jahren Erwachsene trainiert, wissen, welche Maßnahmen wirklich etwas bringen.
Die Muskeln sind der größte Energiespeicher
Am besten man beginnt mit dem Angenehmsten - dem Essen. Spätestens ab 60 spielen Eiweiße eine Hauptrolle auf dem Teller, denn, so Schulz: "Durch schlechte Ernährung wird der Alterungsprozess deutlich beschleunigt. Die Muskulatur nimmt ab. Aber unsere Muskeln sind nun mal der größte Energiespeicher. Damit zum Beispiel das Immunsystem Eiweißkörper als Abwehrstoffe produzieren kann, braucht der Körper Muskelmasse, um länger gesund zu bleiben."
Dabei gibt es gibt eine Faustrege: Mindestens 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Besser noch für die Organe ist es, diese tägliche Ration auf bis zu zwei Gramm pro Körpergewicht zu erhöhen. Das heißt: Viel Fleisch, Fisch, Käse, Magerquark, Eier und Gemüse essen, Kohlenhydrate, wie Brot, Reis, Kartoffeln in Maßen. Wobei Schulz rät, die Beilagen nicht zu unterschätzen: "Vor allem sollte man auf pflanzliche Eiweiße in größeren Mengen achten. Sie liefern nämlich nicht nur Eiweiß, sondern Antioxidantien und Vitamine.
20 Minuten Atemlosigkeit
"Nun wäre es ja wirklich schade, wenn man seinen dank Eiweiß wohlgenährten Muskeln und dem mit zunehmendem Alter oftmals gelangweilten Gehirn nichts zu tun gäbe. "20 Minuten am Tag sollte man japsen", schlagen Rudi Rink und Ralf-Joachim Schulz vor. Der eine hechelt schon, wenn er etwas schneller die Treppen hinauf steigt, der andere braucht mehr Anreize. Egal was man tut, Hauptsache man schnappt nach Luft.
Und das soll selbst im gesegneten Alter gesund sein? Ja, und zwar aus mehreren Gründen. Schulz: "Bei Anstrengung kommt der Körper in eine Glas-Wein-Stimmung. Er wird gedopt durch Glückshormone, die dafür sorgen, dass der Knochen nicht vor Schmerz aufschreit oder die Muskeln zucken, weil ich mich so gequält habe." Herzmuskel und Lunge schätzen die täglichen 20 Minuten Atemlosigkeit. Die Lunge schon allein deshalb, weil der Zwerchfellmuskel und die Muskeln zwischen den Rippen für eine gesunde Atmung intakt sein müssen. Dank dieser Muskelkraft kann man den Brustkorb und damit die Lunge aufdehnen und sie belüften. Wenn nicht, dann verklebt die Lunge vor allem im unteren Bereich, weil die Lungenspitzen zu wenig Sauerstoff bekommen und verkümmern.
Kreislauf der Unterversorgung
Damit setzt sich der Kreislauf der Unterversorgung unaufhaltsam in Gang: Wer nicht tief genug atmet, versorgt auch das Herz und die anderen Organe, die Muskeln und das Gehirn mit zu wenig Sauerstoff. Zudem sind Muskeln untereinander und mit den Organen verbunden. Schwindet die Muskelkraft, leiden die Organe. Rudi Rink empfiehlt als leichte Einstiegsübung für Kopf und Körper: "Mit einer Hand leicht oben auf den Kopf schlagen, mit der anderen Hand in kreisenden Bewegungen den Bauch massieren." Diese motorische Herausforderung löst bei vielen bereits große Ratlosigkeit und tiefe Verzweiflung aus, wenn es trotz höchster Konzentration nicht klappt. Wer übt, schafft es aber binnen kurzer Zeit ganz locker. Genauso schnell lernbar - meist nach einer Reihe von Fehlversuchen - Rudi Rinks Geschicklichkeitsübung: Einen Bleistift oder Kuli zwischen zwei Fingern halten und Stück für Stück zwischen den beiden Fingern langsam hoch und runter hüpfen lassen, ohne dass der Stift fällt.
Rink: "Wer dabei Probleme hat, sollte dringend loslegen, damit die Trägheit des Gehirns und die verzögerten Reaktionen überwunden werden." Jede Form von Bewegung und Koordination fordert vom Gehirn eine komplexe Leistung, die ganz anders geartet ist als der alltägliche Denk-Ablauf. Wer sich damit rausreden will, dass er nicht mehr so springen und denken könne wie mit 20, dem sei gesagt, dass sich Muskeln fortwährend bis zum Lebensende erneuern, und dass Verbindungen im Gehirn, die berühmt-berüchtigten Synapsen, sich egal in welchem Alter neu bilden können.
Vorausgesetzt man gibt Muskeln und Synapsen Gelegenheit dazu. Trainer Rudi Rink weiß aus seinem sportlichen Alltag, dass immerhin 44 Prozent der über 65-Jährigen regelmäßig Sport treiben. Ein 75 Jahre alter Teilnehmer sagte ihm beim Krafttraining: "Ich will möglichst fit in die Kiste. " Der Mediziner Schulz kennt auch die Gegenseite, nämlich die, die sich ab Mitte 50 und spätestens ab Eintritt ins Rentenalter nichts oder zu wenig zutrauen.
Rentner haben nie Zeit. Warum?
"Vor allem die, die auf die 65 hinarbeiten mit der Aussage: Dann fängt mein Leben an, ich schlaf endlich aus und mach, was ich will." Das sieht dann meistens so aus, dass Rentner vorgeben, keine Zeit mehr zu haben. "Die Menschen vertrödeln ihren Tag und verkürzen sich die Zeit des Lebens künstlich", so Rink. Besser wäre es für Körper und Psyche, wenn man die Tagesstruktur auch im Rentenalter beibehält: Also morgens wie gehabt um 7 Uhr aufstehen und den Tag gestalten, um den geistigen und körperlichen Abbau hinauszuzögern. 40- und 50-Jährigen sieht man oftmals nicht an, dass der Muskelabbau schon längst eingesetzt hat. "Meist sieht man noch kräftig aus, der Körperumfang hat zugenommen. Doch nicht die Muskeln sind die Ursache, sondern das Fett zwischen den Muskelfasern.
Fett ist sicherlich eine der Energieressourcen für schlechte Zeiten im hohen Alter. Wenn allerdings versteckt der Muskelabbau damit einher geht, muss man hellhörig werden," warnt Schulz. Mit einem speziellen Messgerät, das auch in der Osteoporose-Diagnostik eingesetzt wird, kann man die Fläche seiner Muskulatur berechnen lassen.
Medikament gegen Muskelschwund
Die Pharma-Forschung arbeitet derzeit an Medikamenten, die den krankhaften Muskelschwund aufhalten sollen. Getestet wird, ob man die körpereigenen Hormone blockieren kann, die den Muskelabbau steuern. "Bis das Medikament zugelassen wird müssen wir den mühsamen Weg der Bewegung gehen", so Schulz.
Das ist vor allem denen zu empfehlen, die die Angst vor dem Alter umtreibt. Dagegen hilft nur, "das Altern als einen Zustand wahrzunehmen, in dem ich momentan lebe, und sich klarzumachen, dass ich das Altern gestalten kann, indem ich mit 40 oder 50 die sozialen Kontakte stabilisiert habe, mit denen ich älter werden will." Und, so Rudi Rink, den Sessel im Wohnzimmer mal kräftig hin und her zu schieben und sich erst danach ins Polsterfallen zu lassen.
Eisweiss-Richtwerte
Protein ist der Muskelaufbaustoff. Wer mit Sport abnehmen will, sollte auf die Kohlenhydrat-Zufuhr und die Eiweißaufnahme achten. Als Faustregel gilt: Vor dem Training sollte man auf eiweißhaltige Lebensmittel zurückgreifen und nach dem Training auf schnell verfügbare Kohlenhydrate verzichten. So nutzt man den Nachbrenneffekt der Muskulatur. Bekommen die Muskeln nämlich keine Kohlenhydrate, bedienen sie sich hauptsächlich aus dem Fettstoffwechsel. Wer 70 Kilo wiegt, sollte am Tag 90 Gramm Eiweiß essen. 200 Gramm Erbsen haben zwölf Gramm, 100 Gramm Magerquark 13 Gramm, ein Ei sieben Gramm und 200 Gramm Linsen 24 Gramm Eiweiß. (eva)
Veranstaltungstipp
Kraftvoll durchs Leben Donnerstag, 18. Mai, 19 Uhr im studio dumont, Breite Straße 72, Einlass 17 Uhr
Experten Prof. Dr. Ralf-Joachim Schulz, Geriater und Chefarzt des St.-Marien-Hospitals in Köln und Rudi Rink, Erwachsenen-Trainer mit Schwerpunkt Kraft, Koordination und FitnessModeration Marie-Anne Schlolaut
Karten 14,75 Euro, Abocard 12,75 Euro - inkl. VVK-Gebühren ? 0221/ 2801? 0221/ 28 03 44 (Abocard)
www.koelnticket.dewww.abocard.de/ticket
Zum Mitnehmen
"Die zehn Gebote für Altersfitness" - zusammengestellt von Ralf-Joachim Schulz und eine Liste mit dem Eiweißgehalt wichtiger Lebensmittel.
Zum Testen im Foyer
Handkraftmesser: Gemessen wird die Kraft bei Männern und Frauen. Anhand des Ergebnisses lassen sich Rückschlüsse auf möglichen Muskelschwund ziehen
Vibrationsplatte: Demonstriert wird die Stärkung der Haltemuskulatur im Rücken - sowie Übungen mit Theraband und Flexibar.
Sabrina Welters , examinierte Physiotherapeutin und Masseurin am St.-Marien-Hospital ist an diesem Abend ebenfalls Rede und Antwort.