Zum 200. Todestag von Jane AustenIm Zweifel für die Liebe

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Köln – Zeit ihres Lebens musste sich Jane Austen Gedanken über Geld machen: Nach dem Tod des Vaters 1805 war die Autorin zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Cassandra darauf angewiesen, von den Brüdern finanziell unterstützt zu werden. Der einzige gesellschaftlich anerkannte Ausweg für die jungen Frauen wäre die Ehe gewesen. Doch Cassandras Verlobter starb, und Jane nahm zwar einen Antrag an, zog die Zusage aber am nächsten Morgen zurück.

Jane Austen versuchte stattdessen, mit ihren Büchern zumindest ein wenig Geld zu verdienen, zu ihren Lebzeiten kamen so 684 Pfund und 13 Schilling zusammen. Nun ehrt die Bank of England die heute weltberühmte Autorin 200 Jahre nach ihrem Tod am 18. Juli 1817, indem ihr Portrait ab September die Zehn-Pfund-Note zieren wird.

Und das Geld spielt in ihren Romanen eine entscheidende Rolle – immer in Kombination mit einer möglichen Eheschließung. Meistens ist auch das Geld der Grund, der einer Verbindung im Wege steht: weil der eine zu viel, der andere zu wenig hat – oder sie beide nicht genug mit in eine Ehe einbrächten, um ihrem Stand gemäß leben zu können. Ganz zu schweigen von all den Kröten, die im Zweifelsfall im Tausch für die finanzielle Absicherung geschluckt werden müssten – oder eben lieber nicht.

Kaum ein Autor hat sich den Satz „Schreibe über das, was du kennst“ so sehr zu Herzen genommen wie Jane Austen. Sie wurde am 16. Dezember 1775 als siebtes von acht Kindern in Steventon (Hampshire) geboren, der Vater war Pfarrer. Jane und Cassandra, die einzigen Mädchen der Familie, standen sich naturgemäß nahe, die älteren Brüder verkörperten stets auch eine intellektuelle Herausforderung für die Zweitjüngste, die in ihren Teenagerjahren als stille Beobachterin beschrieben wird.

Bei den Austens wird viel gelesen, viel diskutiert, zwei der Brüder geben an der Universität in Oxford eine literarische Zeitung heraus, für die auch die 13-jährige Jane einen Beitrag schreiben darf. Und es entstehen „Juvenilia“, Prosastücke verschiedener Länge, Übungen, an denen sich aus heutiger Sicht die Entwicklung der Autorin ablesen lässt. Und die in der Familie dazu beitragen, dass man Janes Schreiben akzeptiert. Auch in späteren Jahren wird sie von ihrer Familie unterstützt, in dem man ihr den Rücken freihält und etwa ihr Bruder Henry die Verhandlungen mit Verlegern übernimmt. Und dennoch: Für ganz sittsam halten es die (männlichen) Familienangehörigen nicht, dass sie mit ihrem Schreiben Geld verdienen will. Frauen der „Gentry“, des niederen Landadels, arbeiten im Prinzip nicht für Geld.

Die akzeptierte Ausnahme, wenn sich keine andere Möglichkeit findet, ist die Gouvernantenschaft, von Jane Austen in „Emma“ auch mit den Schattenseiten thematisiert. Denn während die Erzieherin der Heldin, Mrs. Weston, ein angesehenes und geliebtes Mitglied des Woodhouse-Haushaltes ist, weiß die Waise Jane Fairfax, dass ihr das Schicksal einer einen Hauch besser gestellten Bediensteten drohen kann.

Und obwohl es bekannte Autorinnen zu Austens Zeit gibt, wie Maria Edgeworth oder Madame de Staël (die übrigens vier Tage vor Austen starb), ließ sie ihre Bücher mit dem Vermerk „By a Lady“ veröffentlichen. Auch auf ihrem Grabstein in der Kathedrale von Winchester wird sie nicht als Schriftstellerin gewürdigt. Erst eine später angebrachte Messingtafel merzt dieses in Marmor gemeißelte Verschweigen aus. Es ist wohl eine Mischung aus der eigenen Ansicht von Schicklichkeit und dem Wunsch, ungestört leben und arbeiten zu können.

Nach dem Erfolg von „Sense and Sensibility“ (1811) und „Pride and Prejudice“ (1813) sprach sich dennoch herum, wer die „Lady“ ist und vermittelte Jane Austen einen ersten Eindruck, was Popularität mit ihrem beschaulichen Dasein anstellen könnte: Etwa als sie der Bibliothekar des Prinzregenten nötigte, diesem doch ihr nächstes Buch zu widmen, weil er ein so großer Fan sei.

Gerade die Ruhe des Landlebens muss ihre Schreibtätigkeit beflügelt haben, wenn man die eher unproduktive Zeit betrachtet, während der sie ab 1800 in Bath oder Southhampton leben musste. Erst als sie mit Mutter und Schwester 1809 Chawton Cottage, dem heutigen Sitz des Jane Austen’s House Museums, bezieht, setzt sie sich intensiv mit den ersten zwischen 1795 und 1797 entstandenen Fassungen von „Sense and Sensibility“ und „Pride and Prejudice“ auseinander, überarbeitet sie grundlegend und veröffentlicht sie 1811 und 1813.

In den nächsten Jahren entstehen „Mansfield Park“ (1814) und „Emma“ (1815), „Persuasion“ schließt sie 1816 ab. Es wird aber erst nach ihrem Tod gemeinsam mit dem um 1803 entstandenen „Northanger Abbey“ Ende 1817 von ihrem Bruder Henry herausgebracht, der auch in einem Vorwort zu letzterem Buch die Identität seiner Schwester preisgibt – sicherlich nicht zuletzt, um den Verkauf der Bücher anzukurbeln.

Auf die Frage, warum Jane Austens Bücher heute immer noch so populär sind, warum ihre Stoffe, die von ihr geschaffenen Figuren viele andere Autoren zu weiteren Büchern oder Filmen inspiriert haben, gibt es letztlich wohl nur eine schlichte Antwort: Sie sind einfach gut. Gut konzipiert, gut ausgeführt. Und hinter den Liebesgeschichten stecken so viele Informationen über die Gesellschaft der Zeit, über Regeln und Gepflogenheiten.

Und Austen, die eigentlich konservativ ist, lässt ihre Charaktere Grenzen austesten. Wie weit kann Elizabeth Bennet in „Pride and Prejudice“ gehen, bis ihre scharfzüngigen Bemerkungen als schlechtes Benehmen eingestuft werden? Für Lady Catherine de Bourgh ist im Prinzip jede selbstbewusste Äußerung ein No-Go, ihr Neffe Fitzwilliam Darcy hingegen verliebt sich nicht zuletzt in Elizabeths unabhängigen Geist.

Und während in den ersten fünf Romanen die Heldinnen die soziale Leiter durch ihre Heirat aufsteigen oder man im Falle von Emma und Mr. Knightley auf der gleichen Stufe bleibt, wird dies im letzten Roman auf den Kopf gestellt. In den Augen von Anne Elliots Vater und Schwester sind Captain Wentworth und sein Schwager Admiral Croft Emporkömmlinge, die ihr Geld auf See gemacht haben und nun finanziell weitaus besser dastehen, als der Baronet, der nicht mit Geld umgehen kann und nun sein Anwesen an den Admiral vermieten muss.

„Ein gut umzäunter, äußerst gepflegter Garten, mit ordentlich gezogenen Grenzen und filigranen Blumen“ lautet Charlotte Brontës Negativ-Urteil über „Pride and Prejudice“. Doch wer einen Garten hat weiß, wie viel Arbeit dessen Pflege bedeutet. Und um im Bild zu bleiben: Jane Austen hatte wahrhaftig einen „grünen Daumen“!

Oft wird ihr auch vorgeworfen, die Bücher seien losgelöst von der Zeit (wenn auch nicht vom Raum). Doch gerade in „Persuasion“ greift sie die aktuellen Entwicklungen auf, die die Mitglieder der Marine nach den Napoleonischen Kriegen die soziale Leiter emporsteigen ließen.

Im nicht vollendeten Roman „Sanditon“ wird mit der Figur Miss Lambe eine „Halb-Mulattin“ eingeführt, die von den Westindischen Inseln stammt. Was Jane Austen mit der jungen Dame vorhat, erfahren wir nicht mehr, Mitte März 1817 muss sie die Arbeit abbrechen – ihre Krankheit setzt den Schlussstrich unter die amüsante Geschichte über ein aufstrebendes Seebad.

Schon im Verlauf des Jahres 1816 hatte Jane Austen gesundheitliche Probleme, heute nimmt man an, dass sie an einer Nebenniereninsuffizienz litt, für die es seinerzeit noch keine Heilmethoden gab. Und so starb sie morgens um 4.30 Uhr am 18. Juli im Alter von gerade einmal 41 Jahren, bewacht von ihrer Schwester und besten Freundin Cassandra.

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