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Grundschulmethode„Schreiben nach Hören“ steht in NRW vor dem Aus

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Symbolbild

Düsseldorf –  NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) lehnt das Verfahren "Schreiben nach Hören" für Grundschüler grundsätzlich ab. "Das werden wir uns genau ansehen. Ich bin keine Freundin dieser Methode", sagte Gebauer unserer Zeitung. "Schreiben nach Hören" sei nur für Erstklässler sinnvoll, "nach dem Motto: Komm, schreib doch einfach mal was auf". "Danach ist diese Methode nicht mehr zielführend", sagte sie, "gerade für Kinder mit Migrationshintergrund."

Gebauer kündigte an: "Ich werde mir ansehen, wie andere Bundesländer damit umgehen. Dann treffen wir zügig eine Entscheidung." Nach Informationen unserer Zeitung soll es in den nächsten Monaten einen Vorstoß geben. In Baden-Württemberg hat 2016 Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) den Schulen geschrieben: "Methoden, bei denen Kinder monate- beziehungsweise jahrelang nicht auf die richtige Rechtschreibung achten müssen, sind nicht mehr zu praktizieren." Fast wortgleich äußerte sich 2014 der SPD-geführte Hamburger Senat.

"Schreiben nach Hören" wird unter Fachleuten meist "Lesen durch Schreiben" genannt, weil der Methode die Annahme zugrunde liegt, Schreiben gehe dem Lesen voraus. Der Ansatz wurde in den 70er Jahren vom Schweizer Pädagogen Jürgen Reichen entwickelt: Kinder sollen Lesen lernen, indem sie Wörter aufschreiben. Die Korrektur der Rechtschreibung ist zunächst nicht zentral. Das führt dann zu Sätzen wie "Di Kinda gehn in den Tso".

Vielfach schon kritisiert

An dem Verfahren gab es immer wieder Kritik. 2013 hatte etwa die FDP gefordert, "Lesen durch Schreiben" auszusetzen. Auch wissenschaftlich ist die Methode umstritten. "Wir wissen, dass Erstklässler, die mit ,Lesen durch Schreiben' lernen, rechtschreibschwächer sind als Schüler, die etwa mit Fibeln lernen", sagte Agi Schründer, Professorin für Grundschulpädagogik an der Universität Potsdam. Zwar glichen sich die Fähigkeiten bis Klasse drei oder vier wieder an. "Lesen durch Schreiben" sei aber "hochproblematisch", wenn es als einzige Methode und noch in Klasse zwei oder sogar drei eingesetzt werde. "Wichtig ist, dass die Erstklässler nicht nur frei schreiben dürfen, sondern von Anfang an auch einen orthografisch korrekten Grundwortschatz lernen", so Schründer.

In NRW ist "Schreiben nach Hören" nicht explizit in den Lehrplänen verankert. Schulen oder Lehrer entscheiden über die Anwendung. Daher liegen auch keine Zahlen vor, wie viele Kinder nach der Methode lernen. In den didaktischen Hinweisen des Ministeriums zum Deutschunterricht taucht allerdings "freies Schreiben eigener Texte" als eine von vier Säulen des Schreibenlernens auf.

Eltern reagieren mit Skepsis

Eltern sind skeptisch, was Gebauers Pläne angeht: "Die Idee, über die Abschaffung der Methode ,Schreiben nach Hören' zu einer besseren Rechtschreibung zu gelangen, ist zum Scheitern verurteilt", sagte Birgit Völxen von der Landeselternschaft der Grundschulen. Die Diskussion nur um diese Methode lasse andere Probleme außer Acht. So fehlten Lehrer, Unterricht falle aus, für Lesen und Vorlesen stehe weniger Zeit zur Verfügung, und Kinder bewegten sich immer mehr "in virtuellen Welten, in denen korrekte Rechtschreibung nicht verlangt wird".

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