BundestagswahlHält die Erfolgssträhne der AfD? NRW-Wahl als Gradmesser

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Anhänger der Partei Alternative für Deutschland (AfD).

Düsseldorf –  Ist der jüngste Erfolg der rechtspopulistischen AfD in drei Ländern temporär, oder wird er bis zur Bundestagswahl im Herbst 2017 anhalten? Als Gradmesser gilt die Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen im Mai 2017. Wie einflussreich ist die NRW-AfD unter dem umstrittenen Marcus Pretzell und dem kaum bekannten Co-Chef Martin E. Renner?

Der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler sieht die etablierten Parteien in NRW in puncto Umgang mit der AfD herausgefordert und angesichts der bundespolitischen Tragweite unter Druck. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet und FDP-Chef Christian Lindner verfolgen einen unterschiedlichen Kurs.

Inhaltlich mit der AfD auseinandersetzen

Die zweistelligen AfD-Ergebnisse in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sollten in NRW als „Hallo-Wach-Tabletten“ wirken, meint Häusler, Experte für Rechtspopulismus-Forschung. Er rät allen demokratischen Landesverbänden: „Sie müssen sich inhaltlich konfrontativ mit der Rechtsaußen-Partei auseinandersetzen und zeigen, dass die AfD ein zerstrittener Haufen und realpolitisch nicht handlungsfähig ist.“ Das Abschneiden in NRW sei von enormer Bedeutung.

Die aktuellste Umfrage sieht die NRW-AfD, den mit rund 4000 Mitgliedern stärksten Landesverband, bei zehn Prozent. Ziel sei ein zweistelliges Ergebnis, betont der 42-jährige Jurist Pretzell in Düsseldorf. Er wolle als Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen und habe seine Bereitschaft zur Kandidatur bereits bekundet. In Nordrhein-Westfalen brenne seiner Partei einiges auf den Nägeln, darunter eine „qualifizierte Ausbildung unserer Kinder.“

Notfalls Schusswaffen-Gebrauch

Pretzell gilt als maßgeblich mitverantwortlich für den Rechtsruck der Gesamt-AfD. Der Lebensgefährte der Bundesvorsitzenden Frauke Petry bezeichnete die AfD auch als „Pegida-Partei“. Ende 2015 sorgte er für Empörung. Bei einem gewaltsamen Grenzübertritt von Flüchtlingen sei notfalls Schusswaffen-Gebrauch gerechtfertigt. Wenig später machte sich Petry diesen Standtpunkt zu eigen und sagte in einem Interview, Polizisten müssten illegalen Grenzübertritt verhindern, „notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen. So steht es im Gesetz“.

Für Pretzell blieb die Äußerung nicht ohne Folgen: Dem Europa-Parlamentarier droht der Rauswurf aus der EU-skeptischen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR), in der die britischen Konservativen von Premier David Cameron die größte Gruppe stellen. Pretzell gibt sich so uneinsichtig wie gelassen: „Ich sehe keinen Grund, die Fraktion zu verlassen.“

Interne Querelen um Pretzell

Um den 42- Jährigen hatte es in NRW interne Querelen gegeben, zudem Schlagzeilen über chaotische Zustände im Landesvorstand. Zwei Spitzenleute legten im Mai 2015 ihre Posten aus Protest gegen seine Amtsführung und aus Sorge vor einem Rechtsruck nieder. Wenig imageförderlich zudem: Pretzell hatte eine Steuerschuld nicht beglichen, das Finanzamt pfändete die Summe über das AfD-Parteikonto.

Die Arbeitsteilung der aktuellen Doppelspitze läuft nach Einschätzung des Sozialwissenschaftlers Häusler so: Pretzell strickt mit an den bundespolitischen Leitlinien und ist auf Europa-Ebene aktiv. Co-Chef Renner macht die Arbeit in NRW. Der 61-Jährige vertrete einen „Neurechtsaußen-Flügel“. Dieser sei eine Art „Sollbruchstelle von der demokratischen zur radikalen Rechten“, die für eine „völkisch-nationalistische Stoßrichtung stehe“.

Im Internet klagt Renner über einen „verantwortungslosen Umgang der etablierten, politischen Parteieliten mit unserem Staatswesen, unseren Steuergeldern und unseren Souveränitätsrechten“. Und über einen „überbordenden Brüsseler Verwaltungs- und Beamtenmoloch“. Der offizielle Kurs des Landesverbands lässt sich schwer ausmachen. Ein Parteiprogramm gibt es für die AfD in NRW nicht.

Mimen die biederen Saubermänner

Wie halten es die anderen mit der AfD? NRW-Regierungschefin Kraft sagt, sie gehe nicht in TV-Talkrunden mit der AfD. „In Talkshows mimen sie die biederen Saubermänner und in sozialen Netzwerken und auf Marktplätzen sind sie rechte Hetzer der allerübelsten Sorte.“ FDP-Chef Lindner spricht von einer Partei, „die völkisch denkt, die Rassenpolitik macht.“ Er will „einen Keil zwischen die AfD und ihre Wählerschaft“ treiben, die AfD-Wähler nicht „dämonisieren“. CDU-Bundesvize Laschet hält ein offensives Stellen und Entlarven mit Argumenten für geboten.

Schafft es die AfD in NRW? Das hängt auch davon ab, ob das Flüchtlingsthema weiter so relevant bleibt und die Unzufriedenheit bestimmter Gruppen mit dem „politischen Normalbetrieb“ anhält, betont Häusler. „Nordrhein-Westfalen ist ein von hoher Zuwanderung geprägtes Land und bisher kein gutes Pflaster für radikale rechte Parteien.“ (dpa)

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