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„Für Jamaika fehlt mir die Fantasie“Katrin Göring-Eckardt über Diesel und Superreiche

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Unübersehbar im Wahlkampfmodus: Katrin Göring-Eckardt, Spitzenkandidatin der Grünen, vor einem grünen Hybrid-Auto mit Wahlwerbung.

Köln – Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt will im Falle einer Beteiligung der Grünen an einer künftigen Bundesregierung eine Vermögensteuer für Superreiche in Deutschland einführen. Mit ihr sprach Holger Möhle.

Frau Göring-Eckardt, freuen Sie sich auf die nächste GroKo?

Man hatte bei dem TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz irgendwann den Eindruck: Die spielen hier 'Verbotene Liebe'. Es war kaum zu übersehen, dass sich Martin Schulz um die große Koalition beworben hat. Seit dem Duell ist deutlich: Die Richtung der Bundesrepublik wird beim Rennen um Platz drei entschieden, also bei den kleinen Parteien.

Warum braucht eine nächste Bundesregierung die Grünen?

Es geht um die Existenzfrage des Weltklimas und somit um die Rettung dieses Planeten. Meinen Kindern und meinen Enkelkindern, von denen ich inzwischen fünf habe, möchte ich einmal sagen: Ich habe alles dafür getan. Die Bundesregierung muss dringend das Weltklimaabkommen von Paris umsetzen und dazu aus der Kohle aussteigen, und zwar bei den 20 dreckigsten Kraftwerken sofort. Wir brauchen eine Verkehrswende, sodass die Luft nicht weiter mit betrügerischem Diesel vernebelt wird. Wir brauchen eine andere Landwirtschaft, damit wir wissen, was wir auf dem Teller haben. Und die Politik muss dafür sorgen, dass die Gesellschaft zusammenbleibt. Wenn in Deutschland jedes fünfte Kind in Armut lebt, ist das nicht akzeptabel.

Ab welchem Ergebnis wäre Jamaika für Sie zu riskant?

Moment, schauen Sie sich an, wofür die FDP steht: Gegen Klimaschutz, gegen Abgas-Grenzwerte, gegen Mindestlohn und Mietpreisbremse. Für Jamaika fehlt mir die Fantasie. Christian Lindner setzt auf Schwarz-Gelb. Was Schwarz-Gelb bedeutet, erleben wir gerade in Nordrhein-Westfalen. Investitionen in Windräder sind faktisch komplett gekappt. Solche rückwärtsgewandte Energiepolitik ist mit uns im Bund nicht zu machen. Klar ist, wir wollen für Veränderung sorgen und den Stillstand der großen Koalition beenden. Also müssen wir stark werden. So einfach ist das.

Kommt im Falle einer Regierungsbeteiligung eine Vermögensteuer, wie ihn der Grünen-Bundesparteitag in Münster beschlossen hat?

Die Vermögensteuer für Superreiche steht in unserem Programm. Wir werden in Koalitionsgesprächen klarmachen, dass die neue Regierung eine verfassungskonforme Regelung dafür erarbeiten soll.

Wann ist jemand superreich?

Da muss er schon mehrere Millionen Euro besitzen. Das genau zu definieren, ist Teil der Regelung, von der ich sprach.

Warum kommt Ihre Partei auch bei einem urgrünen Thema wie dem Diesel-Skandal nicht nach vorne?

Welche Nachrichtensender schauen Sie? Im Moment fragen die Autofahrer vor allem: Was ist mit meinem Diesel? Bekomme ich Schadenersatz? Wir Grüne fordern, dass betrogene Kunden Schadenersatz bekommen, sowie die Möglichkeit von Sammelklagen, die Union und SPD bislang abgelehnt haben.

Eine Bundesumweltministerin Göring-Eckardt wäre für Fahrverbote?

Ich möchte Fahrverbote verhindern, aber die Politik hat die Pflicht, für lebenswerte Städte zu sorgen. Ich bin für saubere Luft in den Städten ohne Fahrverbote, denn das schadet den Handwerksbetrieben und Pendlern. Die Blaue Plakette ist dazu eine Möglichkeit - eine Notfall-Lösung. Die Diesel müssen auf Kosten der Hersteller so nachgerüstet werden, dass die Fahrzeuge die Grenzwerte auch einhalten. Mittelfristig braucht es aber eine Verkehrswende, das heißt Nahverkehr ausbauen und emissionsfreie Autos fördern.

Deutschland hat bei der Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge große Hilfsbereitschaft bewiesen. Inzwischen heißt es: Grenzen dicht. Schaffen wir all das nicht mehr?

Grenzen dicht ist noch nett formuliert. Deutschland betreibt Abschottungspolitik und liefert Waffen an einen Diktator im Tschad, damit er uns die Leute vom Leib hält. Doch, wir können es schaffen. Dazu gehört die Integration jener Flüchtlinge, die hier sind. Wir müssen diese Menschen fit für unseren Arbeitsmarkt machen. Wir brauchen Kontingente, die das UN-Flüchtlingshilfswerk festlegt, für Menschen, die nach Europa kommen können, und wir brauchen eine bessere Verteilung der Flüchtlinge in Europa.

Die Union will in der nächsten Legislaturperiode die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären...

Ich bin dafür, dass die Menschen, die aus diesen Ländern kein Asyl bei uns bekommen, zurückkehren - und zwar schnell. Das klappt aber nicht, indem man die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt, sondern es klappt dann, wenn man mit den Regierungen dieser Länder verhandelt, dass sie ihre Staatsangehörigen zurücknehmen müssen. Da hat die jetzige Bundesregierung bislang total versagt. Tunesien beispielsweise könnte Visa für junge Menschen bekommen, die in Europa studieren wollen, wenn es im Gegenzug Landsleute zurücknimmt, die bei uns kein Bleiberecht haben.

Am 25. September 2017 wachen Sie mit welchem Gefühl auf?

Dann wache ich mit dem Gefühl auf, dass wir richtig gut was geschafft und eine Regierungsperspektive haben, um an einer guten Zukunft für unser Land zu arbeiten. 

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