FDP-Chef im Interview„Wir definieren neu, was Schwarz-Gelb ist“

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Christina Lindner

Christian Lindner (Archivbild).

Köln – Wenn es um die Interessen des Landes NRW geht, sei die FDP auch bereit zum Konflikt mit dem Bund, erklärt der Bundes- und Landesvorsitzende der Partei Christian Lindner im Interview. Mit ihm sprach Michael Bröcker.

Herr Lindner, CDU und FDP haben erste Koalitionsgespräche geführt. Ist die CDU nun wieder Ihr Wunschpartner?

Die FDP behält ihren eigenen Kopf. Beide Parteien haben auf Koalitionsaussagen verzichtet. Die CDU hat sogar vor der Wahl der FDP gewarnt. Ich habe diese Kampagne sportlich genommen, weil wir als eigenständige Kraft gewinnen wollten. Eine Koalition aus FDP und CDU hätte den Vorzug, dass Wahlgewinner ohne Futterneid ihre jeweils besten Ideen einbringen.

Sie zieren sich also nicht mehr.

Es ist eine Legende, dass wir uns je geziert hätten. Es irritiert nur manche, wenn die FDP sich nicht mehr bedingungslos zum Mehrheitsbeschaffer machen lässt. Wir übernehmen aber gerne Verantwortung, wenn es einen Richtungswechsel gibt. Darüber sprechen wir.

Wie war die Stimmung?

Konstruktiv und freundschaftlich.

Schwarz-Gelb ist nicht gerade ein Lieblingsbündnis der Deutschen, die Erinnerungen an den Bund sind nicht so gut.

Es wird keinen Aufguss früherer Koalitionen geben. Die Zeiten haben sich geändert, und die Freien Demokraten auch.

Wir definieren neu, was Schwarz-Gelb ist. Für mich eine Koalition, die das Land freier, weltoffener und digitaler, aber ausdrücklich auch fairer macht. In den Ergebnissen sollte die soziale Verantwortung von Schwarz-Gelb besser sein als die Rhetorik von SPD und Grünen. Rot-grüne Bildungsgerechtigkeit war, dass alle Stühle gleich wackeln und dass auf Noten verzichtet wird. Geben wir stattdessen allen jungen Menschen bessere Chancen und machen wir ihnen Lust auf Leistung. Statt die Vermögensverteilung nur zu beklagen erleichtern wir Familien den Weg zur eigenen Wohnung. Statt soziale Sicherheit über den Staat zu versprechen, ermöglichen wir gute Arbeitsplätze.

Was ist das Leitbild dieser Koalition? Aufstieg für alle?

So weit sind wir nicht. An zu viel Überbau kann man sich auch verschlucken. Mir gefällt die vorläufige Überschrift NRW-Koalition. Da wird zugleich gesagt, dass es um Problemlösungen statt Ideologie geht. Und dass wir auch bereit zum Konflikt mit dem Bund sind, wenn es um die Interessen des Landes geht. Einer Landesregierung, die nur verlängerte Werkbank der großen Koalition ist, könnten wir nicht angehören.

Was sind Ihre inhaltlichen Schwerpunkte bei den Koalitionsverhandlungen?

Dieselben wie vor der Wahl: Wir setzen uns ein für beste Bildung von der Kita bis zur Hochschule, für die Stärkung von Wirtschaftskraft und Rechtsstaat.

Das heißt die FDP will das Wirtschafts-, das Justiz- und das Bildungsministerium besetzen?

Nein. Über Posten reden wir nach den Inhalten.

Muss es ein Digitalministerium geben?

Mit dieser Forderung gehen wir in die Gespräche, ja. Eine neue Landesregierung muss die Digitalisierung mit mehr Tempo gestalten, damit die Chancen nicht an uns vorbeigehen. Die CDU scheint mir aufgeschlossen. Das Thema wird in den Koalitionsverhandlungen nämlich bereits in einer eigenen Unterarbeitsgruppe besprochen.

Auch bei CDU und FDP gibt es viele Wahlversprechen in den Programmen. Was ist verzichtbar?

Solide Finanzen müssen ein Markenzeichen von Schwarz-Gelb sein. Für bessere Bildung, mehr Polizei, mehr Investitionen wird man daher umschichten müssen. Die Schuldenbremse wird jedenfalls eingehalten.

Hält die FDP an der Einführung von Studiengebühren fest?

Die Hochschulen brauchen eine bessere Finanzierung. Daran halten wir fest. Die Zustände sind unhaltbar. Krankenkassen sagen, dass nirgendwo in Deutschland ein Studium so gesundheitsgefährdend ist wie in NRW. Das Ziel ist also die Verbesserung des Studiums, Studienbeiträge wären dafür nur ein Mittel.

In dem alten Modell?

So, dass niemand vom Studium abgehalten würde. Aber die CDU ist vor der Wahl ja geschwenkt und nun grundsätzlich dagegen. Ich lade also die CDU ein, uns alternative Ideen vorzuschlagen, wie wir die Studienbedingungen verbessern.

In der Schulpolitik können sich CDU und FDP schnell auf Wahlfreiheit für G8/G9 einigen.

Ziel ist es, dass Gymnasien zu stärken. Dann wird auch die G8/G9-Debatte entspannter geführt. Einig sind wir bei der Wahlfreiheit für die Schulen. Wir diskutieren, ob es an einer Schule beide Modelle geben kann, wie es in Hessen praktiziert wird und auf dem Land notwendig ist.

Gibt es eine Unterrichtsgarantie?

Beide Parteien wollen das. Wichtig ist, dass es im Haushaltsplan steht.

Zur Person

Christian Lindner löste 2013 Philipp Rösler als Bundesvorsitzender der FDP ab. Lindner, 1979 in Wuppertal geboren, studierte Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Philosophie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und beendete diese Zeit mit einem Magisterabschluss. Er gehört der FDP seit 1995 an. Von 2009 bis 2012 war er Mitglied des Bundestages, von 2009 bis 2011 auch Generalsekretär der Bundes-FDP. Seit 2012 ist er Landesvorsitzender und Landtagsfraktionschef der NRW-FDP. Lindner ist konfessionslos und mit der Journalistin Dagmar Rosenfeld-Lindner verheiratet.  

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