Interview mit Opfer-Anwalt„Der Papst ist scheinheilig“

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Anwalt Sergio Cavaliere (46) vertritt zehn Missbrauchsopfer in Italien. Mit ihm sprach Julius Müller-Meiningen.

Papst Franziskus ging hart mit Missbrauchstätern in der Kirche ins Gericht. Meint er es ernst?

Nein, der Papst ist scheinheilig. Die von ihm eingerichtete Kinderschutzkommission hat in drei Jahren nichts zustande gebracht. Von der Kommission stammt etwa der Vorschlag, ein Vatikangericht für vertuschende Bischöfe einzurichten. Aber seitdem ist nichts passiert. Das Gericht gibt es immer noch nicht. Der Papst muss aufräumen. Leider deutet sein Verhalten auf das Gegenteil hin.

Was meinen Sie damit?

Ich vertrete eines der Opfer des Taubstummen-Instituts Provolo aus Verona, in dem von Priestern jahrelang fürchterliche Verbrechen begangen wurden. Wir zeigten Don Nicola Corradi im Jahr 2011 an, der Vatikan wusste Bescheid. 2014 tauchten dieselben Täter in einer Taubstummen-Schule in Argentinien wieder auf. Einer der Betroffenen überreichte Papst Franziskus bei einer Generalaudienz einen Brief, in dem stand, dass die Männer unbehelligt in der Heimat des Papstes lebten. Nichts passierte. Corradi und die anderen wurden 2016 verhaftet, weil sie wieder Kinder missbrauchten.

Was verzögert die Aufklärung?

In Italien verjähren die Missbrauchstaten schnell. Die Opfer zeigen die Taten fast nie sofort an. Opferverbände fordern deshalb zu Recht, dass die Verjährung bei Missbrauch vollständig aufgehoben wird.

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