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Flüchtlingsheime in NRWHeimleiter-Skandal weitet sich aus – Wachleute ungeeignet

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Ankunftszentrum,

Symbolbild

Düsseldorf – Im Skandal um einen 19-fach vorbestraften Heimleiter der Landesflüchtlingsunterkunft Finnentrop im Sauerland, der sich zurzeit wegen des Vorwurfs der mehrfachen Vergewaltigung einer 23-jährigen Syrerin vor dem Landgericht Arnsberg verantworten muss, wächst der Druck auf NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). CDU-Oppositionschef Armin Laschet warf Jäger am Freitag "Verantwortungswirrwarr" in der Flüchtlingsbetreuung vor.

Zwei Jahre nach dem Misshandlungsskandal von Burbach, der bundesweit Schlagzeilen gemacht hatte, seien die Vorschriften in NRW noch immer nicht so, dass Asylbewerber in Landesobhut wirklich geschützt seien. "Der Innenminister muss endlich Regeln schaffen, dass es vor Ort läuft", so Laschet.

Land muss stärker auf Personal achten

Auch der Flüchtlingsrat NRW erhob schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung: "Das Land hätte stärker darauf achten müssen, wer von den Heimbetreibern als Betreuungspersonal eingesetzt wird", sagte Geschäftsführerin Birgit Naujoks. Es dürfe nicht sein, dass bei Flüchtlingen laxere Maßstäbe angelegt werden als etwa in der normalen Jugendhilfe. "Es sind Menschen, die im staatlichen Auftrag mit Menschen arbeiten", warnte Naujoks.

Die Leitung der Landesaufnahmeeinrichtung Finnentrop war im Herbst 2015 vom privaten Essener Heimbetreiber European Homecare einem 51-jährigen Niederländer übertragen worden. Wie sich in dieser Woche im Rahmen eines Vergewaltigungsprozesses gegen den Mann herausstellte, waren bei ihm zuvor bereits 19 Verurteilungen unter anderem wegen der Herstellung von Drogen, Hehlerei, Urkundenfälschung und eines Sexualdelikts aktenkundig.

Drogen, Hehlerei, Urkundenfälschung, Sexualdelikt

Bislang schieben sich Land und Heimbetreiber gegenseitig die Verantwortung dafür zu, dass der einschlägig vorbestrafte Heimleiter überhaupt eingestellt worden war. Der Niederländer soll eine junge Syrerin, die er in der Einrichtung Finnentrop kennengelernt hatte, viermal vergewaltigt haben. Das Innenministerium wollte sich am Freitag zu den Vorgängen weiterhin nicht äußern und verwies auf die Bezirksregierung Arnsberg.

European Homecare betonte in einer Mitteilung, dass man bei der Einstellung des Heimleiters "alle behördlich gewollten Vorsorgemaßnahmen getroffen" habe. So seien ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis und eine schriftliche Eigenerklärung eingeholt worden, die keinen Hinweis auf die Vorstrafen geliefert hätten. Weitergehende Nachforschungen seien Angelegenheit des Landes: "Sicherheitsüberprüfungen sind dem Wesen nach hoheitliche Aufgabe", so European Homecare.

Führungszeugnisse von Bewerbern 

Die Bezirksregierung Arnsberg erklärte dagegen, der Heimbetreiber müsse "nötigenfalls auch die Vorlage von ausländischen Führungszeugnissen von Bewerbern verlangen". Ob dies so auch im Leistungsvertrag mit European Homecare festgeschrieben worden war, konnte oder wollte ein Behördensprecher nicht sagen. European Homecare betreibt für das Land insgesamt 18 Flüchtlingsunterkünfte.

Intern wird in Regierungskreisen eingeräumt, dass es ein Fehler gewesen sei, nicht auch das Betreuungspersonal in den Asylheimen stärker von den Behörden durchleuchten zu lassen. Bislang ist eine Regelüberprüfung bei Polizei und Verfassungsschutz lediglich für Beschäftigte der Sicherheitsfirmen vorgesehen. Bei künftigen Ausschreibungen soll diese Sicherheitslücke geschlossen werden. Heimbetreiber müssen dem Land dann auch die Personalien der Betreuer übermitteln, um Fälle wie in Finnentrop zu vermeiden. Nach dem Misshandlungsskandal in der Flüchtlingsunterkunft Burbach 2014 hatte die Landesregierung einen "Acht-Punkte-Plan" für mehr Sicherheit in Asylbewerberheimen beschlossen. Seither müssen Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen ihr Einverständnis geben, vorab von Verfassungsschutz und Polizei durchleuchtet zu werden.

129 Wachleute sind ungeeignet

Seit dem Skandal um misshandelte Flüchtlinge in einer Unterkunft in Burbach vor rund zwei Jahren werden die Mitarbeiter der Sicherheitsdienste in NRW von den Behörden genauer unter die Lupe genommen. In den Heimen sind seit November 2014 nach Auskunft der zuständigen Bezirksregierung in Arnsberg mobile Kontrollteams unterwegs. Außerdem wurden rund 7000 Beschäftigte von Sicherheitsfirmen überprüft. Das sind nicht nur Wachleute, die in Flüchtlingsunterkünften eingesetzt werden. Von ihnen wurden 129 wurden als ungeeignet für die Arbeit in Flüchtlingsunterkünften eingestuft.

Neben einem polizeilichen Führungszeugnis wertet die Behörde dazu auch Erkenntnisse des Landeskriminalamtes und des Verfassungsschutzes aus. Die 129 bei der Prüfung aufgefallenen Wachleute wurden für den Einsatz in Flüchtlingsunterkünften gesperrt, weil sie beispielsweise wegen schwerer Körperverletzung vorbestraft sind oder Ermittlungsverfahren wegen Drogendelikten gegen sie laufen, teilte die Behörde mit.

In Burbach waren im Sommer erneut Wachleute der Flüchtlingsunterkunft aufgefallen, weil sie im Internet rechtsradikale, rassistische oder fremdenfeindliche Inhalte gepostet oder geteilt haben sollen. Bei sieben Wachmännern habe sich das bestätigt, sagte der Sprecher der Bezirksregierung. Sie wurden für den Einsatz in NRW-Flüchtlingsheimen gesperrt, vier verloren ihren Job. Außerdem wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. „Es läuft ein Ermittlungsverfahren gegen einen Wachmann“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen. Der Mann habe eine Losung der Waffen-SS gepostet. (dpa)

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