BilanzWas haben unsere Minister in vier Jahren geleistet?

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Merkels Kabinett

Berlin – Thomas de Maizière stand angesichts der Flüchtlingskrise durchweg im Fokus. Heiko Maas setzte sich und seine Themen medienwirksam in Szene. Ursula von der Leyen bekam Probleme. Eine Bilanz nach vier Jahren Schwarz-Rot. Wie haben sich die Minister geschlagen?

Peter Altmaier (Kanzleramt, 59, CDU)

Peter Altmaier

Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts

Der Kanzleramtsminister gilt als enger Vertrauter von Angela Merkel - und wie die Kanzlerin ist er in der Schwesterpartei CSU alles andere als unumstritten. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise gab es hinter vorgehaltener Hand immer wieder Vorwürfe, er nehme sich seiner Rolle als Flüchtlingskoordinator zu wenig an. Aus dem Kanzleramt höre man nur "inhaltslose Dauerappelle", kritisierte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Erst zuletzt, als die Bundestagswahl näher rückte und auch die CSU wieder mehr auf öffentlich demonstrierte Einigkeit setzte, geriet der Hobbykoch aus dem Saarland aus der Schusslinie der Bayern. Die fallenden Flüchtlingszahlen spielten dem Manager der Regierungsarbeit in die Karten. So dürfte er - sofern Merkels Wiederwahl gelingt - weiter im Kabinett gesetzt sein.

Katarina Barley (Familie, 48, SPD)

Katarina Barley

Familienministerin Katarina Barley (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Viel Zeit hatte Barley nicht, um sich als Familienministerin zu profilieren. Als Nachfolgerin von Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern wurde, kam sie erst im Juni ins Kabinett. Davor war sie Generalsekretärin der SPD, und in der Partei hatte es Zweifel gegeben, ob sie die richtige Wahlkampfmanagerin sei. Nach der Wahl würde sie gerne als Ministerin weitermachen. Jetzt macht die Tochter eines Briten und einer Deutschen erstmals Wahlkampf. Gesellschaftspolitisch sei die Union noch nicht in der Gegenwart angekommen, sagt sie.

Alexander Dobrindt (Verkehr, 47, CSU)

Dobrindt

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU)

Seinen Wechsel ins Verkehrsressort beschrieb der vorherige CSU-General scherzhaft als "Resozialisierung". Hart im Feuer stand er aber auch im Ministeramt. Allen Unkenrufen zum Trotz brachte er das umkämpfte CSU-Vorzeigeprojekt Pkw-Maut politisch ins Ziel - die Einführung klappt jedoch nicht mehr vor der Wahl. An seinem Krisenmanagement im Diesel-Abgasskandal lassen Umweltschützer und Opposition kein gutes Haar - Dobrindt reklamiert aber schnelle Aufklärung für sich. Mit Sticheleien gegen den Flüchtlingskurs der Kanzlerin testete er auch mal die Grenzen der Kabinettsdisziplin aus. Nach der Wahl könnte Dobrindt wieder zum Generalisten werden. Hoch gehandelt wird er als CSU-Landesgruppenchef in Berlin.

Sigmar Gabriel (Außenamt, zuvor Wirtschaft, 58, SPD)

Außenminister Sigmar Gabriel

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD)

Der Vizekanzler hat als Außenminister bisher nur ein halbes Jahr Zeit gehabt, sich zu profilieren. Das reichte aber, um sich mit den Präsidenten der Türkei, Israels und der USA anzulegen. Der neue Chefdiplomat grenzt sich mit seiner undiplomatischen Gangart klar von seinem Vorgänger Frank-Walter Steinmeier ab. Auf seinem Konto kann er den neuen Kurs der Bundesregierung gegenüber der Türkei verbuchen. Nach der Wahl würde Gabriel sein Amt gerne behalten. Das ist aber nur als Juniorpartner in einer großen Koalition mit der Union möglich, die Gabriel eigentlich ablehnt. Und ohne die Zustimmung von Parteichef Martin Schulz geht es auch nicht. Der Kanzlerkandidat könnte bei einer Wahlniederlage aber selbst Ambitionen auf das Außenamt haben.

Hermann Gröhe (Gesundheit, 56, CDU)

Gröhe

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU)

Geringschätzig heißt es manchmal, Gröhe habe als Gesundheitsminister nur abgearbeitet, was ihm andere in den Koalitionsvertrag geschrieben hätten. Doch das hat er dann wohl ganz gut gemacht. Zumindest für Kanzlerin Merkel hat er Ruhe gehalten in dieser verteilungskonfliktreichen Branche. Das fiel ihm insofern leicht, als zurzeit ziemlich viel Geld im System steckt. Diese Legislatur war für Gröhe vor allem eine der Pflege: Die Ausweitung der Pflegeleistungen und die Reform der Pflegeausbildung können sich insgesamt sehen lassen. Allerdings gab es auch eine Beitragserhöhung für die Pflegeversicherung. Weniger gut gelungen ist die Krankenhausstrukturreform.

Barbara Hendricks (Umwelt, 65, SPD)

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Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD)

"Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein" - mit den "Neuen Bauernregeln" amüsierte die Bundesumweltministerin die Republik und brachte den Bauernverband gegen sich auf. Die SPD-Politikerin machte vor allem Schlagzeilen, wenn sie den CSU-Kollegen Dobrindt (Abgasaffäre) und Schmidt (Dünger, Glyphosat, Tierhaltung) reinreden wollte. Sinngemäß sagte Hendricks mal: Immer wenn's nicht läuft, muss ich mich kümmern. Konflikte mit dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium trug sie sehr viel leiser aus. Stolz ist sie nach eigenen Worten vor allem darauf, die Suche nach einem Atommüll-Endlager auf einen geordneten Weg gebracht zu haben. Andere Vorhaben wurden vom Kabinett oft nicht so beschlossen, wie Hendricks es gern gehabt hätte - der aufgeweichte Klimaschutzplan 2050 ist ein prominentes Beispiel.

Ursula von der Leyen (Verteidigung, 58, CDU)

Ursula von der Leyen

Verteidigungsminiserin Ursula von der Leyen (CDU).

Sie ist Deutschlands erste Verteidigungsministerin und startete fulminant mit radikalen Reformvorschlägen für den Rüstungssektor. Jetzt steckt sie aber in der vielleicht tiefsten Krise ihrer politischen Laufbahn. Seit sie der Bundeswehr ein Haltungsproblem vorgeworfen hat, gilt ihr Verhältnis zur Truppe als zerrüttet. Ob Merkel sie trotzdem noch als eine potenzielle Nachfolgerin sieht, ist unklar. Sie selbst beteuert, im Amt bleiben zu wollen. In ihrer eigenen Partei aber hat die forsche Niedersächsin einen schweren Stand.

Heiko Maas (Justiz, 51, SPD)

Justizminister Heiko Maas

Justizminister Heiko Maas (SPD)

Der Saarländer hat viel aus seinem Ministerium herausgeholt. Maas hat ein Händchen dafür, sich und seine Themen medienwirksam in Szene zu setzen - auch bei Fragen, die nicht in seine Zuständigkeit fallen. Er produzierte eifrig Gesetze und ging die Rolle als eine Art Gegenpol zum Innenministerium eher pragmatisch an. Ein Tiefpunkt für ihn: Zu Beginn der Wahlperiode profilierte er sich mit dem Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung; später - unter dem Eindruck von Terroranschlägen in Europa und auf Druck des damaligen SPD-Chefs Gabriel - musste er diese dann doch auf den Weg bringen. Das bescherte ihm ein Glaubwürdigkeitsproblem. Inzwischen hat er sich davon politisch wieder einigermaßen erholt.

Thomas de Maizière (Innen, 63, CDU)

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (1)

Thomas de Maiziere (CDU)

Er machte den Job als Innenminister zum zweiten Mal, doch diesmal war alles anders. Bei ihm bündelten sich die Mammutthemen der Wahlperiode. Die Flüchtlingskrise sorgte für Chaos und brachte de Maizière in Bedrängnis. Hinzu kamen Terrorattacken. Auch hier geriet de Maizière ein ums andere Mal in Erklärungsnot. Der unglückliche Satz "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern" wird ihm wohl noch lange nachhängen. Das meiste seiner Arbeit war nicht Teil des Koalitionsvertrags, sondern eine Reaktion auf die Lage. Der Minister brachte eine ganze Batterie von Verschärfungen im Asylrecht und in den Sicherheitsgesetzen auf den Weg. Seine unaufgeregte Art hat sich de Maizière trotz der Turbulenzen erhalten. Er hat viel Erfahrung in Regierungsämtern. Ein Ressortwechsel wäre zu vermuten.

Gerd Müller (Entwicklungshilfe, 62, CSU)

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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) beim Deutschen Forum Sicherheitspolitik.

Müller weiß, dass er sich anstrengen kann, wie er will: Sein Namensvetter, der "Bomber der Nation", bleibt berühmter. Der CSU-Politiker nimmt es mit Humor: In Flüchtlingslagern verteilt er Fußbälle an die Kinder. Begegnungen mit einer Näherin aus Bangladesch und einem Jungen auf einer Kakaoplantage haben Müllers Sicht auf die Welt geprägt. Beim Global Citizen Earth Day in Washington rief der peinlichkeitsresistente Minister: "I love you all." Entschuldigt hat er sich für seine Aussage, afrikanische Männer gäben zu viel Geld für "Suff, Drogen, Frauen" aus. Allerdings ist es Müller auch gelungen, den Entwicklungsetat um 35 Prozent zu erhöhen. Und in der Flüchtlingskrise gelang es, neuen Schwung in die Afrika-Politik zu bringen. In den Anrainerstaaten Syriens sorgte er dafür, dass Schulplätze für eine Million Flüchtlingskinder geschaffen wurden.

Andrea Nahles (Arbeit, 47, SPD)

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (1)

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD)

Als Generalsekretärin unter SPD-Chef Gabriel musste sie einiges schlucken - bis hin zu einer Teilentmachtung im Wahlkampf 2013. Einige sahen sie auf dem Abstellgleis. Doch dann bekam das IG-Metall-Mitglied den Job der Arbeitsministerin - und nutzte ihn. Sie wurde zum Aktivposten in der SPD-Ministerriege. Mindestlohn, Verbesserungen bei Leiharbeit und Werksverträgen, Tarifeinheitsgesetz, Rente mit 63, Ost-West-Rentenangleichung bis 2025 sowie Verbesserungen bei Erwerbsminderungsrente - sie setzte vieles durch. Dabei hatte sie in der Regel das Wohlwollen der Kanzlerin. Sie hat für die SPD die meisten Punkte für mehr Gerechtigkeit gesammelt.

Wolfgang Schäuble (Finanzen, 75, CDU)

Schäuble

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)

Er ist ein halbes Jahrhundert im Geschäft - und alle Welt fragt sich: Macht er weiter? Als Abgeordneter sicher. Seit 1972 sitzt er im Bundestag - Rekord. 2009 rückte der Jurist an die Spitze des Finanzressorts. Amtsmüde zeigt er sich nicht. Die Griechenland-Krise, die zur Staatsschuldenkrise im Euroraum auswuchs, war für Schäuble auch in den vergangenen vier Jahren das Thema. Und wird es bleiben, ebenso wie die schleppende Reform der Euro-Zone. 2014 stand unter ihm erstmals seit mehr als vier Jahrzehnten die schwarze Null im Haushalt, was seine Kritiker vor allem auf die Konjunktur und Niedrigzinsen zurückführen. Beim Thema Steuerreform herrscht allerdings seit Jahren Stillstand.

Christian Schmidt (Agrar, 60, CSU)

Christian Schmidt

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt.

Der langjährige Verteidigungspolitiker rückte 2014 für Hans-Peter Friedrich als Agrarminister nach. "Der kann nicht nur Panzer, der kann auch Mähdrescher", solle einmal deutlich werden - wünschte sich Schmidt zum Start in eigener Sache. In der Milchpreiskrise sicherte er Millionenhilfen für die Bauern. Und brachte nach langem Ringen strengere Düngeregeln durch. Seine Initiativen für mehr freiwilligen Tierschutz im Stall attackieren aber nicht nur Naturschützer als zu zögerlich. Im Wahlkampf muss sich der CSU-Vize als Krisenmanager im Eierskandal bewähren.

Johanna Wanka (Bildung, 66, CDU)

Johanna Wanka

Die Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU)

Drei Ziele hatte sich die Ministerin gesetzt: in der Forschungspolitik Wettbewerbsfähigkeit ausbauen; das Wissenschaftssystem weiterentwickeln; mehr Bildungsgerechtigkeit. Letzteres ist ihr nur ansatzweise geglückt. Das bestätigen Schulvergleichsstudien wie Pisa, wonach in Deutschland sozialer Status und Bildungserfolg weiter arg eng verknüpft sind. Dafür steht auch die unzureichende Bafög-Stütze für Schüler und Studierende. Mit der neuen "Exzellenzstrategie" für die Hochschulen brachte Wanka aber eines ihrer wichtigsten Vorhaben ins Ziel.

Brigitte Zypries (Wirtschaft, 63, SPD)

Brigitte Zypries

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD)

Über die Wirtschaftsministerin, die nur wenige Monate im Amt ist, dürfte es einmal heißen: Sie hat sich bemüht. Als Gabriel im Januar Chefdiplomat wurde, suchte die SPD jemanden ohne Karriereansprüche. Zypries kandidiert im September nicht mehr für den Bundestag. Weil Gabriel den Vizekanzlerposten mit ins Auswärtige Amt nahm, bekam die Ex-Justizministerin den Bedeutungsverlust zu spüren. Für Auslandsreisen gab es keinen Regierungsflieger mehr, Linie war angesagt. Das blieb im Ausland nicht verborgen. Trumps Handelsminister Wilbur Ross sparte sich einen Berlin-Besuch, trat lieber per Videoschalte beim CDU-Wirtschaftsrat auf. (dpa)

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