Vorwürfe gegen Martin SchulzEs geht um „Günstlingswirtschaft und Machtmissbrauch“

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Martin Schulz

Martin Schulz, Kanzlerkandidat der SPD

Brüssel – Die Vorwürfe gegen den frisch gekürten SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten seiner Partei, Martin Schulz, ziehen weitere Kreise. Am Mittwochabend beschloss der Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments, dessen Präsident Schulz fünf Jahre lang war, vier Anträge, die zu einer öffentlichen Debatte im Plenum der Volksvertretung führen werden. Damit werden Beförderungsbeschlüsse und Prämienzahlungen von Schulz infragegestellt.

"Ich bin über das, was da passiert ist, bestürzt", sagte die Ausschussvorsitzende Inge Gräßle (CDU), am Abend gegenüber unserer Zeitung: "Wir können Schulz'sches Landrecht nicht dulden." Es gehe schließlich um "Günstlingswirtschaft und Machtmissbrauch." Während die Unionsparteien die Sünden des neuen SPD-Stars auflisten, bemühen sich die Genossen, ihren früheren Präsidenten reinzuwaschen. "Die Entlastung eines Parlamentschefs sollte Fehler benennen und beurteilen, ob EU-Gelder anständig und regelkonform verwendet wurden", sagte der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im EU-Parlament, Jens Geier. "Es dürfen keine falschen Behauptungen in die Welt gesetzt werden, um dem lahmenden CDU-Wahlkampf auf die Sprünge zu helfen." Die Entlastung des Haushalts sieht eine eigene Entlastungsprozedur des Parlamentschefs vor.

Schwere Anschuldigungen stehen im Raum

Allerdings wiegen die Anschuldigungen nach Meinung des Ausschusses schwer: Zum einen hatte Schulz in seiner Zeit als Parlamentspräsident seinen Mitarbeiter Markus Engels auf eine Art Dauerdienstreise nach Berlin geschickt, wo dieser allerdings ohnehin schon seinen Lebensmittelpunkt hatte. Vorteil für Engels, der inzwischen den Wahlkampf seines früheren Förderers managt: Er konnte von einer 16-prozentigen Auslandszulage und horrenden Tagegeldern für Auslandsaufenthalte profitieren.

Darüber hinaus will der Ausschuss wissen, ob es eigentlich rechtens ist, dass der Präsident des EU-Parlamentes in einem Mitgliedstaat einen Pressereferenten installieren und diesen aus dem Etat des Hauses bezahlen darf.

Zum dritten sollen die Europa-Parlamentarier darüber debattieren, ob ihr Chef - wie bei Schulz geschehen - zulassen darf, dass ein Mitarbeiter für sich und Kollegen Beförderungsbeschlüsse formulieren darf.

Sonderzulagen umstritten

Umstritten ist zudem die Gewährung von Sonderzulagen für Mitarbeiter in Höhe von 1300 bis 2200 Euro pro Monat. Diese Höherstufung ist zwar bei Eintritt in das Kabinett des Parlamentschefs üblich. Das Einschreiten von Schulz sollte aber verhindern, dass die Betroffenen bis zu eineinhalb Jahre auf ihre höhere Besoldung hätten warten müssen. "Der Präsident hat sich selbst ermächtigt, solche Anhebungen zu genehmigen, und er hat sie dann genehmigt", betonte Gräßle.

Dass die Parlamentsverwaltung mutmaßte, der frühere Präsident habe womöglich nicht gewusst, dass er gegen Regeln verstieß, ließ der Ausschuss nicht gelten. "Wir müssen verhindern, dass solche Dinge einreißen", sagte Gräßle, die mit ihren Änderungsanträgen für den Wirbel sorgte. Dabei wurden andere Vorwürfe von den Haushaltsexperten nicht einmal aufgegriffen. Von mehreren Seiten war Schulz heftig kritisiert worden, weil er Mitarbeiter und auch den Twitter-Account des Präsidenten während des Europa-Wahlkampfes 2014 für seine eigene Kandidatur benutzt haben soll.

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