PlanungsdruckKinder haben oder nicht – warum tun wir uns mit der Frage so schwer?

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Wie sieht die Zukunft aus - mit Kindern oder ohne?

Für mich war immer klar, dass ich Kinder will. Diese Frage stellte sich mir einfach nie. Warum es manchen anders ging, das konnte ich nur schwer nachvollziehen. Jetzt, wo ich mitten drin stecke im lauten, schönen, turbulenten Leben als zweifache Mutter, kann ich es plötzlich verstehen: Dass Kinder nicht automatisch in jedes Leben reinpassen. Dass nicht jeder sofort Lust hat, seine Prioritäten zu verschieben und seinem Leben eine Veränderung zu verpassen. Dass die Entscheidung für oder gegen Kinder für viele eine Mammutaufgabe ist.

Bereue ich es, wenn ich keine Kinder kriege?

Zur Debatte steht im Grunde nichts weniger als die große Frage: Womit werde ich glücklich? Und das bedeutet ein Abklopfen unzähliger Unwägbarkeiten. Bereue ich es irgendwann, wenn ich keine Kinder bekomme? Verändert es mein Leben zu krass, wenn ich welche kriege? Schaffe ich die Aufgabe als Mutter oder Vater überhaupt?

Die jüngste Vermächtnisstudie des WZB und der ZEIT hat es wieder belegt: Wie man es auch macht, eine Garantie auf den einen glücklich machenden Lebensentwurf gibt es nicht. Vor allem Akademiker, heißt es in der Interpretation der Studie, bereuen es, keine Kinder bekommen zu haben. Akademiker MIT Kindern wiederum würden das der nächsten Generation nicht unbedingt empfehlen. Das passt zur Diskussion um #regretting motherhood, die im vergangenen Jahr die Gemüter besonders in Deutschland erhitzte. Frauen sagen darin ganz deutlich: Ich liebe mein Kind, aber ich bereue es, Mutter geworden zu sein. Nicht gerade Mut machend für all die Unentschiedenen da draußen.

Die heute 30- bis 40-Jährigen stehen unter einem ganz anderen Druck als frühere Generationen.

Die heute 30- bis 40-Jährigen stehen unter einem ganz anderen Druck als frühere Generationen.

Wir dürfen, nein: müssen wählen

Doch warum tut sich ausgerechnet die Generation der jetzt 30- bis 40-Jährigen mit der Kinderfrage so schwer? Vielleicht liegt es daran, dass wir überhaupt wählen müssen – oder auch dürfen. Eigentlich ein Privileg. Vor ein paar Jahrzehnten stand es noch nicht zur Debatte, ob junge Menschen eine Familie gründen. Kennenlernen, Heirat, Kinder – das war ein vorgegebenes Lebenskonstrukt. Heutzutage gibt es viele Optionen, sein Leben zu gestalten. Genau das kann aber auch lähmen. Dazu tickt noch die Uhr, der Entscheidungsdruck ist hoch. „Die 30- bis 40-Jährigen sind die überforderte Generation“, sagt deshalb der Soziologie-Professor Hans Bertram. Die jungen Menschen müssten „in fünf Jahren das leisten, was ihre Eltern und Großeltern in zehn Jahren geleistet haben.“

Und leider haben wir bei allem auch nur rein theoretisch die freie Wahl. Denn es gibt häufig persönliche oder biologische Gründe, warum zum Beispiel Kinderkriegen überhaupt keine Möglichkeit ist. Und viel zu oft treffen Wünsche auf harte Wirklichkeit.

Haushalts-Falle und Karriere-Knick

Viele Frauen wollen heute nicht zwischen Muttersein und Beruf wählen, sondern beides haben.

Viele Frauen wollen heute nicht zwischen Muttersein und Beruf wählen, sondern beides haben.

Überhaupt gehen Vorstellung und Realität oft weiter auseinander als man denkt. Das fängt schon beim Thema Gleichberechtigung an, einem der Knackpunkte in der Kinderfrage. Selbst berufstätige und finanziell unabhängige Frauen, die von sich sagen würden, sie sind sehr emanzipiert - die auch noch Männer haben, die den Haushalt machen und gerne die Kinder betreuen, leben oft ein traditionelleres Modell als sie wollen. Es ist belegt, dass doch vor allem Frauen auf Teilzeit gehen, wenn Kinder da sind. Und auch der Haushalt hauptsächlich an ihnen hängen bleibt, selbst wenn beide Partner arbeiten, wie eine Studie des DIW jüngst zeigte. Dass selbst Mütter, die vorher beruflich ambitioniert waren, unfreiwillig im Elternkosmos „verschwinden“.

Und man muss es auch nicht beschönigen: Die Gefahr eines Karriere-Knicks ist real. Jede Elternzeit ist auch ein wenig Mutprobe – finanziell und lebenslaufbezogen. Gerade wenn man befristet beschäftigt oder Freiberufler ist. Und insbesondere für viele Männer, die bei längerer Auszeit fürs Kind – wenn sie sie überhaupt wagen - auch eine fachliche Herabsetzung befürchten müssen. Nicht nur die zementierten Arbeitsstrukturen müssen sich ändern hin zu flexibleren Modellen. Sondern auch die Wahrnehmung: Dass die Mutter, die „nur“ 25 Stunden arbeitet, genauso wertvoll für die Firma ist wie ein Mann, der 60 Stunden im Büro verbringt.

Für Veränderung muss man sich aktiv entscheiden!

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Eltern sein ist schön, aber selten ein heiterer Spaziergang über die Wiese.

Selbstverständlich kann es super funktionieren, Beruf und Familie zu vereinbaren. Viele Paare tun das jeden Tag erfolgreich. Vom Büro zur Kita, vom Sandmännchen zur Nachtschicht. Dahinter steckt aber oft: harte Arbeit. Und ein spannender Trip. Dass beide Partner genauso weitermachen wie vor dem Kind, das geht in den seltensten Fällen. Eltern müssen bereit sein, sich auf das neue Leben einzustellen. Das bedeutet nicht, dass man beruflichen Ehrgeiz ausblendet, einer zuhause bleibt und jeder Pups der Kids Priorität hat. Sondern dass man eben gemeinsam überlegt, wie ein Leben mit Kind und Beruf gelingen kann. Ohne Veränderung geht es nicht. Und für die muss man sich aktiv entscheiden.

Abschied nehmen vom vertrauten Leben

Genau davor aber haben manche am meisten Angst. Denn das hat etwas mit Abschied nehmen zu tun. Von einem vertrauten Leben, von lieb gewonnenen Ritualen, von bekannten Zielen – ja, auch von Freiheiten. Wird der wöchentliche Kinoabend ausfallen, wenn ein Baby da ist? Werde ich dann nur noch Urlaub auf dem Bauernhof machen, anstatt zum Festival zu fahren? Habe ich dann überhaupt noch Zeit für mich und meine Bedürfnisse? Das alles sind berechtigte Fragen. Und wie es tatsächlich wird, kann leider erst die Erfahrung zeigen.

Auf jeden Fall ist eines klar: Man muss Lust haben, es herauszufinden. Und bereit sein, sich auf Neues einzulassen. Natürlich hat das beim Kinderhaben auch mit Verzicht zu tun – gerade am Anfang. Und die eigenen Bedürfnisse werden auf jeden Fall weniger Priorität haben als vorher. Entscheidend ist, wie ich das selbst lebe. Und wie ich es empfinde und bewerte.

Muss man Superheld sein, um Kinder zu erziehen?

Bewertungen, Meinungen und Ansprüche von außen, wie man das Leben mit Kind gestalten sollte, wird es auf jeden Fall genug geben. Genauso wie idealisierte Rollenbilder – von der braven Hausfrau, die näht und backt bis zur Working Mum im sexy Kostüm – bestenfalls sollte man alles in einem sein. Das legt die Latte hoch und kann auch Angst machen. Wer sich nun fragt, ob er das mit Kind überhaupt schafft, der sollte wissen, dass alle nur mit Wasser kochen. Es gibt nicht die geborene Mutter oder den perfekten Vater. Kinderhaben ist und bleibt für alle ein Abenteuer.

Und es soll nicht unerwähnt bleiben: Eines das nicht jeder unbedingt erleben muss. Viel zu oft wird die bewusste Entscheidung gegen Kinder verurteilt und das Leben mit Kindern idealisiert. Gerade Frauen werden immer noch aufs das Muttersein reduziert. Manche haben oder wollen eben keine Kinder. Auch das muss in der Gesellschaft endlich in den Köpfen ankommen. Und diese Toleranz ist auch für das private Umfeld wichtig. Wenn jemand vor der Frage steht, ob er Kinder haben möchte oder nicht, dann hilft es in jedem Fall, wenn man beide Entscheidungen begrüßt, auch wenn das eigene Lebensmodell vielleicht ein ganz anderes ist.

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