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SchockfotosFrau erkennt toten Ehemann auf Zigarettenpackung – das sind die Folgen

Lesezeit 4 Minuten
Schockbild

Um dieses Foto dreht sich der Streit: Zwei Familien, eine aus Belgien, eine aus Österreich, wollen ihren Angehörigen auf den Verpackungen erkannt haben und ziehen deshalb vor Gericht.

Aufgeschnittene Raucherlungen, zerstörte Zähne, abgefaulte Zehen oder schwerkranke Menschen in Klinikbetten: Die neuen Fotos auf Zigarettenpackungen sollen abschreckend wirken. Das ist das Ziel der Anti-Raucher-Kampagne der EU.

Eine Witwe aus Belgien bekam aufgrund eines dieser Bilder allerdings den Schock ihres Lebens. Auf der Zigarettenschachtel erkannte sie offenbar ihren Gatten, der vor sechs Jahren an einem Schlaganfall starb. Das Foto zeigt einen Mann, liegend im Krankenhausbett. Beatmet wird er durch einen Schlauch. 

Und es wird noch mysteriöser: Auch eine Frau aus Niederösterreich will ihren verstorbenen Mann Franz W. auf genau dem gleichen Bild wiedererkannt haben. Ihre Familie und 130 Freunde und Bekannte haben laut der österreichischen „Kleine Zeitung“ sogar eine Petition unterzeichnet und wollen gegen die Abbildung rechtlich vorgehen.

Alles zum Thema Christian Solmecke

Nichtraucher für Anti-Raucher-Kampagne fotografiert?

Beide Familien beschwerten sich unabhängig voneinander bei der EU-Kommission darüber, dass das Foto angeblich unberechtigt genutzt wurde. Zudem seien beide Todesfälle keine Folge des Rauchens von Zigaretten gewesen, so war Franz W. zeitlebens Nichtraucher, wie seine Witwe erklärte. 

Die Europäische Kommission wehrte sich gegen die Vorwürfe: Tatsächlich würde das Foto einen Deutschen zeigen. Dieser habe seine Erlaubnis gegeben, das Bild auf Zigarettenpackungen zu drucken. Der Mann sei ein Schauspieler, dessen Name aus Datenschutzgründen nicht herausgegeben werden könne. Auch das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien, in dem Franz W. verstarb, stritt alle Vorwürfe ab, unerlaubt ein Foto des Kranken gemacht zu haben.

Was aber, wenn die Angehörigen im Recht sind? Darf man eigentlich einen Toten oder Sterbenden fotografieren und das Bild verwenden? Mehr dazu auf der nächsten Seite.

Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke erklärt, wie die Rechtslage bei Fotos von Verstorbenen ist – und nimmt Bezug auf den Fall der Schockfotos auf Zigarettenschachteln.

Herr Solmecke, was steht den Angehörigen zu, wenn sich ihr Verdacht bewahrheitet und der Verstorbene wirklich für die Anti-Raucher-Kampagne fotografiert wurde?

Christian Solmecke: Die Angehörigen können eine Klage wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts einreichen. Sie haben einen Anspruch auf Unterlassung und eventuell auch auf eine Geldentschädigung.

Was würde den Krankenhäusern drohen, wenn sie Fotos von Kranken und Sterbenden gemacht haben? Oder der EU-Kommission, die diese Bilder angeblich für die Zigarettenpackungen übernommen hat?

Sowohl derjenige, der das Bild gemacht und weiter verbreitet hat, als auch die Verantwortlichen, die das Bild letztlich frei gegeben haben, müssen mit der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen rechnen.

Über den Experten

Das ist Christian Solmecke

Christian Solmecke ist Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE. Er ist auf die Gebiete des Medien-, IT- und Urheberrechts spezialisiert. Darüber hinaus ist Christian Solmecke Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht an der Cologne Business School. Bis 2004 arbeitete er unter anderem als freier Journalist und Radiomoderator für den WDR.

Haben auch Tote noch ein „Recht am eigenen Bild“? 

Ja, Verstorbene werden durch das sogenannte postmortale Persönlichkeitsrecht vor einer unbefugten Veröffentlichung und Verbreitung ihres Bildnisses geschützt. Das gilt sowohl für Bilder, die vor oder nach dem Tod entstanden sind.

Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es für die Verbreitung und Veröffentlichung des Bildes bis zum Ablaufe von zehn Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne des Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.

Was, wenn Verstorbene vor dem Tod eingewilligt haben in die Abbildung auf den Packungen, und die Angehörigen nichts davon wussten?

Hier kommt es entscheidend auf die Beweislage an. Können die Verantwortlichen nachweisen, dass eine Einwilligung des Verstorbenen vorlag, dann können die Angehörigen nicht dagegen vorgehen. 

Die EU-Kommission streitet die Vorwürfe ab, will aber die Identität des Abgebildeten aus Datenschutzgründen nicht preisgeben. Darf sie das bei einem solchen Verdacht?

Ja, der Datenschutz muss eingehalten werden. Im Falle eines Gerichtsverfahrens müsste die Kommission die Identität allerdings freigeben.

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