Alles so trist und grauSo entkommen Sie der Herbstmelancholie

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Regenwetter_dpa

Die grauen Regentage häufen sich. Wir merken: uns fehlt das Tageslicht. Die Konsequenz daraus ist, dass wir ständig müde sind.

Wo ist denn nur der Tag geblieben? Morgens auf dem Weg zur Arbeit ist es noch dunkel, und auf dem Heimweg hat sich das Tageslicht schon wieder verabschiedet. Es ist kalt, nass, neblig – Herbst und Winter sind nicht gerade die Stimmungskanonen unter den Jahreszeiten. Das schlägt vielen aufs Gemüt.

Herbstmelancholie, Winterblues: Das Phänomen hat verschiedene Namen – und ist eigentlich ganz normal im Lauf der Jahreszeiten, sagt Till Roenneberg, der als Professor für Chronobiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München die innere Uhr des Menschen untersucht.

"Melancholische Stimmungen akzeptieren“

Der Lebensrhythmus ändert sich, wenn die Tage kürzer werden. Wir sind weniger aktiv und möglicherweise nicht ganz so gut drauf. „Diese etwas melancholischere Stimmung zu akzeptieren, fällt vielen Menschen schwer. Wir gestehen uns nicht mehr zu, dass unsere Stimmung im Jahreslauf schwankt“, sagt Roenneberg.

„Es wird kühler, es wird dunkler - das erleben viele als beeinträchtigend“, sagt Iris Hauth, Präsidentin der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Jeder vierte Bundesbürger leide im Winter unter Beeinträchtigungen. Und mehrere Studien zeigten: „Es sind zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung, darunter mehr Frauen als Männer, die im Herbst regelmäßig eine saisonal abhängige Depression bekommen.“ Manche bräuchten ärztliche Hilfe.

Das sind die Symptome

Während Menschen mit einer gewöhnlichen Depression häufig appetitlos seien und nicht schlafen können, hätten Winterdepressive Hunger auf Süßes, auf Kohlenhydrate – und ein höheres Schlafbedürfnis. „Das führt man zurück auf das mangelnde Licht“, sagt Hauth. Dies führe zu einer höheren Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert.

Das passiert im Körper

Ist es dunkel, produziert der Körper Melatonin, ein Hormon, das müde macht. Licht dagegen unterdrückt die Melatonin-Ausschüttung. Wird es nun an trüben Wintertagen morgens nicht so richtig hell und spielt sich das Leben vor allem im Haus ab, tut Melatonin auch tagsüber seine Wirkung.

Darum fallen wir in den Winterschlaf

„Weniger Tageslicht bringt uns in eine Art Winterschlaf“, sagt Schlafforscher Prof. Jürgen Zulley aus Regensburg. Unsere urzeitlichen Vorfahren passten ihre Lebensweise noch an die Jahreszeiten an. „Wir leben dagegen fast im gleichen Rhythmus weiter“, sagt Zulley. Und sind genervt, weil wir ständig müde sind. 

Geht der Winterblues von alleine vorbei?

Hegerl betont: Längst nicht jede traurige Phase in der dunklen Jahreszeit ist eine Depression. Melancholische Stimmungen, Trauer und Sorgen gehörten zum Leben dazu. Und können ihr Gutes haben, sagt Roenneberg: „Wir sollten akzeptieren, dass wir schlapper sind und mehr Ruhe brauchen.“ Und statt der Betriebsamkeit im Sommer mal die Füße hochlegen „und dann voller Energie wieder ins Frühjahr starten“. Im November ist die saisonale Verstimmung oft noch nicht einmal am schlimmsten. Sie steigere sich meist im Januar und Februar, wenn sich die Kälte lange hinziehe. Im März klinge sie von selbst ab.

Halten gedrückte Stimmung, Antriebsstörung und Hoffnungslosigkeit länger als einige Wochen an, kann eine Unterform der Depression dahinterstecken: Die Saisonal Abhängige Depression (SAD), tritt in den Herbst- und Wintermonaten auf. „Diese spezielle Unterform ist aber vergleichsweise selten“, sagt Prof. Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Leipzig und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Das sind einfache Maßnahmen gegen den Winterblues

Das hilft dagegen

Bewegung

Wenn die Tage draußen ungemütlich werden, ist es drinnen am gemütlichsten. Doch statt sich einzuigeln, raten Experten, gerade jetzt aktiv zu werden. Denn selbst ein wolkenverhangener Himmel lässt noch Licht durch und wirkt so stimmungsaufhellend. „Wenn es geht, jeden Mittag einen kurzen halbstündigen Spaziergang oder eine Joggingrunde einplanen“, empfiehlt Dr. Friedrich Straub, Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein, Menschen, die unter Stimmungsschwankungen leiden.

Dass viel Bewegung an der frischen Luft das Immunsystem stärkt und das Erkältungsrisiko senkt, ist ein weiterer guter Grund fürs Outdoor-Vergnügen. Dafür müsse es gar nicht sonnig sein, selbst ein verhangener Tag bietet genug Licht, um die Melatoninproduktion zu bremsen. Denn auch wenn das Auge kaum Unterschiede wahrnimmt, bekommt es draußen um ein Vielfaches mehr Licht ab als im Zimmer, betont Schlafforscher Zulley.

Zur Person

Dr. Friedrich Straub ist Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein. Der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie ist spezialisiert auf Burnout-Erkrankungen und Depressionen.

Das können Tageslichtlampen bewirken

Auf diesem Effekt basiert auch die Wirkung von sogenannten Tageslichtlampen oder Lichtduschen. „Sie wirken aktivierend und können die Stimmung heben“, sagt der Schlafforscher. Allerdings müssen sie hell genug sein: Mindestens 3000 Lux sollten es sein, noch besser sind 10 000 Lux. Der Blick sollte sich direkt in die Lampe richten, denn die Strahlung wird über die Netzhaut aufgenommen. So lösten Skandinavier und Isländer zunehmend das Problem der langen Dunkelheit in ihrer Heimat.

„Die Mehrzahl der Patienten verspürt nach zwei- bis dreiwöchiger Behandlung mit der „Lichtdusche“ eine Besserung der Beschwerden“, berichtet Dr. Straub.

Eine freundliche Atmosphäre kreieren

Damit Sie auch im Büro oder Wohnzimmer nicht in Trübsinn verfallen, sollten auch hier gute Licht- und Stimmungsverhältnisse gegeben sein. „Also möglichst viel Sonnenlicht hereinlassen und für eine angenehme, freundliche Atmosphäre sorgen“, rät der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie.

Gemütliche, gesellige Runden mit Familie oder Bekannten sind ideale Freizeitbeschäftigungen mit hohem Wohlfühlfaktor. „Ein funktionierendes soziales Netzwerk mit vielen guten Freunden sowie abwechslungsreiche Hobbys wirken einer Depression entgegen“, so Dr. Straub.

Johanniskraut hilft bei leichten Verstimmungen

Bei leichten Verstimmungen kann Johanniskraut helfen. Diese Pflanze wussten schon die Heilkundigen vergangener Jahrhunderte wegen seiner aufhellenden Wirkung zu schätzen. Doch vor der Einnahme den Arzt fragen, denn in Verbindung mit anderen Medikamenten sind Nebenwirkungen möglich.

Achtsamkeits-Training als Prävention

Besteht eine besondere Depressionsgefährdung, etwa durch hohe Leistungsorientierung und Dauer-Stress oder wurde bereits einmal eine Depression diagnostiziert, empfehlen sich professionelle Präventivprogramme. Im Trend: so genannte Achtsamkeits-Trainings. „Diese sind eine sinnvolle Ergänzung zu Psychotherapie und Antidepressiva, je nach Schweregrad manchmal auch eine Alternative“, betont Juliane Stern, zuständige Therapeutin der Schlossparkklinik Dirmstein. „Dabei geht es in erster Linie nicht darum, sich besser zu fühlen, sondern zunächst einmal darum, eigene Gefühle und Gedanken besser wahrzunehmen und zu verstehen.“ (dmn/mit Material der dpa)

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