Stiftung Warentest klärt aufHausstaub macht dick – und andere Ernährungsmythen

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Dicke Maus auf der Waage dpa

Ergebnisse aus Versuchen an Tieren sind nicht einfach auf den Menschen übertragbar – so entstehen Ernährungsmythen.

Köln – „Brot macht träge“, „Wer sich Low-Carb ernährt, lebt länger“ oder „Das Gedächtnis trainieren mit Trauben“ – täglich werden wir mit neuen Studienergebnissen konfrontiert, in den klassischen Medien oder über Social Media.

Eines haben viele solcher Studien gemeinsam, sie versprechen ein gesünderes und längeres Leben, wenn man sich an die aufgestellten Regeln hält. Doch wer sich für solche Ernährungsstudien interessiert, ist schnell verwirrt, denn die Studien widersprechen sich zum Teil. Da ist das Glas Rotwein am Abend in der einen Woche gesund und entspannend, in der nächsten Woche schlecht, weil auch schon geringe Mengen Alkohol Krebs auslösen können.

Was ist dran an den Mythen rund um unser Essen?

Warum Ernährungsempfehlungen so widersprüchlich sein können, diesem Phänomen ist die Stiftung Warentest nachgegangen. Die Verbraucherschützer haben mit „Zucker macht dumm und andere Ernährungsmythen“ ein Buch herausgegeben, in dem sie sich gängige Weisheiten rund um unser Essen und Trinken vorknöpfen und überprüfen, wie belastbar aktuelle Studien zu dem Thema sind.

Ergebnis: Viele halten einer genaueren Überprüfung nicht stand und das gleich aus mehreren Gründen. Vor allem, weil ernährungswissenschaftliche Forschungen in der Regel Beobachtungsstudien sind. Das heißt: Die Forscher leiten mögliche Zusammenhänge aus den Angaben der Studienteilnehmer ab. Dabei werden zufällige Beziehungen oftmals als „Ursache-Wirkung-Beziehung“ interpretiert. 

Dazu kommt, dass die Finanzierung solcher Studien oft nicht offengelegt werde, kritisiert die Stiftung Warentest. Dann zahlt etwa die Schokoladenindustrie eine Studie, die zum Ergebnis kommt, dass Schokolade schlau macht. Auf diesen möglichen Interessenskonflikt werde aber nicht transparent hingewiesen.

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Generelle Ernährungsempfehlungen kann man nicht aus einer einzigen Studie ableiten

Studien entstünden zudem oft mit dem Wunsch, komplexe Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit zu erklären. Doch so simpel ist es meist nicht. Denn ganz viele Faktoren beeinflussen die Wirkung von Lebensmitteln, zum Beispiel Alter, Geschlecht oder das genetische Profil der Testpersonen. Und auch Lebensmittel selbst sind komplex. „Sie bestehen aus einer Mischung aus Nährstoffen“, heißt es bei der Stiftung Warentest. Salz im Brot kann deshalb einen negativen Effekt auf die Gesundheit haben, während die im Brot vorhandenen Ballaststoffe gesund sind.

Deshalb ist es laut der Verbraucherschützer so gut wie unmöglich aus einer Studie Ernährungsempfehlungen abzuleiten. In der Praxis passiert das aber ständig. Und genau das ist auch der Grund, dass sich unterschiedliche Studien häufig widersprechen.

Zwei Beispiele aus dem Buch, an denen die Autoren Ernährungsmythen aufdröseln lesen Sie hier: 

Hausstaub soll dick machen – was ist dran?

Das Vorgehen: Forscher aus den USA hatten Staub aus verschiedenen Wohnungen eingesammelt und den Effekt von Hausstaub-Extrakten auf gezüchtete Mäusezellen getestet. Dabei stellten sie fest, dass einzelne Staubbestandteile die Zellen dazu anregten, mehr Fett aufzubauen oder sich sogar zu vervielfältigen. Die Schlussfolgerung der Forscher: Hausstaub ist eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit.

Die Kritik: Eine schädliche Wirkung bei Versuchstieren weist nicht notwendigerweise auf den gleichen Effekt beim Menschen hin. 

Das Fazit: Dass Hausstaub die Fettproduktion beim Menschen anregen kann, ist möglich aber durch die Studie nicht belegt. Sie weise dies mit dem „nötigen Vorbehalt" nur an den gezüchteten Mäusezellen nach.

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Macht Zucker dumm?

Zucker hat ein schlechtes Image: Mal macht er dumm, mal depressiv oder er führt zu Übergewicht oder Diabetes. Immer wieder zitiert wird in diesem Zusammenhang ein Tierversuch aus dem Jahr 2014. Dabei wurden Laborratten einem Gedächtnistest unterzogen. Eine Rattengruppe hatte zuvor für einige Tage zuckerreiche Nahrung gefressen, die andere in dem Zeitraum zuckerarme. Die zuckerreiche Gruppe schnitt dabei schlechter ab als die Versuchstiere, die sich zuckerarm ernährt hatten.

Bei der Studie hatten nicht einmal die beteiligten Forscher von den Laborratten auf den Menschen geschlossen. Weitere Studien, die die Auswirkung von Zucker auf die menschliche Intelligenz untersucht haben, gibt es aber nicht. Dass heiße im Umkehrschluss aber nicht, dass Zucker Menschen nicht dumm mache: Es sei einfach noch nicht untersucht worden.

Im Gegenteil sei hinlänglich bekannt, dass Zucker – bei einem niedrigen Blutzuckerspiegel – vorübergehend die Aufmerksamkeit erhöhen könne. Darum wird es auch empfohlen, in Prüfungen immer ein Stück Traubenzucker für den Notfall dabei zu haben. (sar)

Dr. Marleen Finoulst, Zucker macht dumm und andere Ernährungsmythen, Stiftung Warentest, 14,90 Euro. 

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