Mit Häkeldecke und DosenwurstSo lustig war Italien-Urlaub in den 1980ern

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Per Navi zuverlässig in acht Stunden am Urlaubsort, am Strand dank Smartphone ständig das Facebook-Postfach im Blick. Wie unser Reiseziel aussieht, wissen wir bereits vor dem Urlaub: Schließlich haben wir mithilfe von Google Street View, Hotel-Webseiten und Online-Reiseportalen alles genauestens abgecheckt und uns so gut es geht vor Überraschungen geschützt.

Wie anders war im Gegensatz dazu der Urlaub vor 30 Jahren. Statt mit dem Auto-Computer navigierte man die Familie in den 1980ern mithilfe des Shell-Atlas gen Süden, statt Smartphone-Playlist spulte ein Walkman Musik ab – vorausgesetzt, die Batterien machten nicht schlapp.

Autorenduo verrät witzige Anekdoten von früher

Vor Überraschungen wollten sich viele Urlauber aber auch früher schon schützen. Schriftsteller Michael Kobr, der zusammen mit seinem Kumpel Volker Klüpfel den Urlaubsroman „In der ersten Reihe sieht man Meer“ geschrieben hat, erinnert sich: „Wir wussten nicht, was uns erwartete, daher hatten wir zumindest im ersten Jahr noch allerlei Proviant im Gepäck.“ Dazu gehörten „Dosenwurst (wer weiß, was die da unten haben), Tütensuppe Primavera (wenn man mal schnell was Warmes braucht) und Pulverkaffee (Espresso ist ja winzig).“

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Volker Klüpfel (links) und Michael Kobr sind seit der Schulzeit befreundet.

Für uns haben Klüpfel und Kobr, die bislang vor allem durch ihre Allgäuer Krimis um Kommissar Kluftinger als Autoren bekannt sind, ihre persönlichen Erinnerungen an Sommerurlaub in den 80ern zusammengetragen. Wer von den lustigen Anekdoten nicht genug bekommen kann, findet in ihrem Roman „In der ersten Reihe sieht man Meer“ (erschienen im Droemer Verlag, 320 Seiten, 19,99 Euro) weiteren Lesestoff zum Schmunzeln.

Hauptfigur ist Alexander Klein, ein Werbefachmann und gestresster Familienvater, der zurück in seine eigene Vergangenheit gebeamt wird. Als er plötzlich erwacht, findet er sich in seinem 80er-Jahre-Kinderzimmer wieder und erlebt den Familienurlaub in Italien als pickliger Teenager noch einmal – eingepfercht geht es los auf der Rückbank eines vollgepackten Fords, ohne Handy, ohne Klimaanlage, aber mit Modern Talking aus dem Kassettenradio und Filterkaffee aus der Thermoskanne. (kkl)

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Zu fünft im Golf, Kohlrouladen in der Ferienwohnung: Was Volker Klüpfel als Jugendlicher im Urlaub erlebte.

Langsam zum Teutonengrill vorgetastet

Wir haben uns damals immer weiter nach Süden vorgewagt. Mit dem Oberallgäu kamen wir ja schon aus dem südlichsten Zipfel Deutschlands, deswegen mussten wir zuerst mindestens bis nach Österreich. Mutiger geworden ging es dann nach Südtirol, wo die Eingeborenen zumindest noch so eine Art Deutsch gesprochen haben, bevor wir dann den eigentlichen Sehnsuchtsort, Italien erreichten. Natürlich hatte der Teutonengrill wenig mit dem Italien Goethes gemein, aber man fuhr ja eh hauptsächlich wegen des Wetters hin, die Italiener nahm man billigend in Kauf.

Volker und Familie beim Sandburgbauen

Volker und Familie beim Sandburgbauen

Zu fünft im kleinen Golf

Es war, nach heutigen Komfort-Maßstäben, eigentlich ein Fall für amnesty international, wie wir damals über die Grenze verfrachtet wurden. Zu fünft (!) in einen Zweiergolf gepfercht. Ohne Klimaanlage. Ohne Handyspiele. Ohne Navi, was die Fahrt noch einmal um einige Stunden verlängerte. Denn auch wenn Papa sich immer damit brüstete, was für ein toller Kartenleser er doch sei, übernahm er natürlich das Steuer und Mama musste uns mit dem Shell-Atlas auf den Knien lotsen. Irgendwann nahm das Unheil dann mit dem Satz „Ich glaube, wir hätten da abbiegen müssen ...“ seinen Lauf.

Vernünftige Cervelatwurst muss mit

Man musste damals natürlich viel mehr mitnehmen als heutzutage, denn Italien war damals ja quasi Entwicklungsland. Da gab es weder den guten deutschen Branntweinessig, noch Jacobs Krönung oder eine vernünftige Cervelatwurst. Stattdessen komischen Kaffee aus riesigen Chrommaschinen, luftgetrocknete Salamis und ein Duplo, das aussah wie auf einen Schokoriegel transplantierte Rocher-Kugeln.

Volker ist Erster im Meer

Volker ist Erster im Meer.

Ferienwohnung erst mal verschönern

Wir hatten immer eine Ferienwohnung, denn Hotels waren aus unserer Sicht etwas für Reiche. Das war aber okay, so konnten wir ungehindert unserer deutschen Heimwehküche frönen, die aus bekannten Gerichten wie Kohlrouladen oder paniertem Schnitzel mit Kartoffelsalat bestand. Das alles wurde an einem Tisch eingenommen, den wir mit einer mitgebrachten Häkeldecke verschönerten. Insgesamt kann man sagen, dass wir den ersten Ferientag vor allem damit verbrachten, unser Domizil wohnlicher, sprich: deutscher zu machen!

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Krach mit Mama, Begegnungen mit „echten Italienern“ – so erinnert sich Michael Kobr an Italienurlaub anno dazumal.

Miracoli in Italien

Klar gab es in den Achtzigern auch im Allgäu schon Pizzerien, aber was man da bekam, hatte mit dem Original meist so viel zu tun wie Ravioli aus der Dose mit echtem Essen. Wir wussten also nicht, was uns erwartete, daher hatten wir zumindest im ersten Jahr noch allerlei Proviant im Gepäck: Tomaten aus dem Garten (wären sonst am Stock verdorben), Dosenwurst (wer weiß, was die da unten haben), Tütensuppe Primavera (wenn man mal schnell was Warmes braucht), Pulverkaffee (Espresso ist ja winzig), selbstgemachte Johannisbeermarmelade (Marmelade kauft man doch nicht) und allen Ernstes: Mehrere Packungen Miracoli – das wir liebevoll Pasta Schutta nannten. Herrlich!

Immer muss Michi die Luftmatraze aufpumpen

Immer muss Michi die Luftmatratze aufpumpen.

Luftmatratze für Rundumröstung

Heutzutage völlig undenkbar, wie wir uns damals verhalten haben. Ich hatte mal richtig Krach mit meiner Mama, als die auf einmal mit LSF 6 statt 4 ankam. Noch dazu wasserfest, damals das höchste, was es gab und von führenden Hautarztfrauen empfohlen. Aber der herrliche Duft von Tiroler Nussöl – nach wie vor reicht ein Atemzug und der Urlaub im Kopf beginnt. Wir hatten sogar mal eine transparente Luftmatratze, die auf der Unterseite verspiegelt war, für die Rundumröstung. Besonders schön die Schweißbäche, die sich in den Rillen nach kürzester Zeit bildeten.

Begegnungen mit „echten Italienern“

Im Nachhinein mit das Schönste und Spannendste waren die Begegnungen mit „echten Italienern“. Leider hatten die meist unfreiwillige Ursachen, auf die man auf den ersten Blick gern verzichtet hätte: Arztbesuche nach dem Quallenbiss meines Vaters, von dem er wegen der schlimmen Infektion noch heute ein Branding auf dem Unterarm trägt. Oder die Besuche bei den Carabinieri und auf dem Konsulat nach dem Überfall aufs Familienauto, bei dem Schecks, Scheckkarte, alles Bargeld und alle Ausweise geklaut wurden. Ich kam mir vor wie in der Allianz-Reklame mit dem Tomatenstapel in Neapel. Nur gut, dass Papa Italienisch kann, sonst wären wir wohl noch immer auf der Polizeiwache...

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Mafia-Style-Brillen und Treibholz für Zuhause

Die wurden bei uns stets am Donnerstag vor Abreise gekauft, den das war der Markttag in Porto Recanati. Da gab es Plastikmuscheln gleich sackweise, Lacoste-Shirts zweifelhafter Provenienz mit falschrum aufgeklebten Krokodilen, wunderbare Mafia-Style-Plastikbrillen für 5000 Lire und nicht zu vergessen Strandtücher zu unschlagbaren Preisen. Zur Qualität derselben nur so viel: Ich habe alle noch in Benutzung, auch wenn die Snoopy- und Miami-Vice- Aufdrucke längst verblasst sind. Die durch aufgegessenen Proviant frei gewordenen Stellen im Auto wurden von mir stets durch vollgestopft mit Strandgut wie Treibholz oder Netzfragmente, die dann von meinem Papa zu Hause klammheimlich entsorgt worden sind. Gemeinheit...

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