Gewerkschaften im DialogPrekäre Arbeitsverhältnisse verstärken Altersarmut

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Archivbild.

Bonn – „Was ist denn hier los? Die Menschen sind ja politisch“, meinte ein verblüffter Besucher, als er am Dienstagabend den proppenvollen Saal im DGB-Haus in der Endenicher Straße betrat. Auch der DGB als Veranstalter war wohl vom Ansturm überrascht, den die Veranstaltung „Gewerkschaft im Dialog“ausgelöst hatte.

Dort diskutierten mit Ulrich Kelber (SPD), Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU), Martin Metz (Grüne), Jürgen Repschläger (Linke) und Nicole Westig (FDP) fünf Kandidaten für die Bundestagswahl aus der Region über Rente, Mitbestimmung und Arbeitszeiten. Moderiert wurden die Themen von den Gewerkschaftlern Rainer Bohnet, Michael Korsmeier und Bernd Weede.

Prekäre Arbeitsverhältnisse verstärken Altersarmut

Zum Einstieg ging es um die Rente. „Durch deren Sinkflug seit der rot-grünen Reform gibt es immer mehr Altersarmut“, kritisierte Bohnet und verwies auf Österreich, wo das Rentenniveau deutlich höher liege und die Unternehmen mehr Beiträge zahlen müssten als die Arbeitnehmer. Verstärkt werde die Altersarmut in Deutschland noch durch die prekären Arbeitsverhältnisse. Westig und die Liberalen wollen die Probleme mit einer Basisversicherung, privater Vorsorge und einer betrieblichen Rente lösen. „Um prekär Beschäftigte und Alleinerziehende müssen wir uns gesondert kümmern“, so die FDP-Politikerin.

Anders Repschläger, der die Rentenreform von 2004 rückgängig machen und sich dafür einsetzen will, dass Unternehmer wieder die Hälfte der Beiträge übernehmen und auch Politiker und Manager einzahlen. Für Metz ist die kapitalgedeckte Vorsorge gescheitert, weil sie kaum noch Erträge bringe: „Wir fordern eine steuerfinanzierte Garantierente und eine Bürgerversicherung, in die auch Selbstständige und Beamte einzahlen.“

Vernünftige Löhne gegen Altersarmut

Lücking-Michel setzt dagegen neben der gesetzlichen Rente auch auf private Vorsorge und die Betriebsrente. Konkrete Antworten müsse eine Rentenkommission entwickeln. „Es ist undemokratisch zu sagen, ,wählt erstmal, und danach gibt es Antworten’“, griff Kelber die CDU-Politikerin an. Die SPD wolle das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent absenken und die Beiträge auf maximal 22 Prozent begrenzen. Man brauche auch vernünftige Löhne, um die Altersarmut zu bekämpfen.

Beim Thema Arbeitszeit erwähnte Korsmeier Studien, die von einer Milliarde Überstunden sprechen, die nicht abgerechnet würden und forderte neue Arbeitszeitmodelle, von denen auch Arbeitnehmer profitieren. Flexibilisierung ist auch für Repschläger wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Leiharbeit müsse verboten werden. Auch Metz setzt auch flexible Arbeitszeiten und sieht den Staat in der Pflicht, Missbrauch zu unterbinden. Westig musste sich Kritik anhören, weil die neue NRW-Landesregierung die gesetzlichen Vorgaben für die Tages-Höchstarbeitszeit und die Mindestruhepausen lockern will.

„Arbeitnehmer müssen möglichst viel selbst bestimmen können und Flexibilisierung darf nicht ausgenutzt werden“, forderte sie. „Starke Gewerkschaften müssen dafür sorgen, dass neue Arbeitszeitmodelle nicht missbraucht werden“, sagte Lücking-Michel. Dagegen betonte Kelber: „Wichtige Dinge müssen im Arbeitsrecht geregelt werden.“ Er verwies auf das Programm Industrie 4.0 der SPD.

Für Mitbestimmung – da waren sich die Politiker einig – könnten nur starke Gewerkschaften sorgen. Die Politik sei dafür zuständig, dass gesetzliche Regelungen nicht unterlaufen würden. Dafür brauche man angesichts von international tätigen Unternehmen auch europäische Lösungen. Kelber forderte weitere Gesetze.

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