Weingut PieperWo die „Wingert Guerilla“ den Wein rettete

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Bad Honnef-Rhöndorf/Königswinter – Der Flachbau mit der weißen Fassade und dem braunen Holztor schmiegt sich geradezu an den mächtigen Fels. Wenn man Angst vor Steinschlag haben müsste, dann vielleicht in diesem Gemäuer aus den 50er Jahren, über dem sich mehr als 200 Meter hoch das Gestein des Drachenfels auftürmt. Der ist schließlich im Laufe der Jahrhunderte durchaus häufiger mal gebröckelt.

Doch Winzer Felix Pieper zuckt auf das Thema Steinschlag angesprochen nur lässig die Schultern, als er den Besuchern die Türen zu seinem Weinbautrieb öffnet, sie in den Altbau führt, vorbei an der Weinpresse in den hinteren Teil des weißen Flachbaus, wo derzeit in 27 Barriquefässern Rotwein reift. Es riecht nach Wein hier, rund um die Stopfen hat sich das Holz der Fässer rot verfärbt.

Das Haus aber hat, ebenso wie der nebenan stehende neuere Bau aus den 90er Jahren, in dem große Edelstahltanks mit einem Fassungsvermögen von insgesamt rund 80 000 Litern stehen, gar keine gemauerte Rückwand. Das nackte Gestein des Drachenfels’ ist hinter den Tanks und den Fässern zu sehen und bildet die Rückseite der Gebäude – vielleicht symbolisch für die enge Verbundenheit des Weinguts Pieper mit dem Drachenfels und der Region.

Felix Pieper, 33 Jahre alt und studierter Diplomweinbauingenieur, führt den Betrieb in dritter Generation. Das Weingut Pieper bewirtschaftet rund 9,3 Hektar Weinberge in der Lage Königswinterer Drachenfels und ist damit nach dem Weingut Blöser in Oberdollendorf (7,2 Hektar) und dem Weingut Broel in Rhöndorf (2,4 Hektar) der größte der drei Siebengebirgswinzer.

Bevor Felix Pieper nach seinem Studium in den Betrieb seiner Eltern Adolf „Bobbi“ und Heike Pieper einstieg, zog es ihn erstmal für ein paar Monate nach Neuseeland, um dort den einen oder anderen Kniff aus dem Weinbau mitzubringen. „Klimatisch ist Neuseeland gar nicht so weit von uns weg“, sagt Felix Pieper.

Zum eigentlichen Weingut Pieper gehört neben den Weinbergen am Drachenfels und den dort stehenden Wirtschaftsgebäuden mit Barrique-Fässern, Edelstahltanks und Weinpresse das Weingut Jesuiter Hof in der Altstadt von Königswinter – ein historischer Hof, dessen Geschichte bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gemäuer jedoch immer stärker verfallen, bis das Land Nordrhein-Westfalen es 1958 an Adolf und Ursula Pieper verkaufte, die es Anfang der 1960er Jahre aufwendig restaurierten. Im Zuge der Flurbereinigung in den 70er Jahren erwarb die Familie weitere Weinbergsflächen am Drachenfels, es entstand der Winzerbetrieb Pieper in seiner heutigen Größe.

Der beschäftigt neben den Familienmitgliedern Adolf „Bobbi“ und Heike Pieper deren Kinder Felix und Roxana Pieper sowie vier Festangestellte und einen Auszubildenden, der ab August dieses Jahre den Beruf des Winzers erlernt. Hinzu kommen während der Weinlese im Herbst 12 bis 15 Aushilfskräfte, die alle aus der Region sind, wie Felix Pieper berichtet.

Auch wenn die Optik anderes vermuten lässt – das Weinhaus Domstein, das direkt unterhalb des Drachenfels neben Piepers Wirtschaftsgebäuden liegt, gehört nicht zum Weingut Pieper. Felix Piepers Onkel und Tante betreiben das Weinhaus. Seiner Großmutter gehört das in Rufweite gelegene „Drachenloch“ und einer weiteren Tante das „Fährhaus“ in Königswinter, das wiederum direkt neben dem „Jesuiter Hof“ in der Altstadt von Königswinter liegt.

„Das Bewusstsein für regionale Produkte ist gewachsen“, sagt Felix Pieper über die Entwicklung des Weinbaus und betont, dass die Weine vom Drachenfels Individualität und Charakter hätten und weit weg vom „Einheitsbrei für 1,69 Euro“ seien . Rund 80 000 Liter Wein bringen die Weinstöcke in der Lage Drachenfels laut Pieper an Ertrag, abgefüllt wird der Rebensaft in 100 000 bis 110 000 Flaschen. Die Nachfrage ist allerdings so groß, dass die Piepers jährlich Most zukaufen, der nach der Reifung als eigenständige Markenlinie in den Handel geht.

Zu den Spitzenweinen zählt der in den 225 Liter fassenden Barriquefässern reifende Rotwein. Zum Teil bleibt er zwei Jahre in den Eichenbehältern, die Geschmack abgeben und dem Wein zugleich das Atmen ermöglichen. Experte Felix Pieper spricht von Mikrooxidation. 15 Euro kann eine Flasche so produzierten Weins laut Felix Pieper durchaus kosten, der diesen Bereich in Zukunft ausbauen und weitere Holzfässer – Stückpreis rund 1000 Euro – anschaffen will.

Wenn der Wein in den bis zu 10 000 Litern fassenden Edelstahltanks in und neben den Wirtschaftsgebäuden am Fuße des Drachenfels gereift ist, wird er in kleineren Tanks ins Untergeschoss des nahe gelegen „Drachenloch“ gefahren und in der Abfüllanlage in Flaschen gefüllt, anschließend etikettiert und in Kartons verpackt. Bis zu 1800 Flaschen schafft die Anlage in der Stunde.

„Unendliche Sorgen“ nach Weinbergssperrung

Pieper holt für die Besucher Riesling- und Weißburgunderflaschen aus großen Gitterboxen, die auf der Vorderseite edel gestaltete Etiketten mit dem stilisierten Drachenfels zeigen mit Angaben zur Weinsorte und dem Hersteller. Auf der Flaschenrückseite stehen alle weiteren gesetzlich vorgeschriebenen Informationen. Nur beim Aushängeschild, dem geschützten „Drachenblut“, bleibt es beim traditionellen Vorderetikett.

Auf dem Weg vom Weinlager zur Abfüllanlage im Untergeschoss des „Drachenloch“ fällt der Blick rechts auf eine Wand mit dem Schriftzug „Wingert Guerilla“. Womit man wieder beim Drachenfels und dessen Festigkeit beziehungsweise Brüchigkeit wäre. Als im Sommer 2013 die Pieper’schen Weinberge am Drachenfels ebenso wie die Broel’schen von der Bezirksregierung wegen Steinschlaggefahr für alle Mitarbeiter der Winzer gesperrt wurden, begann auch für Felix Pieper und seine Familie eine Zeit der „unendlichen Sorgen“, wie der Winzer rückblickend sagt. „Am Anfang waren wir wie vor den Kopf gestoßen“.

Bevor Ende 2014 nach zähem Ringen, zahllosen Sitzungen und etlichen Drehungen und Wendungen der Steinschlagschutzzaun oberhalb der Rhöndorfer Weinberge endlich stand, waren es die „Wingert Guerilla“, die heimlich zur Weinlese anrückten und in einem Akt bürgerlichen Widerstands den Jahrgang 2013 – und vielleicht das ganze Weingut Pieper – retteten. Sie alle haben sich auf der Wand im Lager des Weinguts verewigt. „Die pure Entschleunigung im Wingert“, hat einer dazu geschrieben. „Ernten bis der Zaundrache kommt“, ein anderer. Und die „Traubenträger aus dem Rööpeland“ haben ihre Devise des Widerstands festgehalten: „Stellt das Amt sich noch so quer, den Wingert bekommen wir trotzdem leer!“

www.weingut-pieper.de

Neue Ideen im Weingut Pieper

Gemäß dem Motto Stillstand ist Rückschritt geht Junior-Chef Felix Pieper auch neue Wege, ohne gleich alles bisherige komplett auf den Kopf zu stellen. So hat er zusammen mit drei jungen Mittelrhein-Winzern die Initiative „Gipfelstürmer“ ins Leben gerufen. Darin haben sich vier junge Winzer zwischen dem Mäuseturm bei Bingen und dem Siebengebirge zusammengefunden, „um die Vielfalt der malerischen Landschaft, des Bodens, (der) Weine und der Persönlichkeiten, die dahinter stehen, mit Spaß und Elan zu repräsentieren und gemeinsam etwas zu bewegen“, wie es auf der Homepage heißt.

Eine Vision verfolgt Winzer Felix Pieper indes auch für seinen Betrieb, der heute durch die Trennung von Produktion, Abfüllung und Vertrieb nicht ideal organisiert ist.

Der Winzer träumt davon, auf dem Parkplatz vor seinen Betriebsgebäuden in Rhöndorf und dem davor gelegenen Weinbergsteil (an der B 42-Auffahrt) eine neue Hofanlage zu errichten, in der alles unter einem Dach wäre und auch eine Vinothek unterkäme. Das allerdings wäre ein Millionenprojekt – und ist, so Pieper, vielleicht in den nächsten zehn Jahren zu verwirklichen. (csc)

Weingut Pieper, Hauptstraße 45853639 Königswinter, Telefon: (0 22 23) 22 650, E-Mail: info@weingut-pieper.de.

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