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TrauerfeierHans-Dietrich Genschers letzter Weg

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Wachtberg – Die großen Kränze mit den schwarz-rot-goldenen Schleifen des Bundespräsidenten, der Kanzlerin und der Minister waren vor der kleinen Pecher Gnadenkirche ebenso aufgereiht wie letzte Blumengrüße von den Präsidenten der Republiken Kasachstan und Polen, von der GSG 9 der Bundespolizei, aber auch von Freunden und Wegbegleitern.

Denn in Pech stand am Sonntagnachmittag nach dem Staatsakt im Bonner World Conference Center nicht mehr der Staatsmann Hans-Dietrich Genscher im Mittelpunkt, sondern der Ehemann, Vater, Großvater, Schwiegervater, guter Freund und Nachbar. In Pech, das Genscher stets sein Zuhause genannt hatte, fand denn auch der Trauergottesdienst im engsten Kreise statt.

Der Rheinbacher Bestatter Ferdinand Pfahl, der auch den Sarg von Bonn nach Wachtberg überführt hatte, war im Stress. Beerdigungen Prominenter sind ihm ja nicht fremd, aber ein Staatsmann dieses Formates, das sei schon außergewöhnlich und eine große Ehre, sagte er, bevor sich die geladenen Gäste nach und nach in der Kirche einfanden.

Polizisten der Wache Duisdorf und der Bezirksschwerpunktdienst aus Meckenheim sorgten dafür, dass die Straße Am Langenacker für die Kolonne frei blieb, in der seine Witwe Barbara, seine Tochter Martina Zudrop mit Ehemann und den Enkelinnen Henriette und Charlotte, Angehörige und Freunde wie der ehemalige Bundesaußenminister und Parteifreund Klaus Kinkel vorfuhren.

„Nach dem großen Staatsakt wollen wir Hans-Dietrich Genscher hier im kleinen Kreis verabschieden“, leitete Pfarrerin Kathrin Müller ihre Predigt ein. Der Wachtberger Ehrenbürger Genscher war am 31. März 89-jährig in Pech im Kreise der Familie gestorben, „so, wie er es sich gewünscht hatte“. In der Gnadenkirche, seiner Gemeindekirche, habe die Familie Taufen und Konfirmationen gefeiert. „Und es ist doch in aller Trauer auch irgendwie schön, dass sein Sarg hier steht, gerahmt von Taufbecken und Osterkerze – ein starkes Bild“, so die Pfarrerin. Jahrzehntelang habe die Familie Hans-Dietrich Genscher mit dem Land und der Politik teilen müssen, sagte Kathrin Müller, jetzt gelte es, von dem Menschen und Christen Abschied zu nehmen.

Mit der Auferstehungsgeschichte des Johannes zog die Pfarrerin auch Parallelen zum Lebens Genschers, „er kannte Höhen und Tiefen“, so Müller. Er war ein Mann, der Soldat sein musste und den Krieg hasste, der „auch in seinem politischen Leben beängstigende Situationen erlebt hat“. Vor schweren Entscheidungen habe er gebetet, sagte die Pfarrerin mit fester, klarer Stimme, „gerade auch in seinen letzten Stunden hat ihm das Kraft gegeben vor dem letzten Gang“.

Kantor hatte Musik ausgesucht

Die Familie, die sei ihm wichtig gewesen, habe ihm Kraft gegeben. „Egal in welchem Land er gerade war, oder bei welcher Konferenz, ein Anruf zu Hause musste sein.“ Daher sei es auch naheliegend, dass Genscher im Familiengrab auf dem Rheinhöhenfriedhof in Oberbachem beerdigt werde. Denn dort hat auch seine Mutter ihre letzte Ruhestätte gefunden; zu ihr habe er zeitlebens ein besonders enges Verhältnis gehabt.

Vieles, das Hans-Dietrich Genschers Leben ausgemacht hat, sei auch ein Teil unseres eigenen Lebensweges geworden, sagte Müller. „Und wir sind dankbar dafür, was uns durch diesen Menschen geschenkt wurde.“

Dass er „das Kleine geliebt hat wie Jesus das Kleine gelehrt hat“, machte schon der schlichte Rahmen der Feier in der kleinen, weiß getünchten Kirche mit ihrem spitzen Giebel deutlich. Die Musik zur Feier hatte Kantor Julian Hollung für die Familie ausgesucht. Er wählte zu Beginn Bachs „Jesus bleibt meine Freude“, dann die Kirchenlieder „So nimm denn meine Hände“, „Großer Gott, wir loben Dich“ und „Von guten Mächten treu und still umgeben“.

Genscher nannte Wachtberg sein Zuhause, aber Halle an der Saale seine Heimat. Hier schloss sich der Kreis: „An der Saale hellem Strande“ sang die gesamte Trauergemeinde mit, bevor traditionell bekleidete Halloren seinen Sarg mit der Bundesflagge darauf aus der Kirche trugen.

Als Halloren werden seit dem Spätmittelalter die Salinenarbeiter in Halle an der Saale bezeichnet. Heute wird der Begriff hauptsächlich für die Mitglieder der Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle verwendet. Eine Abordnung war eigens angereist, um Genscher die letzte Ehre zu geben. Sie waren es auch, die den Sarg auf dem Rheinhöhenfriedhof zum Grab trugen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

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