Mordprozess in BonnTödlicher Streit um 35 Gramm Marihuana

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Symbolbild

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Bonn – Dieser Schwurgerichts-Prozess macht alle fassungslos: Wegen 35 Gramm Marihuana musste der Schüler Amir V. (18) aus Bad Godesberg sterben. Er ist nach einem Messerstich mitten ins Herz an einem Feldweg auf dem Heiderhof verblutet.

Angeklagter legt umfassendes Geständnis ab

Auf der Anklagebank sitzt Marco B. (Name geändert), der sich wegen Mordes (um eine Straftat zu ermöglichen) und Rauschgifthandels verantworten muss. Der angeklagte Realschüler versteht seine Welt nicht mehr: „Nie im Leben habe ich gewollt, dass er stirbt.“ Voller Reue hat der 16-Jährige gestern ein umfassendes Geständnis abgelegt. Wegen des jungen Alters des Angeklagten findet der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Am Abend des 24. September 2016, so heißt es in der Anklage der Bonner Staatsanwaltschaft, hatten sich Amir V. und sein jüngerer Kumpel Jakob S. (ebenfalls 16 Jahre) mit dem Angeklagten Marco B. verabredet, um von ihm Marihuana zu kaufen. An der U-Bahnhaltestelle Ollenhauerstraße stieg der Nachwuchsdealer Marco B. ins Auto des Älteren und alle drei fuhren in Richtung Heiderhof. An der Ließemer Straße, einem einsamen Feldweg, stoppten sie, setzten sich auf eine Parkbank, um das Rauschgift abzuwiegen. 35 Gramm sollen es gewesen sein, die Amir V. für 450 Euro kaufen wollte.

Aber dann geschah etwas Unerwartetes. Amir V. soll sich laut Anklage plötzlich das Marihuana genommen und weggelaufen sein; auch sein Kumpel Jakob S. lief los. Da habe er sich betrogen gefühlt, so der 16-Jährige gestern, sofort sei er hinterher und hätte Amir V. noch stellen können, bevor er losgefahren ist. Dabei sei es zum Handgemenge bekommen, in dessen Verlauf er das Messer gezogen und zugestochen habe. Er habe doch nur sein „Gras“ zurück haben wollen, räumte er nach Angaben eines Gerichtssprechers im Prozess ein.

Zugang zu dem Verletzten war erschwert

Aber der Stich war tödlich und die Dramatik am Tatort groß: „Ruf den Notarzt!“, soll Jakob S. wiederholt geschrien haben, das habe Marco B. schließlich auch getan. Aber beide konnten sie den Nothelfern nicht sagen, wo sie waren. Während Marco B. sich das Marihuana schnappte und die Flucht ergriff, lief Jakob S. auf dem Feldweg in Richtung Pecher Straße den Rettungswagen entgegen, aus Angst, dass sie nicht gefunden werden.

Zu diesem Zeitpunkt jedoch war Amir V., den er bereits aus Grundschulzeiten kannte, in seinen Armen gestorben. Denn als der Notarzt nach 20 Minuten am Tatort eintraf, war der Schüler verblutet. Zwar wurde er noch einmal reanimiert, in der Klinik wurde ihm – weil er noch so jung war – sogar noch ein Kunstherz eingesetzt, aber ohne Chance. Einen Tag später mussten die Ärzte aufgeben.

Jakob S. ist seitdem untröstlich: Seit dem Tag, an dem er seinen Kumpel nicht retten konnte, ist er schwer traumatisiert. Den tödlichen Messerstich hat der 16-Jährige zwar nicht gesehen, aber die Bilder vom Sterben des 18-Jährigen, dem er hilflos zusehen musste, verfolgen ihn. Im Prozess weinte er bitterlich. Immer wieder mussten die Richter unterbrechen und ihm Zeit geben.

Für die Eltern von Amir V. ist der Tod eine Tragödie: Sie haben ihr einziges Kind verloren. Gestern war nur der Vater als Nebenkläger im Prozess erschienen.

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