„Eva's Beauty Case”Rendezvous mit Nofretete, Venus und Elvis

Lesezeit 4 Minuten

Bonn – „Jetzt entwusch sie zuerst mit Ambrosia jede Befleckung Ihrem reizenden Wuchs und salbt ihn mit lauterem Öl fein und ambrosischer Kraft von würzigem Duft durchbalsamt“ heißt es im 14. Gesang von Homers „Ilias“ in der berühmten Übersetzung von Johann Heinrich Voß. Nun kennt man Homer eher als großen Epiker denn als Visagisten, aber nicht umsonst liest man im Foyer des LVR-Landesmuseums in Bonn diese Hexameter, die auf die neue Sonderausstellung „Eva’s Beauty Case – Schmuck und Styling im Spiegel der Zeiten“ hinweisen.

Denn fein ziselierter Schmuck und raffinierte Kosmetika gehörten vor rund 2500 Jahren zum Alltag in Hellas, und schon Wilma, die Gattin von Fred Feuerstein, behängte sich vor 12 000 Jahren mit Zahnketten, Fischknochen und – oops – einem Penisknochen eines Höhlenbären, bevor sie sich auf die Party von Nachbar Barny Geröllheimer begab!

LVR-Landesmuseum bestitzt bedeutende Sammlung von Schmuck

Das LVR-Landesmuseum besitzt eine der bedeutendsten Sammlungen römischen Schmucks nördlich der Alpen und eine der größten und bedeutendsten frühmittelalterlichen Schmucks. Dazu gehören unter vielen anderen Objektgruppen auch die zahlreichen äußerst filigran gearbeiteten Goldscheibenfibeln als Beleg für die außerordentliche Kunstfertigkeit der Goldschmiede im frühen Mittelalter. Eigentlich wollte man sich nach den Worten von Museumsdirektorin Gabriele Uelsberg bei der Ausstellung „Eva’s Beauty Case“ zunächst auf die eigenen Bestände beschränken, doch mit den kostbaren Leihgaben zahlreicher Museen – darunter das Ägyptische Museum und das Akademische Kunstmuseum der Uni Bonn – und Privatpersonen ist eine wirklich faszinierende Schau rund um Schmuck und Kosmetik entstanden, die den Besuch lohnt.

Die Ausstellung spannt einen kultur- und epocheübergreifenden Bogen – von der Steinzeit bis in die Gegenwart; vom Bauplan der Natur über die wechselnden Schönheitsideale; von Edelsteinen als Schönheitsmittel, Handels- und Beutegut; von Schmuck, Frisur und Schminken als Statussymbol und als Ausdruck regionaler, herrschaftlicher und sozialer Identifikationen bis zum Schönheits- und Starkult der Gegenwart.

Weibliche Idealfiguren aus 22 000 Jahren

Im Foyer schaut der Besucher weiblichen Idealfiguren aus 22 000 Jahren ins Auge (alles Kopien): der pummeligen Venus von Willendorf, der Büste der Nofretete, der Venus von Milo, der Stifterfigur Uta im Naumburger Dom und der „Frierenden“, eine Skulptur des französischen Bildhauers Jean-Antoine Houdon aus dem späten 18. Jahrhundert. Dahinter locken Vitrinen, in denen beispielsweise ein Beauty Case einer Lufthansa-Stewardess aus den 70er Jahren oder besagte Zahnketten, Fischknochen und . . . na Sie wissen schon – aus der Steinzeit zu sehen sind.

Im ersten Obergeschoss erwartet uns zunächst ein Juwelierladen mit wunderbaren römischen und frühmittelalterlichen Schmuckgegenständen. Ins Auge fallen beispielsweise ein prächtiges römisches Bernsteincollier aus dem 3. Jahrhundert oder wunderbare kleine Fibeln mit Vogelmotiven aus der Epoche der Merowinger (6. Jahrhundert), die in einem Frauengrab im ehemaligen Bonner Römerlager ausgegraben worden sind.

Ein Friseurstuhl, auf dem Elvis schon gesessen hat

Genug antike Klunker gesehen? Dann sollte sich der Museums-Flaneur in den Friseurladen begeben. Bitte Platz zu nehmen auf dem original erhaltenen Friseurstuhl aus der US-Kaserne im hessischen Friedberg, wo sich Elvis Presley als G.I. 1958 die Haare richten ließ. Auch eine Locke des „King“ darf nicht fehlen. Außerdem sind jede Menge antiker wie moderner Kämme, Scheren, Pinzetten, Rasiermesser, aber auch Porträtköpfe von bärtigen Römer-Kaisern (Marc Aurel) sowie Perücken, wie sie der Sonnenkönig Ludwig XIV. oder der Philosoph und Kirchen-Hasser Voltaire trugen, zu sehen. Nicht gerade ein Hingucker, aber zeittypisch ist eine spezielle Männer-Kaffeetasse aus dem Jahr 1870 mit einer Aussparung am Tassenrand, damit der Schnauzbart nicht mit dem Koffein-Getränk in Berührung kam!

In der Parfümerie erfolgt eine Großattacke auf die Riechorgane. Ambra, Moschus, Rose, Lavendel, Mandarin, Grapefruit, Pomeranze, Bergamotte oder wahre Exoten wie Neroli oder Cedrat können erschnuppert werden. Weiterhin wird die Geschichte der ältesten Eau de Cologne-Marke Johann Maria Farina anhand von alten Flakons erzählt.

Schönsein war für antike Damen mit hoher Vergiftungsgefahr verbunden

Und schließlich stößt der Besucher auf einen Kosmetik-Salon. Da gibt es Schminkgefäße zu bestaunen, die am Hof von Königin Nofretete vor 3400 Jahren benutzt wurden. Aus römischer Zeit werden beispielsweise Utensilien wie Salbfläschchen, Schminkgefäße sowie Toilettengerät und 2000 Jahre alte Beauty-Gefäße präsentiert. Es fehlt auch nicht der Hinweis, dass Schönsein für antike Damen mit hoher Vergiftungs-Gefahr verbunden war. Die Schminke der Römerinnen enthielt hochgiftiges Bleiweiß, Zinnober und Antimon. Doch schon damals galt der Spruch: „Wer schön sein will, muss leiden.“ Und wenn Sie, werter Besucher, beim Rundgang nicht gut drauf sind, sollten Sie am sprechenden Spiegel vorbeigehen. Er ruft Ihnen zu: ,Sie sehen aber heute gut aus!“ Na bitte!

Zahlreiche interaktive Schauelemente, Medien- und Hands-On-Stationen ergänzen die Ausstellung. Ein eigener Mitmachbereich thematisiert zusätzlich die Idealvorstellungen von Schönheit im Wandel der Zeit: So können sich die Besucherinnen und Besucher unter anderem in die „VIP’s“ Nofretete, Königin Elisabeth I. oder auch in den Sonnenkönig Ludwig XIV. schlüpfen. „Schönheitexperten“ verraten hier zusätzlich zu bestimmten Zeiten alles über die Vorbilder, Tricks und Geheimnisse des so alltäglichen und vertrauten „Schönmachens“.

Rundschau abonnieren