Abriss der SüdbebauungIn der Bonner Passage fließen Tränen

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Bonn – Tränen flossen den gesamten Tag über in Strömen in der Stadtbäckerei Rott in der Maximilianpassage. Gestern öffnete die Filiale zum letzten Mal, seit heute ist sie geschlossen. Die Kunden verabschiedeten sich mit kleinen Präsenten und Umarmungen.

Im Zuge der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes wird die Südbebauung abgerissen, um Platz für moderne Gebäude im Stadtentree zu schaffen. Damit verbunden sind zahlreiche Kündigungen für die Händler in dem Haus, das äußerlich den Charme eines Häufchen Elends aufweist. Der für die Südbebauung verantwortliche Investor, die holländische Ten Brinke Gruppe, will laut des Projektentwicklers Moritz Tank Anfang November mit der Entkernung beginnen, Anfang Januar soll der Abriss starten: „Die Kündigungen sind rechtmäßig ausgesprochen worden“, stellt der Sprecher klar.

Drinnen herrscht geschäftiges Treiben. Menschen strömen aus dem Hauptbahnhof und der Stadtbahn-Station in Richtung City und Bushaltestellen. Das Leben pulsiert. Aber nicht mehr für die Verkäuferinnen in der Bäckerei Rott: „ Wir haben Rotz und Wasser geheult, mit dieser Reaktion der Kunden hätten wir nicht gerechnet“, sagt Bettina Meurer gegenüber der Rundschau.

Sie umarmte zum Abschied unzählige Käufer, schüttelte fleißig Hände – wie die von Emil Karger, der dreimal die Woche vorbeischaute, Brot kaufte und ein Fleischwurstbrötchen genoss: „Ich bin eigens aus Duisdorf gekommen, hier konnte ich gut sitzen und das Geschehen beobachten. Jetzt muss ich nach Endenich ausweichen“, sagte der 87-Jährige.

Nebenan hängt im verlassenen Sexshop ein Schild mit dem Hinweis auf Umbaumaßnahmen, viele Ladenlokale stehen bereits leer. Für die Mannschaft vom Express-Kiosk geht noch bis 11. Oktober weiter, dann ist vorübergehend Feierabend. Der Umbau soll in 18 Monaten abgeschlossen sein. Aus finanziellen Gründen kehrt die Stadtbäckerei nicht zurück, der Express-Kiosk hofft auf einen Neustart an gewohnter Stelle: „Das wurde uns vertraglich zugesichert“, sagt ein Mitarbeiter, während er ein Paderborner Pilsener abrechnet. Der Nächste nimmt gleich fünf Packungen Tabak, es herrscht das typische Kioskflair. Öffnungszeiten von 5 bis 24 Uhr sind selten, nun fällt eine diese Einkaufsmöglichkeit weg.

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Phuong Vu, Betreiberin des Nagelstudio „Nailicious“, zieht nach sieben Jahren von der Passage in die Wenzelgasse um. Viele Stammkunden seien enttäuscht. Die zentrale Lage habe es ermöglicht, einen Besuch nebenbei einzuschieben, das falle nun weg, so Vu.

Im Erdgeschoss gibt es noch bis Ende Oktober Brautmode bei „Bonner Prestige“, die Inhaberin ist auf der Suche nach einem neuen Standort. Die Dönerbude nebenan ist schon lange nicht mehr, auch die Hopfenstube, in der schon vormittags beste Stimmung herrschte, hat die Pforten dichtgemacht.

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Nachtschwärmer, aufgepasst: Die Pizza vor der Nachtruhe aus dem Hause Cala Dor droht zu entfallen: „Ich habe noch keine Kündigung erhalten. Mal sehen, wie es weitergeht“, blickt Menelaos Papacristos in eine ungewisse Zukunft. Sein Nachbar Efthimios Ztoupis, der im City-Pick Gyros, Schaschlik und Currywurst kredenzt, ist da schon einen Schritt weiter. Sein Geschäft liegt direkt neben dem Bau, der bald dem Erdboden gleichgemacht wird. Bis zum Ende hatte er gehofft, dass sein Geschäft verschont bleibt – umsonst, Ende Oktober streicht er die Segel und zieht nach 28 Jahren zurück nach Griechenland: „Mein Sohn arbeitet mit uns. Er bleibt hier und muss jetzt Hartz IV anmelden, meine Frau ist von der Ungewissheit krank geworden. Ich hätte gern weitergemacht, aber es gibt keine Option auf eine Fortsetzung.“ Auch die Bonner Polizei wird vom Umbau nicht verschont. Die Wache GABI im „Bonner Loch“ packt Ende des Jahres ihre Sachen und zieht in die Cassiusbastei nebenan.

Nun bleibt den Kunden noch ein Monat, um letztmalig einzukaufen oder zu speisen, um sich dann endgültig von den Händlern zu verabschieden, zu denen über die Jahre oftmals eine persönliche Beziehung gewachsen ist.

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