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Café-Kultur in BonnTorten und Gebäck an der „söößen Eck’“

Lesezeit 4 Minuten
Noch ein Tässchen gefällig? Filmemacher Georg Divossen (2. v. r.) präsentierte im Café Bottler seinen Film DVD „Drinnen Gemütlichkeit – draußen nur Kännchen“. Er wurde „gerahmt“ von Karin Kroemer (l.), Babette Dörmer sowie Hans-Werner Greuel.

Noch ein Tässchen gefällig? Filmemacher Georg Divossen (2. v. r.) präsentierte im Café Bottler seinen Film DVD „Drinnen Gemütlichkeit – draußen nur Kännchen“. Er wurde „gerahmt“ von Karin Kroemer (l.), Babette Dörmer sowie Hans-Werner Greuel.

Bonn – Coffee to go? „Nä“, sagt sich Fräulein von Hoppenstedt, „kommt mir nicht in die Hand!“ Sie huldigt eher dem Udo Jürgens-Refrain „Aber bitte mit Sahne“ – gemeint ist nicht nur Kaffeesahne, sondern auch Kalorienbomben wie Buttercremetorte oder Holländisch Kirsch in einem richtigen Café. Da ist sie sich mit ihrer Freundin Bärbel Pagel einig. Die Gnädigste und Frau Pagel, gespielt von den Schauspielerinnen und Kabarettistinnen Babette Dörmer und Karin Kroemer, begeben sich in der neuen DVD-Produktion des Bonner Filmemachers Georg Divossen in der Bonner Innenstadt auf eine „sahnige Spurensuche“ – Titel: „Drinnen Gemütlichkeit – draußen nur Kännchen – 166 Jahre Bonner Cafés“.

Georg Divossen (Jahrgang 1962) outet sich als leidenschaftlicher Anhänger klassischer Cafés. Zwei Jahre fleißiger Recherche stecken in der neuen DVD, die eine Reise in die Vergangenheit ist, als in der Bonner Innenstadt mehr als 70 (!) Cafés existierten. Noch vor 60 Jahren gab es viele Dutzend Cafés, die von der „Fresswelle“ in der jungen Bundesrepublik profitierten. Ältere Bonner können sich noch an prominente Kaffeehäuser erinnern wie das Café Hau in der Sternstraße, wo die Gäste im Inneren von einem 2,50 Meter großen Mohren begrüßt wurden, oder an das Café Krimmling, an das Café Dahmen, Café Rittershaus oder etwas weiter entfernt das Café Stockamp in Poppelsdorf.

Vorbei: Keines dieser Cafés existiert mehr, sie alle sind Ende der 60er, Anfang der 70er -Jahre dem Kaffeehaussterben zum Opfer gefallen. Georg Divossen erklärt dazu lakonisch: „Die Geschmäcker haben sich halt verändert.“ Aktuell gibt es in der Bonner Innenstadt nur noch zwei klassische Cafés: das Café Müller-Langhardt am Markt (gegründet 1913) und das Café Kleimann in der Rheingasse, das für seine erstklassigen Pralinen bekannt ist. Es wurde bereits 1895 als Bäckerei und Konditorei gegründet.

Eine sehr hohe Café-Dichte bestand vor etwa 50 bis 60 Jahren an der Ecke Poststraße/heutige Maximilianstraße. Die Bonner sprachen von der „söößen Eck’“ („süße Ecke“): Wo heute McDonalds steht, lockte früher auf der ersten Etage das Café Habsburg, das von einem späteren Besitzer in Café Fürstenhof umbenannt wurde, die „süße Kundschaft“. Vis-à-vis stand das renommierte Café Krimmling, und an der Stelle der heutigen potthässlichen Südüberbauung stand vor Jahrzehnten das Café Wieschen. Wer in seinem Magen dann noch ein Plätzchen für weitere Leckereien verspürte, schleppte sich in die „Sürst“, in der nach Angaben von Georg Divossen gleich fünf (!) Kaffeehäuser ihr Auskommen hatten.

Schmunzelnd erwähnen Georg Divossen und der leidenschaftliche Sammler historischer Bonner Postkarten, Hans-Werner Greuel, der für die DVD 100 alte Schätzchen zur Verfügung gestellt hat, das legendäre Café Tondorff in der Sternstraße, das für die derben Marktbeschicker aus der Ville der Himmel auf Erden war. Sie labten sich besonders am Rollkuchen. An den Tischen waren übrigens Messer angebunden, mit denen die hungrigen Marktleute nach dem Genuss des Rollkuchens (oder davor?) ihre Leberwurststullen schmieren konnten. Von Etepetete war nicht’s zu spüren!

In der DVD werden aber auch Erinnerungen an entferntere Bonner Cafés gepflegt. Da wäre das Café Stockamp an der Clemens-August-Straße in Poppelsdorf zu nennen, das nach Streitigkeiten in der Erbengemeinschaft nach seiner Schließung noch 15 Jahre dort stand mit kompletter Inneneinrichtung. „Der Blick durch die Fensterscheiben war wie ein Blick in ein Museum“, erinnert sich Georg Divossen.

AUSSTELLUNG

Parallel zu der DVD „Drinnen Gemütlichkeit – draußen nur Kännchen – 166 Jahre Bonner Cafés“ läuft ab der kommenden Woche eine gleichnamige Sonderausstellung im Stadtmuseum Bonn. Gezeigt werden viele Exponate aus den alten Bonner Cafés, etwa der legendäre Mohr aus dem Café Hau.

Die Ausstellung wird begleitet von zahlreichen Führungen, Filmvorführungen und Veranstaltungen

Franziskaner Straße 9; vom 31. August bis 16. Oktober; mittwochs 9.30 Uhr bis 14 Uhr; donnerstags bis samstags 13 bis 18 Uhr, sonntags 11.30 bis 17 Uhr; weitere Informationen unter www.bonn.de/@stadtmuseum.

Wenn ein Schleckermaul an die Schwarzwälder Kirschtorte denkt, sieht er vor seinem geistigen Auge den Feldberg, die Kuckucksuhr und süße Mädels mit ihren großen Schwarzwälder Hüten. Denkste! Diese Kalorienbombe wurde vor 100 Jahren während des Ersten Weltkriegs im Godesberger Café Agner „erfunden“ – freilich von einem Schwarzwälder Konditor namens Josef Keller, den der Krieg als Soldat in die Etappe nach Bad Godesberg verschlagen hatte. Aus dem simplen Nachtisch Kirschen mit Sahne machte er im Café Agner eine raffinierte Kirschtorte. Unter die Kirschsahne legte er einen Boden, streute Schokoladenspäne oben drauf und veredelte das Ganze mit Schwarzwälder Kirschwasser. Georg Divossen ergänzt: „Mit reichlich Kirschwasser!“ Wer diese Torte heute im Godesberger Café Schöner, das die Original-Rezeptur der Schwarzwälder Kirschtorte pflegt, am Fronhof genießt, sollte das Auto für den Heimweg besser stehen lassen!

Und was befindet sich heute an der Stelle des einstigen Café Agner? Eine Dönerbude! Sic transit gloria mundi.

Georg Divossen: „Drinnen Gemütlichkeit, draußen nur Kännchen – 166 Jahre Bonner Cafés“; Film auf DVD, Laufzeit 64 Minuten, Preis 15,90 Euro; erhältlich in Buchläden sowie im Stadtmuseum, Franziskanerstraße 9; weitere Informationen unter www.filmemacher-bonn.de; Filmpremiere ist am 1. September um 19 Uhr im Pfarrsaal Poppelsdorf, Sternenburgstraße 27 (Eintritt frei).

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