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Jubiläum Bonner PantheonHausherr Rainer Pause blickt auf 30 lebhafte Jahre zurück

Lesezeit 7 Minuten
30 Jahre Pantheon – doch von Ermüdung keine Spur, wie man dem Hausherrn Rainer Pause ansehen kann. Für ihn und sein engagiertes Team gilt nach wie vor der Slogan: „The Show must go on!“ Übrigens auch am kommenden Dienstag beim Tag der offenen Tür.

30 Jahre Pantheon – doch von Ermüdung keine Spur, wie man dem Hausherrn Rainer Pause ansehen kann. Für ihn und sein engagiertes Team gilt nach wie vor der Slogan: „The Show must go on!“ Übrigens auch am kommenden Dienstag beim Tag der offenen Tür.

Bonn – Herr Pause, 30 Jahre Pantheon – da lohnt es sich, die Resettaste zu drücken und zurückzublicken. War es für Sie damals ein Sprung ins kalte Wasser, eine Kleinkunstbühne in Bonn ins Leben zu rufen?

Klar habe ich im Vorfeld die eine oder andere schlaflose Nacht gehabt, und ich hätte mir zu jenem Zeitpunkt auch gar nicht vorstellen können, ein eigenes Theater zu leiten, aber ich kannte die freie Bonner Szene schon sehr gut, eigentlich schon seit meiner Studentenzeit in den 60ern, als ich Mitglied und später der Leiter der Studiobühne war und 1967 (vor 50 Jahren!) dort mein erste Premiere hatte. Interessanterweise wurde mein heutiger Bühnenpartner Norbert Alich in den 70er Jahren dann bei der Studiobühne quasi mein Nachfolger, aber damals kannten wir uns gar nicht.

Ein Blick in Ihre Vita verrät, dass es Sie dann in die Ferne zog.

Ich sammelte wertvolle Erfahrungen als Theatermacher im Ruhrgebiet, in Paris bei Le Coc und Philippe Gaulier und dann auch in Berlin, wo ich 1980 bei der Gründung des Tempodroms dabei war.

Sie wurden dann peu à peu zu einem ,Netzwerker’ der bundesdeutschen Brettlszene, Namen noch parat?

Der damals schon mit seinen Zähnen kämpfende aber nach wie vor bissige Wolfgang Neuss, der unvergessliche Heinrich Pachl, mit dem ich in den frühen 80er Jahren auf Tournee war, genauso mit den ,Drei Tornados’ aus Berlin, dem Frankfurter Fronttheater um Matthias Beltz. Ich war befreundet mit der ,Biermösl Blosn' und Gerhard Polt, schließlich lebt ja die Verwandtschaft väterlicherseits in München.

Das liest sich wie das Who’s who der deutschen Kabarett-Szene in den 80er Jahren . . .

Stimmt, und genau diese Beziehungen haben es mir ja dann auch erleichtert, das Pantheon in Bonn von Anfang an bekannt zu machen. Pardon, mal weg vom Ich, man sollte besser vom WIR sprechen, denn ohne ein großartiges und engagiertes Team, damals wie heute, hätte es das Pantheon so nicht gegeben, das muss mal gesagt werden. Wir hatten kein Geld, aber Kontakte und Freundschaften mit bekannten Kollegen, die dann natürlich alle bei der Eröffnung waren – auch Matthias Deutschmann, damals noch ein Geheimtipp, Horst Schroth und Achim Konejung mit ihren Programmen wie ,Sex total’ oder ,Gnadenlos deutsch’, dann Georg Schramm, für den ich später auch Regie führte.

Apropos Bundeskanzlerplatz: Wie kam es zu dieser Quartierwahl unweit des damaligen Steigenberger Hotels?

Zuvor befand sich dort das städtische Kulturforum, das zwar ursprünglich sehr bekannt war, alleine schon durch Uraufführungen von John Cage. Aber die Stadtverwaltung konnte offenbar damit nicht viel anfangen, hat dem Theater den Geldhahn zugedreht, es heruntergewirtschaftet und wollte ihm dann den Todesstoß versetzen. Von einer Verwendung als Möbellager war die Rede. Da bin ich dann in die Bresche gesprungen, weil sich da eine Chance bot, endlich mal Künstler, die bisher an Bonn vorbeigefahren waren, dem Bonner Publikum zu präsentieren. ,In Steinwurfnähe zum Kanzleramt’ – das war unser Werbeslogan. Wir sprachen von der Wiedergutmachung im Bermudadreieck zwischen Kanzleramt, der Kneipe ,Provinz’ von Heike Stollenwerk und dem Pantheon.

In der ,Provinz’ tummelten sich ja nicht gerade die Stützen der damaligen Bundesregierung und der Bonner Ratsmehrheit. Und jetzt machte sich da noch eine scharfe Kabarettbühne breit . . .

Tja, die Bonner CDU beäugte uns natürlich misstrauisch, so nach dem Motto: Da kommt ein Alt-Linker, nicht dass der womöglich Granaten zündet. Aber das legte sich bald, besonders mit dem langjährigen Leiter des städtischen Kulturamtes, Jürgen Petermann, selbst zur CDU entwickelte sich eine echt faire und verlässliche Zusammenarbeit.

Pecunia non olet, sagt der Lateiner, wie stand’s mit den Finanzen?

Aller Anfang ist schwer, von der Stadt kam anfangs nix. Das war ja auch die Bedingung gewesen, dass sie auf die Nutzung der Räume als Toilettenpapierlager verzichteten. Tja, und wir hatten auch alle nix. Aber meine Mutter war so verrückt, mir 50 000 D-Mark vorab als Erbe zuzustecken, was ich mir nie zugetraut hätte, und davon haben wir damals das Kulturforum zum Pantheon gemacht – und zack, war das Geld weg!

Bei einem Rückblick auf 30 Jahre Pantheon darf nicht die ,Pink, Punk, Pantheon’-Show unerwähnt bleiben, die ja wie die Kölner Stunksitzung sich zu einer echten Marke des alternativen Karnevals im Rheinland gemausert hat. Wie kam es dazu?

Anfang der 80er-Jahre, mittlerweile kannte ich Norbert Alich, fassten wir den Plan, den bräsigen Karnevalssitzungen mit ihren furchtbaren Herrenwitzen und dem behutsamen Streicheln von Politikern etwas entgegenzusetzen. Damit sollte auch ein Publikum gewonnen werden, das ansonsten vom 11.11. bis Aschermittwoch bildlich gesprochen nach Paris Reißaus nahm – so wie wir auch. Das begann 1983/84 im ,Fettnäpfchen’ in Kessenich, 1988 fand dann im neuen Quartier die erste „PPP“-Sitzung statt, wobei damals statt ,Pink, Punk’ noch von ,Punk Prrrunk’ die Rede war. Und 1989, als Bonn sein 2000-jähriges Bestehen feierte, hatten wir die Sitzung über Aschermittwoch hinaus bis zum 11.11. ausgedehnt und zum Ausklang jede Menge Bundestagsabgeordnete eingeladen.

Moment mal: 11. November 1989, da war doch gerade in Berlin was los . . .

Klar. Der Fall der Mauer! Unser Techniker hatte tags zuvor den legendären Auftritt von Bundeskanzler Helmut Kohl, Alt-Kanzler Willy Brandt und dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper vor dem Schöneberger Rathaus mitgeschnitten, als sie herrlich falsch das Deutschlandlied anstimmten und die Berliner dazu mit Trillerpfeifen pfiffen.

Man sprach später vom B-Team der Schöneberger Sängerknaben. . .

Genau, dieser Mitschnitt erklang dann auf der Bühne, wobei wir nur die Lippen bewegten. Einige CDU-Bundestagabgeordnete im Publikum bekamen diese Parodie nicht mit, erhoben sich von ihren Sitzen und stimmten ihrerseits die Hymne an. Und das Publikum pfiff dagegen an. Soviel zu Satire und Realität. Wir haben später noch diesen Abend in Grunert’s Nachtcafé bis 7 Uhr in der Früh’ ausklingen lassen mit Debatten über den rheinischen Separatismus.

Blicken wir auf die Gegenwart. Im kommenden Monat spielt das Pantheon seit einem Jahr auf der Schäl Sick an der Siegburger Straße. Da wollen Sie mit Norbert Alich doch nie hin . . .

Warum soll man sich nicht ändern? Der Rhein ist unser Vorbild, dieses Mäandern. Mal so, mal so. Ich fühle mich mittlerweile als ein Beueler Lokalpatriot.

Haben Sie und Ihr Team den Sprung über den Rhein bereut?

Nein, auf keinen Fall, das neue Quartier wird vom Publikum gut angenommen, einige Veranstaltungen waren trotz erheblich größerer Bühne restlos ausverkauft. Natürlich brauchen wir noch einen zweite, kleinere Bühne wie früher das Casino. Aber erst einmal müssen wir mit Provisorien vorlieb nehmen, der große Umbau ist verschoben worden.

Nun verfolgen Sie ja gerade ein Hickhack in Ihrer unmittelbaren Nachbarschaft mit dem geplanten Wertstoffhof von bonnorange. Das wäre ja nicht gerade ein Schritt hin zu einer von Ihnen und auch von der Beueler Politik angestrebten Quartiersentwicklung mit Kulturbetrieb und vielfältiger Gastronomie.

Wir haben eine solche Quartiersentwicklung in allen Vorgesprächen mit der Stadt Bonn zur Bedingung gemacht, dass wir nach Beuel gehen, weil wir darin eine unglaubliche Chance sahen für den Stadtteil. Ich bin ein Theatermann, keine Städteplaner. Wir können Anstöße geben, aber die Anträge ans Land, an Konzepte und die Organisation muss die Stadt natürlich selbst übernehmen. Und das wurde auch versprochen. Seit einem Jahr warten wir, übrigens auch das Land, auf eine Initiative der Stadt. Offenbar mangelt es der Stadt aber an Konsequenz.

Wie sehen Sie die Chancen der Quartiersentwicklung?

Neben den Beuelern, die sich parteiübergreifend engagieren, will sich auch OB Ashok Sridharan der Quartiersentwicklung verstärkt annehmen. Darauf bauen wir. Was sonst?

Stimmen zum Pantheon

Zahlreiche Kabarettisten und Comedians haben das Pantheon in ihr Herz geschlossen. Hier eine kleine Auswahl:

Matthias Deutschmann schrieb auf die Künstlergarderobentür des alten Pantheon: „Ewig währt das Pantheon, denn es ist aus Stahl-Beton.“

Frank Goosen adelte die Brettlbühne zu einem „Humor-Bunker ohne W-lan und Mobilfunknetz“ und erklärte: „Im Pantheon darf man alles“.

„Das Pantheon ist meine kabarettistische Geburtsstätte“, bekennt Kabarettist Fatih Çevikkollu und sein Kollege Sebastian Pufpaff ergänzt: „Es kann gut sein, dass ich ohne das Pantheon und den Prix Pantheon heute gar kein Bühnenkünstler wäre.“

Aus Reihen der Prix-Pantheon-Preisträger hieß es schon, dass es in Bonn eine „Royal Albert Hall des Kleinkünstlers“ gebe.

Und Gerburg Jahnke ist sich sicher: „Das Pantheon-Publikum ist das weltbeste Publikum: offen, schnell, wendig.“ (al)

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